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Leerstand im Herzen Nürnbergs

Illustration: Paul Blotzki

Problemzone Innenstadt

Nürnbergs Selbstverständnis in den vergangenen Jahrzehnten war stets das einer Touristen-, Messe- und Einkaufsstadt. Erst mit großem Abstand kamen dann noch Industriestadt, Dienstleistungsstadt und am Ende rangierte das Bewusstsein von einer Hochschulstadt. Bei letzterem gibt es aber noch einiges zu tun.

Ein Adventsfreitag am Lorenzer Platz auf dem Weg zum Christkindlesmarkt. Fotos: Janine Beck

Auch beim Thema Einkaufsstadt ist Nachholbedarf im Lauf der Zeit entstanden. Seit den Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts zieht Nürnberg wesentlich mehr Kundschaft als vergleichbare Großstädte an. Vor allem an den Wochenenden war die Innenstadt von Kaufwilligen aus Fürth, Erlangen und aus dem Umland oft sehr gut besucht. An den Adventssamstagen wurde sie regelrecht überlaufen.

Das hat sich inzwischen geändert. Immer mehr Einzelhandelsfirmen und -geschäfte verdienen zu wenig und geben auf. Das lässt sich an den vielen Ladenlokalen, die zum Beispiel in der Breiten Gasse leer stehen, ablesen. Sollte tatsächlich Galeria Kaufhof und Karstadt im Signa-Sumpf mit untergehen, dann wäre das der Gau für die Innenstadt Nürnbergs. 

Amazon is eating the City

Ursachen-Forschung für den Niedergang von Kaufhäusern und des Einzelhandels wurde schon von verschiedenen Seiten betrieben. Amazon gilt als scharfer Konkurrent für den Unterhalt von teuren Kaufhaus-Palästen. Zu Hause auf Pakete zu warten, ist sehr bequem.

Es gibt immer weniger Inhaber, die Lust darauf haben, ein eigenes Geschäft zu führen, denn die Rendite ist mäßig, selbst wenn man keine Pacht zahlen muss

Es hat sich ein Teufelskreislauf entwickelt: Vielfalt und Qualität des Angebots haben nachgelassen und es kommen deshalb weniger Kunden in die Stadt. Weniger Kunden in der Innenstadt bedeuten aber wiederum eine weiter zurückgehende Vielfalt und Qualität des Angebots. 

Die Breite Gasse: Willkommen in der Leerstands-Lane.

Eine Lösung, wie Nürnbergs Innenstadt belebt werden kann, ist natürlich nicht einfach zu finden. Auch machen es sich die Verantwortlichen bislang sehr leicht mit ihren Antworten.

Nürnbergs neue Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmeier schlägt neue Bäume und größere Kübel, „bepflanzt mit richtigen Bäumen“ auf dem Hauptmarkt vor. „Die Gastronomie soll sich mehr auf den Platz ausbreiten, mehr Leben auf den Hauptmarkt bringen“, stellt Heilmeier in einem Artikel von NZ/NN fest. Da hat sie wohl schnell mal in einem Handbuch der Betriebswirtschaft nachgeschlagen, wie Kunden angelockt werden können. Oberflächlicher geht es nicht mehr.

“Richtige” Bäume und mehr Gastronomie: Ist das der Masterplan für die Innenstadt?

Sollen wirklich Bäume, vielleicht auch noch auf dem Sebalder Platz, die touristischen Sehenswürdigkeiten in der Innenstadt zustellen? Wer sich ein bisschen in der Innenstadt aufhält, sieht doch, dass es an den meisten Tagen viele leere Stühle in den gastronomischen Bereichen gibt? Noch mehr Pflanztröge und behelfsmäßige, zusammengezimmerte Gastrobereiche sind für eine zahlende Kundschaft nicht attraktiv. Das kostet doch alles auch etwas.

Ich, hier muss die Ich-Form verwendet werden, möchte einmal erleben, dass Handel, Gastronomie, Immobilienbesitzer und Politik den Begriff „Qualität“ für die Innenstadt ernsthaft in den Mund nehmen. Qualität in Bezug auf Warenangebot, Essen und Trinken, Aufenthaltsqualität. Da müssen die Beteiligten zusammenarbeiten.

