Endzeitstimmung auf Fahrradwegen
Ungerechte Aufteilung: Nürnberg zahlt, das Umland profitiert
Die Stadt Nürnberg hat rund zwei Milliarden Euro Schulden. Das hat nicht unbedingt etwas mit Verschwendung oder ineffizienter Verwaltung zu tun. Der Unterhalt von städtischen Museen und Schwimmbädern, einem Stadion, einer Oper mit einem Schauspielhaus, auch Deutschlands größtes kommunales Klinikum müssen zum Teil von der Stadt finanziert werden. Sie gehören zum Standard einer Großstadt.
Es fehlen aber jedes Jahr ausreichend Einnahmen, um diese Infrastruktur zu erhalten. Das ist ein strukturelles Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben und es erhöht jedes Jahr die Schulden Nürnbergs. Sparen allein, was seit 25 Jahren gemacht wird, genügt nicht, um das Problem in den Griff zu bekommen, denn die Stadt erhält regelmäßig neue Aufgaben und die Erwartungshaltung von Bürgerinnen und Bürger nimmt zu.
Das Umland zahlt praktisch nichts zur Infrastruktur dazu und profitiert aber von den Angeboten, die Nürnberg für die Region vorhält. Wer eine komplizierte Krankheit hat, der geht entweder ins städtische Klinikum oder aber in die Uni-Kliniken nach Erlangen. In Nürnberg tragen das Defizit des Klinikums die Bürger, in Erlangen der Freistaat. Der Lastenausgleich und die Verteilung der Einkommensteuer zwischen Stadt und Umland ist außerdem nicht fair.
Investitionsschwerpunkte 2023 bis 2026
Im Zeitraum 2023 bis 2026 wird mit Bruttoinvestitionen (dargestellt werden ausschließlich die investiven Bestandteile) in Höhe von 2,23 Mrd. € gerechnet. Dieser Betrag verteilt sich im Einzelnen auf die folgenden Investitionsschwerpunkte
Berufsschulen und Gymnasien sind ein ähnliches Draufzahlgeschäft. Wenn Fürth aktuell etwa den Bau von Gymnasien verschlafen hat, dann werden über hundert Jugendliche nach Nürnberg auf Gymnasien geschickt. Von dem Ärger einmal abgesehen, dass Nürnberger Schülerinnen und Schüler nicht mehr auf ihr Wunschgymnasium gehen können, decken die Ausgleichszahlungen für Gastschüler nie die tatsächlichen Kosten. Auch der Freistaat spart rund 60 Millionen Euro pro Jahr ein, weil die tatsächlichen Lehrerpersonalkosten, die bei der Stadt Nürnberg anfallen, von ihm nicht bezahlt werden. Der Unterhalt von Schulen ist eine kommunale Angelegenheit, das gilt für ganz Bayern, die Personalkosten müsste aber der Freistaat übernehmen. Das macht er aber bei den Städten, die über ein eigenes Schulsystem verfügen, nicht. Er überweist nur die Kosten, die für Junglehrer anfallen würden, und nicht die tatsächlich anfallenden Kosten.
Wenn man die Rechenmaschine anwirft und 60 Millionen Euro mal zehn Jahre nimmt, dann hat Nürnberg seit 2012 durch dieses Verhalten der Staatsregierung 600 Millionen Euro draufgezahlt. Da können wir als Rechenkünstler mit der Zunge schnalzen: Fast ein Drittel des Nürnberger Defizits von zwei Milliarden Euro geht auf die Staatsregierung mit dieser einen Maßnahme zurück. Bei solchen Zahlen ist es illusorisch, dass ein Schuldenabbau in Nürnberg, aber auch in anderen Großstädten, die über keine oder zu wenig große Konzerne verfügen, jemals gelingen kann.
Was willst du mal werden? Kämmerer in München!
Wenn München ein gutes konjunkturelles Jahr hat, dann sind die Einnahmen durch die Gewerbesteuer von den Konzernen wie BMW und Siemens, die in München ihren Sitz haben, so hoch, dass die dortige Kämmerei gar nicht weiß, wohin mit dem Geld. Das Defizit der Landeshauptstadt ist schnell kleiner. Das in Nürnberg bleibt und wächst vielleicht etwas langsamer, wenn die Konjunktur gut ist.
Prioritäten in Zeiten der Endzeitstimmung
Der hohe Schuldenstand Nürnbergs liegt auch daran, dass der Erwartungshorizont von Bürgerinnen und Bürgern immer weiter aufgespannt wird. Bei der letzten mobilen Bürgerversammlung in diesem Jahr wurden Straßen, die zu Boulevards im Stadtteil Wöhrd umgebaut werden, und großzügig sanierte Verkehrsinseln gefordert. Dass bis in die siebziger Jahre Fahrrad- und Fußgängerwege vernachlässigt wurden, hat inzwischen schon fast jeder Politiker begriffen. Bei Neubauten oder bei der grundsätzlichen Sanierung von Straßen werden die Wünsche von Fußgängern und Radfahrerinnen auch berücksichtigt. Aber es braucht angesichts der zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen schon etwas Geduld. Das geht nicht innerhalb von zwei, drei Jahren. Kinderbetreuung und Schulen sind noch wichtiger. Alles auf einmal ist nicht möglich.
Angesichts der klimatischen Endzeitstimmung und der individuellen Ungeduld, die sich bei etlichen Zeitgenossen breitmachen, entsteht der Eindruck, ein 2,50 Meter breiter Fahrradweg rettet das Klima und eine Breite von zwei Metern würde nicht genügen. Hier geht es aber nur um Bequemlichkeit.