Kunst im öffentlichen Raum
Warum steht das da?
562 Juden wurden in Nürnberg 1349 umgebracht und die meisten von ihnen auf dem Gelände des heutigen Stadtparks verbrannt. Das war rund ein Drittel der jüdischen Bevölkerung in der Reichsstadt.
Ein Judenpogrom der schlimmsten Art. Zwei Tage wütete der Nürnberger Mob, zündete Häuser an und erschlug Menschen. An der Stelle des jüdischen Ghettos steht heute die Frauenkirche. Noch 1349 wurde ihr Bau begonnen.
Das schlechte Gewissen ließ wohl einige Christinnen und Christen nicht ruhen, auch wenn das nur eine rückwärtsgewandte Vermutung ist.
Gier, Grausamkeit und Verschwörung
Für das Ermorden der jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn lassen sich mehrere Gründe anführen. Für die vielen Tote durch die Pest wurden Schuldige gesucht. Außerdem hatten viele Handwerker und Patrizier Schulden bei jüdischen Geldverleihern und wo keine Geldverleiher mehr sind, muss man auch nichts mehr zurückzahlen.
Das von langer Hand geplante Pogrom wurde von Kaiser Karl IV. gebilligt und er ließ der Nürnberger Stadtspitze freie Hand. Die repräsentativen Häuser von Juden erhielten Patrizier als Geschenk, der Bischof in Bamberg verdiente mit und auch für den Kaiser fiel Geld ab. Es war genug Geld für alle da.
Die jüdische Gemeinde hatte auch noch das Pech, dass das stark wachsende Nürnberg plötzlich ein kleines jüdisches Ghetto in ihrem Zentrum hatte, zwischen den Siedlungskernen St. Sebald und St. Lorenz.
Durch die Ermordung und Vertreibung der Juden in Nürnberg gab es Platz, einen Hauptmarkt mit Frauenkirche anzulegen. Der Antisemitismus hatte sich wieder einmal mehr mit seiner profanen Fratze gezeigt: Es ging um Bereicherung zu Lasten von Mitbürgern und Mitbürgerinnen, eben auf Kosten von Juden.
Anfassen erwünscht
Dieser Vorlauf muss erzählt werden, denn nur wenige Meter von der Frauenkirche steht heute der „Stein zur Meditation“ von dem österreichischen Bildhauer Karl Prantl. 1971 im Rahmen des Symposioms Urbanum entstanden, soll dieser abstrakte schwarze Quader seine Betrachter anhalten, die Welt bewusster wahrzunehmen. Es kann angefasst werden und so die Fantasie spielen lassen. Er ist aber auch Teil des historischen Orts.
Wer heute regelmäßig am “Stein zur Meditation” vorbeigeht, muss sich schämen. Der Stein wird von Hunden angeschissen und angepinkelt, er ist ein Sammlungsort von Bierdosen und Papierresten. Hochzeitgesellschaften nutzen ihn als Tisch für Plastikgläser mit Prosecco und Häppchen. Selbst Kindergeburtstage werden dort abschnittsweise gefeiert. Alles selber gesehen. Zurück bleiben Luftballons, denen die Luft ausgegangen ist.
Als Informationstafel am Granitstein ist nur folgender Text angebracht: “Karl Prantl Symposiom Urbanum 1971”.
Warum Kunst im öffentlichen Raum erklärt werden sollte
Wer weiß denn heute noch, was und wer das ist? Was wurde damit bezweckt? Da braucht es doch nicht viele Worte, um zu erklären, welche Bewandtnis es mit diesem Stein hat. Kunst im öffentlichen Raum, dafür stand das Symposium Urbanum, hat mehr Respekt verdient und ist für alle da. Das muss man den Menschen doch erklären. Es haben nur die wenigsten Kunstgeschichte studiert.
Der Meditationsstein ist in Nürnberg ein Beispiel dafür, dass Unwissende offenbar unwissend bleiben sollen. Irgendwie klingt das nach intellektuellem Hochmut.
Übrigens: Der genaue, aber offenbar beliebige Standort geht auf die Feuerwehr zurück, die einen freien Zugang zum Christkindlesmarkt haben wollte. Was für ein Bogen, vom Brandschatzen zum Brandschutz.