Die Oper muss in der Mitte Nürnbergs bleiben
Die fränkische Bescheidenheit ist zum Weinen
Bauen ist teuer. Neben den steigenden Grundstücks- und Personalkosten sowie den hohen Preisen für Baumaterialien sind aber vor allem auch Planungsänderungen schuld. Die Elbphilharmonie in Hamburg und der neue Berliner Flughafen sind nicht aufgrund von Architektenfehlern so teuer geworden, sondern wegen vielen Änderungen der schon fertigen Pläne während der Bauphase durch die öffentliche Hand. Da hat man mal etwas vergessen oder aber möchte es noch schöner haben. Das kostet richtig Geld, weil die Maßnahmen durch Ausschreibungen vor Baubeginn nicht abschließend verhandelt werden konnten.
In Nürnberg hat der Stadtrat nach langen Diskussionen 2022 beschlossen, ein Spielstätten-Interim für die Oper im Innenhof der unfertigen Nazi-Kongresshalle am Dutzendteich zu bauen, damit das Opernhaus saniert werden kann. Das wird alles teuer und dauert mehrere Jahre.
Oper im Wartesaal: Das Interim in der Kongresshalle
Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, hat kürzlich in einem Interview von Nürnberger Zeitung und Nürnberger Nachrichten die Frage in den Raum gestellt, warum soll die Oper in das alte Opernhaus zurückkehren, wenn man es schafft, „diesen Wahnsinnsort erfolgreich zu bespielen“? Das würde eine völlig neue Nutzung des alten Opernhauses möglich machen – vielleicht als Konzertsaal? Das Interimsgebäude in der Kongresshalle wäre dann das neue Opernhaus.
Gegner der teuren Opernhaussanierung und vermeintlich kreative Kommentatoren brachen regelrecht in Jubel aus, weil Hochkultur, die richtig Geld kostet, kaum mehr in der Gesellschaft vermittelbar sei. Hochkultur soll offenbar dorthin, wo das Nazi-Unkraut gewachsen ist.
Nürnberg hat mit dieser konzeptionslosen Bescheidenheit wieder einmal ein biederes Alleinstellungsmerkmal erworben: Anspruchsvolle Kultur ist zu teuer, dann bleiben wir halt auf Dauer im Hitler-Bau.
Ja, es ist richtig, dass eine demokratische Nutzung der richtige Umgang mit dem Nazi-Torso ist, denn es nimmt ihm den Nimbus, für den Nationalsozialismus und seinem Ewigkeitsanspruch zu stehen.
Wenn Träume teuer werden
Die Fans der Sparsamkeit vergessen aber dabei, dass es sich nicht um die Verlagerung und den Umbau von Hutschachteln handelt, sondern das Ergebnis teurer Planungsprozesse ist. Das Interim hat maximal nur 800 Plätze, bisweilen wird sogar nur von 670 Plätzen geredet. Auf keinen Fall sind es 1031 Plätze, wie sie das alte Opernhaus hat. Ein kleines Opernhaus mit wenig Plätzen macht aber Inszenierungen auf Dauer noch teurer, weil weniger Geld eingespielt wird.
In einem Gutachten zu dem leider nicht gebauten Konzertsaal im Luitpoldhain wurde gut begründet gefordert, dass ein solcher Saal mindestens 1500 Plätze benötigt, um einigermaßen die Kosten für überdurchschnittliche Künstlerinnen und Künstler und Orchester einzuspielen. Mit einer niedrigeren Zuschauerkapazität würde ein Konzertsaal keinen Sinn machen und beim Unterhalt sehr teuer kommen. 1500 Plätze im alten, dann umgebauten Opernhaus sind aber nicht unterzubringen. In Nürnberg wird leider oft nach dem Prinzip gehandelt, was geht mich das Gutachten von gestern an. Schon aus Platzgründen kann das alte Opernhaus kein Konzertsaal werden.
Außerdem ist es strategisch natürlich Unfug, das Staatstheater zu zerreißen. Das renovierte Schauspielhaus würde dann am Richard-Wagner-Platz bleiben und die verkleinerte Oper würde am Dutzendteich langfristig residieren: Das bedeutet den Unterhalt von zwei Kantinen, zwei Werkstätten, zwei Lagersystemen etc. Statt Synergieeffekte gibt es eine Pluralisierung der Kosten.
Stadtplanung à la Nürnberg
Nürnberg hat in der Vergangenheit schon immer Probleme mit einer langfristigen Stadtplanung gehabt, weil vorgegebene Ziele oft zu diffus waren und nicht konsequent umgesetzt wurden. Im Zusammenhang mit der Landesgartenschau 2030 soll zwischen Grasersgasse und einem umgebauten Richard-Wagner-Platz eine parkähnliche Fläche entstehen, die eine attraktive Verbindungsachse zwischen Kern- und Südstadt werden könnte. Diese Grünfläche macht im Hinblick auf eine der Hitze angepasste Stadt auch Sinn.
Der Konzertsaal, wenn er überhaupt noch einmal kommt, gehört zur Meistersingerhalle, weil er dort die Unterhaltskosten für die beiden musikalischen Spielstätten verringern könnte.
Quelle: Stadt Nürnberg
Das Interim für die Oper in der Kongresshalle darf nach der Sanierung des Opernhauses nicht abgerissen werden und muss auf Dauer bleiben. Aber nicht als Opernhaus, sondern mit einer neuen Nutzung, die noch gefunden werden muss. Ein Abriss wäre eine Verschwendung von Steuergeldern. Dass die Oper sich in den nächsten Jahren noch mehr als bisher öffnet, um neue Publikumsschichte anzusprechen, ist seit Jahren bekannt. Das geht aber sehr schwer in einem Haus, das baufällig ist. Natürlich darf ein saniertes Opernhaus keine Einrichtung für die Champagner-Gesellschaft sein. Aber gibt es diese in Nürnberg überhaupt?
Tränendrüse oder Taktgefühl?
Klassische Musik sollte nicht den Reichen dieser Welt vorbehalten bleiben, sondern für alle zugänglich sein. Erst Kultur macht den Menschen zum Menschen. Diese fränkische Bescheidenheit, die von sich heraus ein Opernhaus mitten in der Stadt aufgeben will, ist zum Weinen. Es reicht schon, dass der Konzertsaal ohne Widerstand aufgegeben wurde. In München käme niemand auf die Idee. In beiden Fällen nicht.