Innenstadt neu gedacht
Bekommt die Innenstadt eine Wissenschaftsmeile?
Kaufhof und City Point, die mitten in Nürnberg stehen, werden wohl nie mehr als Hülle für große Warenhäuser benötigt. Beide haben derzeit keine Funktion mehr und sind leer. Für Nürnbergs Innenstadt ein Verlust an Attraktivität.
Nachdem auch noch viele kleinere Geschäfte im vergangenen halben Jahr aufgegeben haben, leidet der Ruf der Einkaufsstadt Nürnberg erheblich. Doch wie weiter? Der einzige Trost ist, dass alle Innenstädte Deutschlands bis auf ganz wenige Ausnahmen mit Leerstand bei Geschäften zurechtkommen müssen.
Das trifft aber Nürnberg ganz besonders, denn die fränkische Metropole hat in den vergangenen Jahrzehnten eine überdurchschnittliche Anziehungskraft für den hiesigen Einzelhandel ausgeübt. Deshalb ist eine Reaktivierung von City Point und Kaufhof mit neuen Funktionen besonders wichtig.
Während es beim City Point ganz schwierig ist, sich überhaupt einmal Klarheit zu verschaffen, sind die Verhältnisse beim Kaufhof, der zur Insolvenz-Masse des zusammengekrachten Signa-Imperiums von René Benko gehört, etwas klarer. Aber nur etwas, denn es bleibt unkonkret, was die Insolvenz-Verwalter vorhaben. Es wird verhandelt, aber das ist auch schon alles. Die Stadt hat sich einst ein Vorkaufsrecht einräumen lassen, sodass sie im Falle von wirtschaftlichen Problemen als erster die Kaufhof-Immobilie kaufen kann, doch bei einer Insolvenz ist dieses Recht als erster kaufen zu dürfen, nicht mehr gültig.
Ein Umstand, den Siegfried Dengler, Leiter des Nürnberger Stadtplanungsamts, heftig kritisiert. In solchen Situationen besteht dann die Gefahr, dass Städte und Kommunen die Steuerungshoheit bei einer Insolvenz über große Immobilienkomplexe verlieren, wenn irgendein Gewinnmaximierer die Kommunen mit Forderungen gängelt und das Gemeinwohl bei der Revitalisierung von Gebäuden hintenanstellt. Der Städtetag prangert schon länger diesen rechtlichen Missstand im Insolvenzrecht beim Bundesgesetzgeber an. Doch passiert ist bislang nichts.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Christine Kayser hat angesichts des leeren Kaufhofs in der Königstraße in Nürnberg zu einer Informationsveranstaltung, wie es weitergehen soll, eingeladen. Es kamen aber nicht nur Informationshungrige, sondern auch Fachleute, die ganz konkrete Vorschläge gemacht haben.
Jaana Hampel, Gewerkschaftssekretärin von Ver.di, regt an, den ganzen City-Point abzureißen, um mit einem kleinen Park die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern. Sie schlug auch einen Grünbereich mit einem Café auf dem Dach des Kaufhofs vor. Die Vorschläge, mehr für Kinder anzubieten, mehr Grünflächen zu schaffen, ohne dass gleich etwas konsumiert werden muss, fanden bei den 50 Interessierten, die gekommen waren, großen Anklang. Stichwort familienfreundliche Innenstadt.
Die Vertreterin der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und der Vertreter der UTN, der neuen Technischen Universität Nürnberg, machten gemeinsam den Vorschlag, den Kaufhof für ein wissenschaftliches Schaufenster zu nutzen. Im Erdgeschoss des Kaufhauses könnten mit der Präsentation von Forschungen und neuen Lehrmethoden, mit Ausstellungen, Karriereberatungen, einem Wellcome-Office die wissenschaftlichen Einrichtungen Nürnbergs der Bevölkerung nahegebracht werden.
Das wäre eine Nutzung, die auch zum Zukunftsmuseum auf dem Augustinerhofgelände passen würde. Möglich wären auch noch Rückzugs- und Arbeitsräume für Studierende, die es bislang noch nicht gibt und auch an den Hochschulen nicht geplant sind. „Public science“, nannte das Markus Zanner, Kanzler der UTN: „Wir zeigen der Öffentlichkeit, was wir mit KI alles machen können und was wir alles für die Gesellschaft leisten können.“
Nürnbergs Wissenschaftsmeile in der Innenstadt lässt sich gut mit einer aufgewerteten Einkaufsmeile zusammenfügen, waren sich die Besucher der Informationsveranstaltung einig. Außerdem gibt es auch noch eine Museumsmeile in Nürnberg.
Kongresse und Tagungen: Ein Bedarf in Nürnberg
Eine wissenschaftliche Nutzung ließe sich auch mit Tagungen und Kongressen verbinden. Yvonne Coulin, Geschäftsführerin der Congress- und Tourismuszentrale, wies daraufhin, dass es in Nürnberg eine Lücke von Räumen für Veranstaltungen mit 500 bis 1000 Teilnehmern gibt. Das Kongressgeschäft habe wider Erwarten durch Corona in diesem Bereich nicht gelitten. Dagegen ist die Nachfrage nach kleineren Kongresseinheiten für 50 Teilnehmer aber schon zurückgegangen.
Ab Ende September bemüht sich das Kulturreferat mit künstlerischen Aktionen, das Umfeld des Kaufhofs lebendig zu machen. Eine Entscheidung, wie es mit dem Kaufhof weitergeht, dürfte wohl erst 2025 fallen. Coulin, die regelmäßig Umfragen analysiert, was Touristen und Geschäftsreisende an Nürnberg schätzen, wies darauf hin, dass mit Abstand an erster Stelle die Atmosphäre Nürnbergs genannt wird, dann kommen die Stadtarchitektur, die Sehenswürdigkeiten und die Museen. Die Stadtmauer sorge außerdem für eine gute Orientierung der Besucher Nürnbergs. Auch Coulin fordert mehr Grünflächen, mehr Bäume und mehr Familienfreundlichkeit.
Stadtplanung und Beteiligung: Der Weg nach vorne
Sophie May von der Stadtmanufaktur, Hamburg, die solche Transformationsprozesse in Innenstädten betreut, forderte Nürnberg auf, dass die Stadt aktiv die Veränderungen steuern muss und sich, wenn sie nicht Investoren vertreiben will, nicht zu viel Zeit lassen soll. Es sollten möglichst viele innerstädtische Akteure Vorschläge machen dürfen.
Die SPD will die Ideen sammeln und in den Stadtrat einbringen. Verwunderlich war, dass kein Vertreter der Wirtschaftsförderung anwesend war. Bislang hat die neue Wirtschaftsreferentin jedenfalls nicht mit Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Innenstadt Nürnbergs geglänzt. Gerüchten zufolge soll die Abteilung Wirtschaftsförderung sogar abgebaut werden.
Oder hat sich die CSU intern schon den Vorschlag von Ministerpräsident Markus Söder zu eigen gemacht, den Kaufhof trotz Denkmalschutz abzureißen und ein mehrgeschossiges Kongresszentrum an die Stelle des Kaufhofs zu setzen. Was angesichts der Vorschläge zum Thema Wissenschaft eine Verschwendung von guten Ideen wäre.
Die CSU sollte der Forderung der SPD nachgeben und eine Machbarkeitsstudie durchführen, was im Kaufhof möglich ist. Immerhin geht es um das Tor zur Innenstadt Nürnbergs. Ein Kongresszentrum könnte außerdem auch im City-Point einziehen. Kaufhof und City Point sind städtebaulich zu wichtig für die Innenstadt, als dass ohne Konzept losgewurstelt wird.