AI, Antike und ein Abschied
Prömel geht, Huth kommt
Das war schon ein mittlerer Paukenschlag, dass der Gründungspräsident der Technischen Universität Nürnberg (UTN), Hans Jürgen Prömel, nach nur drei Jahren abgelöst wurde. Sein Vertrag wäre noch zwei Jahre gelaufen.
Die dürren Worte von Ministerpräsident Markus Söder und Wissenschaftsminister Markus Blume zum Abschied Prömels zeigen deutlich, dass sie mit der Aufbauarbeit des wissenschaftlich hoch dekorierten 70-Jährigen unzufrieden waren. Der Ausbau der ersten universitären Neugründung seit über 40 Jahren in Bayern ging Ihnen schlicht zu langsam.
Dabei hat Prömel durchaus Erfolge vorzuweisen. Mit der Gräcistin Gyburg Uhlmann und dem Informatiker Wolfram Burgard kann sich die UTN mit zwei Leibniz-Preisträgern schmücken. Zuletzt stießen mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm und dem Mathematiker Alexander Martin zwei weitere international renommierte Wissenschaftler hinzu.
Was passiert, wenn Erlangen nicht mehr genug ist
Die Spitze der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg schäumte, weil sie Grimm wie Martin abgeben musste. Dabei handelte es sich nicht um Abwerbungen, wie es mehrfach öffentlich suggeriert wurde: Grimm und Martin wollten zur UTN, weil sie bessere Arbeitsbedingungen vorfanden. Auch war das Konzept einer voll digitalisierten, internationalen und interdisziplinären Universität offenbar attraktiv. Rivalisierende Fakultäten können innerhalb einer Universität hemmend sein. Bei der UTN gibt es keine Fakultäten mehr.
Prömel hatte mit Schwierigkeiten zu kämpfen, für die er nicht verantwortlich war. Es waren nicht nur die Hemmnisse durch die Corona-Pandemie. Wissenschaftliche IT-Spezialisten verdienen derzeit oft das vier- oder fünffache mehr im Ausland als in Deutschland, vor allem in den USA. Spitzenwissenschaftler zu finden, und solche benötigt die UTN, um attraktiv zu werden, gestaltete sich schwierig und es dauerte eben länger.
Bei den Studierenden stellte sich bislang das Problem, dass zu viele Bewerber den Anforderungen nicht genügen. Von 30 zugelassenen Bewerbungen konnten nur zehn angenommen werden. Deshalb die niedrigen Studentenzahlen im ersten Semester. Künftig soll das Bewerberfeld deutlich erweitert werden, damit mehr Studentinnen und Studenten aufgenommen werden.
Schließlich die Gebäude. Dass das staatliche Bauamt nicht zu den dynamischsten Einrichtungen des Freistaats gehört und erst ein Gebäude auf der Zielgerade einer Fertigstellung ist, kann Prömel nicht angelastet werden. Wahrscheinlich hätte er lieber selber gebaut als mit Umstandskrämern. Prömel musste deshalb auf die aufwändige Suche nach Ersatzgebäuden gehen. Eine Campus-Universität, die gerade im Entstehen ist und die über Jahre hinweg unterschiedliche Standorte haben wird, verursacht für alle Beteiligten Mehrarbeit.
Ob der neue Präsident Michael Huth, ein Mathematiker und KI Experte, der aus London kommt, es besser macht und er durchsetzungsfähiger als Prömel ist, wird sich zeigen.
Neid debattiert, Fortschritt passiert
Dass die UTN immer noch um ihr Image in Nürnberg und der Region kämpfen muss, ist sehr ärgerlich. Es mag mit Neid bei Wissenschaftlern von den benachbarten Hochschulen zu tun haben, weil die Arbeits- und Studienbedingungen an der UTN besser sind. Es hat aber auch mit Ignoranz zu tun oder man ist immer noch beleidigt, weil es Konkurrenz in der Region gibt.
Als die Gräcistin Gyburg Uhlmann von der UTN vor wenigen Tagen eine Art Antrittsvorlesung darüber hielt, wie mit klassischen literaturwissenschaftlichen Methoden den Fake News durch Künstliche Intelligenz beizukommen ist, waren gerade einmal 27 Personen im Raum. Sowohl Wissenschaftler als auch Firmenvertreter und städtische Beschäftigte sollten doch wissen wollen, was die Neuen bieten. Uhlmanns Thesen waren gut begründet und mit ihren Folgerungen spektakulär. Es geht hier nicht um eine Neuinterpretation der aristotelischen Rhetorik für Techniker, sondern wie literaturwissenschaftliches und historisches Handwerkszeug uns hilft, mit KI erfolgreich umzugehen.
Die UTN ist die größte Chance für Nürnberg und die Region in den nächsten 50 Jahren. Es sei jedem empfohlen, Uhlmanns Vortrag anzuhören. Bislang ist es jedenfalls ein Trauerspiel, wie sich die hiesigen Akteure verhalten. Da fehlt jegliche Neugierde.
Für Irrungen und Wirrungen hat auch Ministerpräsident Markus Söder selber beigetragen, als er im vergangenen Dezember sein Statement in die Welt hinausschickte, dass die UTN die erste Universität in Deutschland sein wird, die komplett von KI geprägt ist. Die Reflexe waren absehbar, denn alle Universitäten und Hochschulen müssen mit KI arbeiten und sie in ihre Prozesse integrieren. Was ist dann das Besondere an KI bei der UTN? Prompt wurde die neue Uni wieder infrage gestellt, weil KI ja alle könnten.
Es ist aber etwas anderes, KI in eine Universität zu implementieren oder aber eine Universität von Anfang an von KI her zu denken. Auch in anderen Städten werden völlig neue Konzepte verwirklicht.
In Heilbronn und Zürich entstehen mit einem Milliardenbetrag, der unter anderem von Lidl-Gründer Dieter Schwarz zur Verfügung gestellt wird, neue KI-Zentren. Auch in Karlsruhe gibt es große Pläne.
UTN – erstklassig, aber nicht elitär
Nürnberg wäre mit der UTN an der Spitze der KI-Forschung dabei und nicht nur ein Mitläufer. Es könnte sich eine inhaltlich bezogene Elite-Universität entwickeln, die keine elitären Allüren hat. Stadt und Region müssen endlich zur neuen Uni stehen.
Aufgemerkt! Das Konzept für die UTN kam doch aus der Wissenschaft selbst und es wurde hochgelobt! Die Politik hat nur die finanziellen und rechtlichen Möglichkeiten für die Umsetzung zur Verfügung gestellt.
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