“The Q” – von den Zinsen aufgefressen
Wie viel darf die Miete für das ehemalige Quelle-Versandzentrum kosten?
Wir stehen erst am Anfang der Immobilienkrise. Dabei geht es nicht nur um Insolvenzen von Baufirmen, weil zu wenig Eigenkapital eingesetzt wird und die Zinsen steigen, sondern auch darum, dass die Baupreise inzwischen so teuer sind, dass der Mietpreis, wenn er nicht subventioniert ist, von Wohnungssuchenden nicht mehr bezahlt werden kann. Da klafft eine Lücke zwischen Einkommen und Mieten, die von den Bauherren verlangt werden müssen.
Bauen und dann vermieten, das rentiert sich nicht. Kaufen auch nicht, weil neben den hohen Baukosten auch noch die Zinsen steigen. Da wird das vermeintliche Immobilienschnäppchen aus der Vergangenheit schnell zu einem schweren Rucksack, wenn der Kredit verlängert werden muss.
Der Wohnungsbau wird deshalb in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen, obwohl schon jetzt zu wenig Wohnungen gebaut werden. Hunderttausende fehlen.
Immobilienkrise bedroht Wohnungssuchende und Bauherren gleichermaßen
In Nürnberg gibt es schon mehrere bekannte Objekte, bei denen es vorerst nicht weitergeht. Während die über 200 Wohnungen, die Project Immobilien bauen wollte, jetzt von Mauss Bau aus Erlangen fertiggestellt werden, sieht es bei „The Q“, dem ehemaligen Quelle-Versandzentrum in der Fürther Straße und auf dem südlichen Teil des ehemaligen Schöller Geländes in der Bucher Straße, auf dem eine Erziehungscampus errichtet werden soll, ganz anders aus.
Schuld ist die Insolvenz der Gerchgroup aus Düsseldorf. Die Dach-Holding dieses Immobilienentwicklers hat 2018 das ehemalige Quelle Versandzentrum in der Fürther Straße gekauft und ist federführend bei der Umgestaltung der Riesenimmobilie mit rund 250.000 Quadratmetern Nutzfläche. Das ehemalige Schöller-Gelände, südlich des Rings, sollten sie für den Freistaat als Erziehungscampus entwickeln.
Die städtische Sicherheit als Lockmittel
Nachdem mehrere Anläufe seit 2009 gescheitert waren, das ehemalige Quelle-Versandzentrum, das unter Denkmalschutz steht, zu reaktivieren, schien die Gerchgroup auf einem guten Weg zu sein.
Die Stadt Nürnberg hatte unter OB Ulrich Maly zugesichert 40.000 Quadratmeter, das sind zwei Fünftel der Nutzfläche des gesamten Gebäudes, die für Büros zur Verfügung stehen, langfristig für ein Behördenzentrum zu mieten. Die IT-Technik der Stadt, das Sozial- und Jugendamt der Stadt sollten u. a. erst ab 2024, dann ab 2026 einziehen.
Die Herausforderungen nach der Insolvenz
Bei einem Mietpreis von rund 17,50 für den Quadratmeter kommen rund 700.000 Euro pro Monat zusammen. Das sind 8,4 Millionen Euro im Jahr. Wenn man bedenkt, dass das gesamte Quellegebäude 2015 auf einen Verkehrswert von 31 Millionen Euro geschätzt wurde und dann zunächst für 16,8 Millionen Euro an das spanische Unternehmen Sonae Sierra verkauft wurde, scheint die Gerch-Group als neuer Eigentümer auf den ersten Blick angesichts des Mietpreises ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Auch wenn erst einmal umgebaut werden muss. So ein solventer Ankermieter, wie es die Stadt ist, bietet natürlich für Investoren Sicherheit. Letztlich war der Mietvertrag eine Anschubfinanzierung durch die Stadt Nürnberg, die immer einem Abriss oder Teilabriss ablehnend gegenübergestanden ist.
Diese Sicherheit schien derart gewinnbringend zu sein, dass die Bayerische Beamtenversorgung (BVK) das fertige Gebäude gekauft hat. Die Gerch-Group, die inzwischen insolvent ist, weil die BVK die Geduld mit dem Düsseldorfer Unternehmen verloren hat, hätte es allerdings erst noch fertig bauen müssen.
Wer trägt die Kosten?
Inzwischen soll der Münchner Projektsteuerer Acumalada beauftragt sein, das Bauvorhaben zu Ende zu bringen. Allerdings werden die Kosten steigen, weil die Ausschreibungen für die Handwerker neu verhandelt werden müssen. Auch hat der Insolvenzverwalter eine ausführliche Bestandsaufnahme gestartet, was auf der Baustelle alles noch vorhanden ist. Das Insolvenzverfahren kostet außerdem viel Zeit und damit Geld.
Durch die Insolvenz der Gerchgroup ist auch offen, was mit dem städtebaulichen Vertrag, der zwischen Stadt und dem Düsseldorfer Unternehmen geschlossen wurde, geschieht: Wer baut die Parkplätze, wer den Kindergarten, wer die Grünflächen? Wer die Verkehrswege? Und vor allem: Wer bezahlt das Ganze? Nürnberg hat angesichts der Haushaltslage kein Geld.
Rückwärtsgewandt wäre wohl ein Teilabriss besser gewesen und die Stadt hätte zumindest Teile des Grundstücks selber gekauft. Durch die Insolvenz der Gerchgroup hat sie aber die Möglichkeit, den Mietvertrag neu zu verhandeln, um einen günstigeren Mietpreis zu erzielen. Ob die Chance genutzt wird, dafür gibt es aber bislang keine Anzeichen.
Bildungsbau in der Warteschleife
Die Gerchgroup sollte auch den Um- und Neubau der erziehungswissenschaftlichen Fakultät durchführen. Vor einem Jahr erhielt sie vom Freistaat im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens den Zuschlag, das ehemalige Schöller Verwaltungsgebäude in der Bucher Straße, südlich des Rings, um- und teilweise neu zu bauen. Es eilt, denn die bisher von der Studentenschaft und den Wissenschaftlern genutzten Räume in der Regensburger Straße in Nürnberg sind schon länger marode.
Geplant war zuletzt, dass zwischen 200 und 300 Millionen Euro investiert werde. Dieser Bestellbau wäre von München, so heißt es aus Expertenkreisen, über Mietzahlungen in Höhe von 750.000 Euro pro Monat finanziert worden.
Auch das ist kein schlechtes Geschäft für einen Immobilienentwickler, denn nach 20 Jahren wollte der Freistaat überlegen, den Erziehungscampus zu kaufen. Jetzt geht vorerst gar nichts mehr. Es sei denn, der Freistaat springt mit seiner Immobiliengesellschaft Imby als Bauherr ein. Eigentümer des Grundstücks ist die Gerchgroup aber noch nicht. Sie hat nur eine Anzahlung geleistet. Gebäude und Grundstück gehören immer noch dem Deutschen Milchkontor. Der Freistaat sollte schnell neu verhandeln, damit es mit den Erziehungswissenschaften weiter geht. Sie werden schon zu lang vertröstet.
Beteiligungswirrwarr und Finanzverflechtungen
Angesichts des Beteiligungswirrwarrs und der wechselseitigen finanziellen Verflechtungen wundern einen die hohen Mietkosten schon. Vor allem, wenn die öffentliche Hand erst einmal mit leeren Händen dasteht. Dass solche Projekte überhaupt über Miete abfinanziert werden, liegt auch daran, dass private Firmen günstiger bauen als die öffentliche Hand. Doch das ist ein anderes Thema. Das Problem gibt es seit 30 Jahren.