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“Monsterbahn”? Ja, bitte!

Fährt eine Straßenbahn durch Erlangen? | Illustration: © Paul Blotzki

StUB: Endstadtion Bürgerentscheid?

Am 9. Juni entscheidet sich nicht nur, wer im Europaparlament für die nächsten Jahre die wesentlichen Entscheidungen trifft.

In Erlangen sind die Bürger dazu aufgerufen, sich endgültig festzulegen, ob sie eine Stadtumlandbahn (StUB), die Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach miteinander verbindet, wollen oder nicht.

Wenn sie mit “Nein” stimmen, dann ist das Straßenbahnprojekt mindestens für die nächsten zehn Jahre erledigt. Einen Plan B gibt es nicht. Von Nürnberg aus gesehen, würde die Straßenbahn Richtung Erlangen von Am Wegfeld nicht mehr weitergeführt, wenn die StUB abgelehnt wird. Allenfalls ein Parkhaus wäre denkbar.

Insider und Experten gehen von einer knappen Entscheidung aus. Staatsregierung, Industrie- und Handelskammer, Friedrich-Alexander-Universität, die Siemens AG, SPD und Grüne sind für den Bau.

Erlangens CSU, FDP und Freie Wähler haben sich gegen die Bahn mitten durch Erlangen ausgesprochen. Prominentester Gegner ist der Heinrich von Pierer, 83, langjähriger Vorstandsvorsitzender des Technik-Konzerns Siemens. Er spricht von einer “Monsterbahn”.

Die Stadtumlandbahn sei teurer als ein flexibles, ausgebautes Busnetz, es müsste eine neue Brücke im Regnitztal gebaut werden und für Autofahrer wäre es schwerer als bisher, die Erlanger Innenstadt zu erreichen. Kritisiert wurden auch die lange Bauzeit und die Lärmemissionen der StUB vor Wohnimmobilien.

Eine 26 Kilometer lange Trambahn soll die Städte Nürnberg, Erlangen und Herzogenaurach verbinden. Auch ein Ostast bis nach Eckental ist eigentlich geplant. | Quelle: © Stadtumlandbahn.de

Dem stehen etliche Vorteile gegenüber

Die StUB könnte das neue Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs bilden, die die Hochschulstandorte Erlangen und Nürnberg miteinander verbindet.

Die starken Pendlerströme zwischen den Hochschulstandorten, und zu den Unternehmen wie Schaeffler, Siemens und Adidas könnten die leistungsfähige und schnelle StUB nutzen und das Auto stehenlassen. In Reutles und an der Raststelle Aurach sind sogar Parkhäuser geplant, die das Umsteigen der Autofahrer auf die Metropole Straßenbahn erleichtern. Immerhin hat allein Erlangen 98.000 Aus- und Einpendler pro Tag – bei 120.000 Einwohnern.

Zu den Mobilitätsvorteilen, die eine StUB ohne Staus bietet, kommen natürlich auch noch Umweltgesichtspunkte, weil keine Benzin- oder Dieselkraftstoffe verbrannt werden.

Immerhin 90 Prozent der Investitionskosten von 730 Millionen Euro wollen Bund und Land übernehmen. Für Erlangen wäre das finanzielle Risiko überschaubar. Schließlich haben Straßenbahnen wesentlich höhere Fahrgastkapazitäten, wenn das Verkehrsaufkommen steigt, als Busse.

Letzter Halt “Am Wegfeld” in Nürnberg. | Foto: © Janine Beck

Die StUB, die seit 2015 geplant wird, ist in der Region ein weiteres Beispiel dafür, dass die Planungsabläufe durch vermeintliche Transparenz nicht besser werden. An den grundlegenden Fakten hat sich in dieser Zeit nichts geändert. Eine Grundsatzentscheidung hätte schon längst erfolgen können. Es sind Planungskosten in Millionenhöhe entstanden. Wenn behauptet wird, dass der Austausch von Argumenten bei solchen großen Projekten wichtig für die Akzeptanz ist, dann kann man nur zustimmen.

Es muss aber die Bereitschaft vorhanden sein, bessere Argumente auch zu akzeptieren und nicht nur auf Verzögerung zu setzen, um durch Verzögerungen ein Scheitern zu provozieren.

Darf Erlangen die StUB ausbremsen?

Fragen lässt sich auch, warum es bei solchen Vorhaben wie der StUB überhaupt noch ein Planfeststellungsverfahren und einen Stadtrat gibt, wenn dann doch mit einfacher Mehrheit etwas abgelehnt werden kann? Wer kümmert sich bei solchen Entscheidungen um die langfristigen Folgen für die Gemeinschaft?

Das kann nur ein Stadtrat, der einen intensiven Abwägungsprozess vollzogen hat, und nicht eine lokale Bürgerinitiative. Die Mitglieder des Stadtrats müssen sich auch einer demokratischen Wahl stellen. Die Sprecher von Bürgerinitiativen müssen sich nicht verantworten. Bei solchen heftigen Auseinandersetzungen geht es immer auch um die technologische Zukunft. Die Gegner der StUB haben offenbar auch Angst vor Veränderungen.

Die Crux ist, dass bei den Diskussionen zwischen den Gegnern der Stadtbahn und den Mitarbeitern des Zweckverbands, der für den Bau der Stadtumlandbahn gegründet wurde, es keine Waffengleichheit gibt. Während die Gegner, das gilt im Übrigen auch für andere Vorhaben, alles behaupten und schlecht reden können, selbst wenn es nicht stimmt, ist der Zweckverband gehalten, sich immer an die Fakten zu halten.

Prof. Dr. Martin Pächer von der TH Mittelhessen. | Foto: © Annalena Seibel, Claudia Schriever (THM)

Ein Beispiel: Bei einer der letzten Diskussionen zur StUB begründete Verkehrsexperte Martin Pächer von der Technischen Hochschule Mittelhessen, warum im Fall der StUB die Stadtumlandbahn besser als ein ausgebautes Bussystem ist.

Zur Begründung führte er das Beispiel Wiesbaden an. Die hessische Landeshauptstadt sollte von Mainz aus an die Straßenbahn angebunden werden, die bis Bad Schwalbach führen sollte. Die Wiesbadener lehnten 2023 im Rahmen eines Bürgerentscheids den Bau ab.

Die Begründung war ähnlich wie die der Gegner in Erlangen: Busse könnten ebenfalls für Entlastung sorgen und wären billiger. Das Verkehrsnetz in Wiesbaden ist aber schon an der Belastungsgrenze und es zeigt sich, dass mehr Busse eben immer öfter im Stau stehen. Auch wurden Fahrpläne zusammengestrichen, weil das Personal für Busse fehlt. Straßenbahnen benötigen weniger Fahrer als Busse, um mehr Menschen befördern zu können. Die Behauptungen der Straßenbahngegner waren schlicht falsch.

Dass es am kommenden Sonntag knapp werden könnte, liegt sicherlich auch daran, dass Erlangen viele Fahrradfans und SUV-Fahrer hat. Beide Bevölkerungsgruppen werden wohl kaum auf die Straßenbahn setzen.

Erinnert sei an den Bau der U-Bahn in Nürnberg vor über 50 Jahren: Für die Gegner der U-Bahn war Nürnberg zu klein und die Untergrundbahn zu teuer. Heute würde der Nahverkehr in Nürnberg ohne U-Bahn zusammenbrechen.

Für die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs braucht es nicht nur Geld und Zeit, sondern auch Mut.


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