Warum die Sea-Eye nicht in Nürnberg ankern soll
Denkort am richtigen Ort?
Seit etwas über zwei Jahren gibt es eine Initiative in Nürnberg, die das ausgemusterte Flüchtlingsschiff Sea-Eye als ein Mahnmal zur Achtung von Menschenrechten aufstellen möchte. Es soll aber nicht nur ein Symbol sein, sondern auch ein Denk- und Lernort.
Wer sich nicht mehr an den Namen und die Geschichte der Sea-Eye erinnern kann: Es ist ein alter, umgebauter Fischkutter, der von 2016 bis 2018 im Mittelmeer Tausende Flüchtlinge aufgesammelt und nach Italien oder Nordafrika gebracht hat. Die Hilfsorganisation gleichen Namens wurde 2015 in Regensburg gegründet.
Neben dem ehemaligen Kapitän Klaus Stadler unterstützt eine Gruppe moralstarker, lokaler Prominenter das Vorhaben, die Sea-Eye, wo auch immer sie in Nürnberg aufgestellt wird, für Workshops, Veranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen zu nutzen. Im Umfeld müssten natürlich auch Räume zur Verfügung stehen, um das Programm dauerhaft am Laufen zu halten. Dafür braucht es auch Personal.
Mit an Bord sind alt gediente Politiker, Stephan Doll vom DGB, die Dekane der Kirchen, Staatstheater Intendant Daniel Herzog und Siegfried Grillmeyer, Akademiedirektor und Leiter des CPH. Derzeit liegt das Schiff in Hamburg.
Ziel ist, in der Stadtgesellschaft eine breite Diskussion über die Themen Flucht und Migration sowie ihren Folgen anzustoßen und zu vertiefen. Nürnberg kann mit pädagogischen Denk- und Lernorten umgehen, das zeigt das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Allerdings kann die Stadt nur mit großen Mühen ihren finanziellen Beitrag für den Unterhalt des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes aufbringen.
Mehr als nur ein Schiff in Nürnberg
Kein Wunder, dass es bislang noch keine Unterstützungswelle aus dem Stadtrat und von der Stadtspitze für das Sea-Eye-Projekt gibt: Die Stadtpolitiker wissen, dass die Nürnberger Kassen auf Jahre hinaus für solche gut gemeinten, aber nicht unbedingt notwendigen Projekte leer sind.
Es würde teuer werden: Aufwendiger Transport des Schiffs nach Nürnberg, Platzgestaltung, Unterhalt, Programmgestaltung, Personalkosten des Mitarbeiterstabs, Sicherstellung des Betriebs.
Noch dazu gibt es schon einen Denkort zu den Menschenrechten in Nürnberg: die Straße der Menschenrechte, die langsam in die Jahre kommt.
Der dünne Firnis der Lösungsansätze
Es fehlt außerdem eine inhaltliche Anbindung der Sea-Eye an Nürnberg. Die Initiative wurde in Regensburg gegründet. Auch wenn der Kapitän aus Nürnberg stammt, so ist das kein starkes Argument, ein Sea-Eye Denkmal zu errichten. Die Stadt Nürnberg hat mit dem Schiff letztlich nichts zu tun. Eine inhaltliche Begründung für Nürnberg wäre völlig beliebig. Es könnte auch in Würzburg oder im Veitshöchheim stehen.
Etwas anderes ist es natürlich, wenn die Evangelisch-lutherische Kirche das Schiff mit Eigenmitteln auf ihrem neuen Campus am Rathenauplatz präsentiert. Auch könnte der Bamberger Bischof die Sea-Eye vor dem Caritas-Pirckheimer-Haus aufstellen. Bei beiden Standorten gäbe es dann im direkten Umfeld auch Räume für Veranstaltungen zum Thema und geeignete Mitarbeiter.
Was einen dann doch etwas an dem Vorhaben ärgert, ist nicht nur die Beliebigkeit, sondern die Behauptung, dass die Themen Flucht, Rettung, Migration, Menschenrechte und Integration noch vertiefend diskutiert werden sollen. Diese Themen werden seit Jahren diskutiert – auf allen Ebenen. Doch die politischen Lösungsansätze sind bislang ein ganz dünner Firnis, der über das Problem gezogen wurde und der immer wieder aufbricht.
Das Grundproblem ist, wie viele Flüchtlinge wollen und können wir aufnehmen und in welcher Tiefe sollen sie integriert werden? Wie gehen wir mit dem abstrakten, grundgesetzlich garantierten Recht auf Asyl in der Praxis um? Da gibt es noch keinen Kompromiss und keine klare Linie.
Ein Denk- und Lernort Sea-Eye würde natürlich die Frage mit einer maximalen Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern beantworten. Sonst würde die Symbolkraft des Schiffes – Flüchtlingsrettung – nicht mehr dazu passen. Es wäre eben kein Denkort, bei dem man das Für und Wider abwägt und nach Kompromissen sucht. Es würde nur eine eindeutige Botschaft verkündet werden.
Ja, es geht um Menschenleben. Aber wäre es nicht besser, diese finanziellen Mittel in ein Projekt, das Flüchtlingen vor Ort hilft, zu stecken? Man macht es sich leicht, für etwas Gutes die Trommel zu schlagen und dann der Stadt die Kosten zu übergeben. Ist das wirklich dem Ernst des Themas angemessen?