Gesprächsrunden mit zufälligen Abstimmungsergebnissen, ob noch ein weiterer Container mit beliebig ausgewählten Pflanzen herumstehen soll, sind zu wenig. Es braucht konkrete Ziele, was gewollt wird, um die Situation zu verbessern. Die handelnden Personen müssen Überzeugungen haben und die anderen Beteiligten mitnehmen.

Auch die Immobilienbesitzer in der Innenstadt müssten einmal darüber nachdenken, ob es sich für sie tatsächlich langfristig rechnet, kurzfristig Gewinnmaximierung zu betreiben oder ob ein Geschäft mit einem überraschenden und qualitätsvollen Warenangebot nicht die bessere Wahl wäre. Auch wenn es etwas weniger Miete einbringt.

Das gilt natürlich auch für die Gastronomie: Wenn die Pacht so hoch ist, dass nur mit billigsten Produkten Essen und Trinken angeboten werden kann, dann lockt das keine Kunden an. Der nächste Betreiberwechsel ist angesichts der zu erwartenden Renditen schon programmiert.

Pop-Up-Store in der Hans-Sachs-Gasse 9. Das Projekt der Nürnberger City Werkstatt wird aus dem Sonderfonds „Innenstädte beleben“ des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr und der Stadt Nürnberg gefördert.

Wenn Banker Ballett tanzen, ist die Rendite nah

Einkaufen soll zum Erlebnis werden. Eine Forderung, die Betriebswirtschaftler mittlerweile auch von den Verantwortlichen für Museen und Theatern fordern. Das hat inzwischen zu einer Konjunktur für allen möglichen Blödsinn wie Verlosungsaktionen und dem Verschenken von schon fast verblühten Blumen geführt. Demnächst werden wohl Bankmitarbeiter ein Ballett aufführen, um uns von ihren Tagesgeldzinsen zu überzeugen. Hoffentlich mit Überstundenzuschlag.

Das größte Problem für die Innenstädte ist, dass in einer zunehmend disparateren Gesellschaft die Vermittlungsarbeit von qualitätsvollen Botschaften immer schwieriger wird. Qualität ist auch subjektiv: Die einen würden mit dem Auto am liebsten direkt ins Geschäft fahren, andere bestehen auf einer Ausweitung der Fußgängerzone, Radfahrer werden von Fußgängern belästigt und umgekehrt. Kompromisse sind nur schwer möglich. Die einen möchten möglichst günstig einkaufen und andere suchen nach ein bisschen Luxus, auch wenn er teuer ist.

Zeitlos gut: Küchen Lösch

Qualität ohne Schnickschnack: Küchen Lösch am Lorenzer Platz.

Bei der Diskussion über den richtigen Weg sollte aber auch der Küchen-Lösch als Beispiel berücksichtigt werden, denn an ihm scheitern viele moderne Marketing-Theorien: Ein auf Küchenutensilien spezialisiertes Kaufhaus, das, wenn man ehrlich ist, völlig verbaut und in die Jahre gekommen ist, punktet mit einem hervorragenden Warenangebot und einem kompetenten Verkaufspersonal. Das ist Qualität ohne modischen Schnickschnack.

Zwischen Verlust und Neubeginn

Der derzeit leer stehende Kaufhof wäre eine Chance, etwas Neues zu probieren, um neben der Dominanz des Handels, die noch vorhanden ist, aber zurückgeht, ein weiteres Spielbein für die Innenstadt zu schaffen, wie es das Zukunftsmuseum wurde. Markthalle, Wissenschaftsstandort, Spieleparadies für Erwachsene, Mobilitätssimulator, was auch immer: Die Stadt müsste den Kaufhof aber wohl selber kaufen, sonst ist der nächste Billigheimer im Anrollen.

Übrigens: 1997 hat es der Nürnberg Einzelhandel geschafft, ein Factory-Outlet-Center in Langwasser zu verhindern. Das siedelt sich dann in Ingolstadt an. Verhindert hat es den Niedergang nicht.


Noch ein Nachtrag: Natürlich gibt es noch die qualitätsvollen Geschäfte, Gaststätten und Cafés in Nürnberg, die sich redlich mühen. Es müssen aber mehr werden!

Eine kleine, subjektive und unvollständige Auswahl* von Lieblingsgeschäften in der Innenstadt.

*unbezahlte Werbung, da Markennennung


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