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“Nürnberg. Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln“

Nürnberg auf dem Silbertablett: 375 Seiten für Geschichtshungrige. | Illustration: © Paul Blotzki

Fast 1000 Jahre und quicklebendig

Noch ein Buch über Nürnberg? Ja, und was für eines! Da kann man getrost einige Regalmeter an Nürnberg-Büchern ausmisten und sie durch Siegfried Zelnhefers “Nürnberg. Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln” ersetzen. Das Buch ist im ars vivendi Verlag erschienen.

Zelnhefer, ehemaliger Zeitungsredakteur und Pressesprecher der Stadt Nürnberg, ist ein ausgewiesener Kenner der ehemals freien Reichsstadt. In seinen Büchern über “Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus”, über das Christkind und über die Bratwurst hat er bewiesen, dass er sachkundig und schnörkellos von stadthistorischen Themen erzählen kann. Er verfügt über ein stupendes Wissen. Da wird aber nichts in die Länge gezogen und auch kein Wissen eitel zur Schau gestellt, sondern komprimiert und unterhaltsam erzählt. Es ist erstaunlich, was er auf 375 Seiten über Nürnberg untergebracht hat.

Sigena – Symbol der Freiheit

Sein Nürnberg-Buch beginnt Zelnhefer mit einer wunderbaren Reflexion über die Freilassung der Unfreien Sigena. Vielleicht wurde die Frau von Kaiser Heinrich III. freigelassen, um zu heiraten? Wir wissen es nicht. Aber mit der Urkunde, die ein Siegel trägt, wird zum ersten Mal der Name “Norenberc” erwähnt. Nürnberg hat damit offiziell das Licht der Welt erblickt, auch wenn es wesentlich älter ist, wie zuletzt Grabungen beim Neubau der Industrie- und Handelskammer gezeigt haben.

Die Sigena-Urkunde datiert vom 16. Juli 1050. Was gibt es Schöneres für den Namen einer Stadt als mit einem Symbol der Freiheit verbunden zu werden? Da lässt der Autor kurz seiner Fantasie freien Lauf und weicht aber doch nicht von den Fakten ab. Zelnhefer ist eben ein Historiker und kein Nürnberg-Schwärmer.

Von Burgfelsen bis Bratwürstchen: Zelnhefer serviert feinste Stadt-Häppchen. | Foto: © Janine Beck

Warum heißt Nürnberg Nürnberg?

Spannend seine weiteren Ausführungen über den Namen Nürnberg: “Norenberc meint also nichts anders als ‘Felsberg’”. Was hat es nicht schon alles für Spekulationen gegeben, was Nürnberg und seine Varianten Nuorenberc oder Nurinberch bedeuten. Felsig ist die Erhebung, auf der die Burg steht. Das ist es.

In seiner 50 Kapiteln schafft es Zelnhefer auch komplexe Themen lesenswert zusammenzufassen. Die Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, die viele Hochs und Tiefs kennt, wird detailliert und ohne Abschweifungen in ihren wichtigen Aspekten dargestellt. Genauso wie die Kunst und die Museen. Natürlich fehlt ein Kapitel zu Nürnbergs bedeutendstem Sohn, Albrecht Dürer, nicht. Zelnhefers Kunst besteht darin, dass er zeigt, was Nürnberg alles zu bieten hat. Er verfällt dabei nicht in Lobhudelei. Der Leser wird aber neugierig, Altbekanntes doch noch einmal mit einem frischen Blick anzuschauen oder sich wieder einmal zu einem Besuch im Germanischen Nationalmuseum, dem größten kulturhistorischen Museum im deutschen Sprachraum aufzuraffen.

Die geheime Zutat: Bürgerhirn statt Fürstengold

Nürnberg war nie Residenzstadt oder Regierungssitz und hat deshalb nie über Landesmittel verfügt, die andere Städte und Regionen erwirtschaftet haben. Was ausgegeben wurde, musste erst einmal von den Bürgern der Stadt erarbeitet und verdient werden.

Trotzdem hat die Stadtgesellschaft sehr viel auf den Weg gebracht, worauf sie heute noch stolz sein kann: 1662 wurde die Akademie der Bildenden Künste gegründet. Die erste ihrer Art im deutschsprachigen Raum. Die erste Eisenbahn im Deutschen Reich fuhr 1835 zwischen Nürnberg und Fürth. Mit der Gründung der späteren Ohm-Hochschule wurde schon früh im 19. Jahrhundert Wert auf die technische Ausbildung junger Menschen gelegt. Der Bau eines Opernhauses zeigte vor etwas über 100 Jahren, welche bedeutende Rolle die Musik im Stadtleben einnahm. Es war eines der größten Häuser im deutschsprachigen Raum. Das frühere Konservatorium war der Nukleus für die heutige Musikhochschule. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität geht auf die städtische Handelshochschule, die 1908 gegründet wurde, zurück.

Die Technische Universität Nürnberg (UTN), die 2021 an den Start ging, ist die erste Gründung einer wissenschaftlichen Einrichtung in Nürnberg, die vom Land Bayern initiiert wurde. Bei allen anderen Institutionen machte die Stadt den ersten Schritt. Schon im 19. Jahrhundert wurde in Nürnberg Geld verdient, in der Landeshauptstadt aber ausgegeben.

Siegfried Zelnhefer “Nürnberg. Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln”mit Fotos von Thomas Geiger • erschienen im ars vivendi Verlag • ISBN 978-3-7472-0603-4 | Foto: © Janine Beck

Kleines und Großes im Blick

Zelnhefer stellt nicht nur die großen Linien der Stadtgeschichte dar, er übersieht auch die eher kleinen Dinge nicht. Es fehlen weder das Filmhaus-Kino, eines der besten kommunalen Kinos, noch der Hinweis, dass 1962 noch 7857 Gaslaternen in Nürnberg in Betrieb waren oder die Erklärung, welcher Sandstein in Nürnberg verbaut wurde. Die Fotos zu den 50 Kapiteln lieferte der Fotograf Thomas Geiger. Es sind unverbrauchte Perspektiven von Nürnberg, aber doch auch wieder typische.

Die Geschichte des Nationalsozialismus und seine baulichen Überreste haben Zelnhefer in den vergangenen 50 Jahren begleitet. Er war einer der ersten, der sich an die wissenschaftliche Aufarbeitung des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes herangewagt hat. Wichtig war ihm aber auch, die Rezeptionsebenen des Geländes freizulegen: vom Symbol des nationalsozialistischen Größenwahns bis hin zum Möbellager für die Quelle, die inzwischen auch schon Geschichte ist. Kein Wunder, dass der Nationalsozialismus und die folgende Zerstörung Nürnbergs ebenfalls Schwerpunkte sind.

Zelnhefers Buch ist lesenswert für alle, die sich für Nürnberg interessieren, die hier leben oder die hierherziehen wollen. Es ist unprätentiös und bietet einen perfekten Einblick in die Geschichte Nürnbergs und was das Herz Nürnberg ausmacht, die Liebe zur Altstadt, zum 1. FC Nürnberg und noch einiges mehr.


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