Entwurf für den Campus der Technischen Universität Nürnberg an der Brunecker Straße.

© Ferdinand Heide Architekt / TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung

 

Ein Hilferuf gegen Ignoranz und Denkarmut

Wenn eine Milliarde Euro in einer Stadt sinnvoll investiert werden, dann ist die Freude der Beschenkten in aller Regel groß. Als der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer 2017 die Gründung einer Technischen Universität in Nürnberg (UTN) verkündete, kam die Stadtspitze regelrecht ins Schwärmen. Es sei die größte Chance für die Stadtentwicklung in den kommenden 50 Jahren. Dass die Spitzen der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) und der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm (TH Nürnberg) den neuen Mitbewerber um Wissenschaftler, Studenten und Geld dagegen komplett ablehnten, war nachvollziehbar, ist aber kurzsichtig.

Nürnbergs Weg zur internationalen Wissenschaftsbühne

Wenn die UTN als internationale Universität so richtig ins Laufen kommt, dann zieht Nürnberg und die Region weltweit erheblich mehr Aufmerksamkeit von zukunftsträchtigen Unternehmen, Experten und akademischen Nachwuchs auf sich als bisher. Davon profitieren langfristig auch die FAU und die TH.

Nürnberg und die Region könnten in den Fokus von Wissenschaftlern und Firmen geraten, die sonst eher andere Zentren in den Blick nehmen. Voraussetzung ist natürlich, dass bei der Auswahl des UTN-Personals die Qualität das wichtigste Kriterium ist.

Das Gerede von universitären Parallelstrukturen, die aufgebaut werden und das immer wieder aufflammt, ist doch nur Ausdruck des Neids von Konkurrenten, die keine wissenschaftliche Fantasie haben. Wenn die Strategien der drei Hochschulen ausgefeilt sind und auch umgesetzt werden, dann gibt es kein isoliertes Nebeneinander, sondern ein wechselseitiges Vorantreiben im Bereich des Wissens. Wissen ist Zukunft.

 
Experience Cubes UTN

UTN als Gamechanger für die Stadtentwicklung

Das klingt sind zwar etwas nach Zukunftsträumereien, aber sie haben ein realistisches Fundament, auf dem man aufbauen muss. Aber macht Nürnberg genug aus dem UTN-Geschenk, damit die Neugründung gelingt? Noch kennen die UTN erst wenige und auch das, was mit ihr neu ist im überbordenden Wissenschaftsbetrieb. Es muss stärker darauf aufmerksam gemacht werden, was hier geschieht, denn Nürnberg hat noch kein Wissenschafts-Image, das weltweit strahlt. Es blinkte allenfalls in der Vergangenheit auf.

Mehr als Bratwürste und Reichsparteitagsgelände

Wer auf die Internetseiten der Nürnberger Congress- und Tourismuszentrale schaut, der wird nichts zu einer neuen Universität finden. Dabei sind die weichen Faktoren wie Freizeit und Kultur auch wichtig, wenn sich jemand für einen Standort entscheidet. Wenn allerdings unter dem Stichwort „Sehenswürdigkeiten“ an erster Stelle das Reichsparteitagsgelände genannt wird, dann ist das für Wissenschaftler und Studenten kein Anreiz, nach Nürnberg zu kommen. Es ist peinlich, so mit der Nazi-Vergangenheit zu prunken.

Sicher, die CTZ ist für die Tourismusförderung zuständig, aber kann man denn nicht auch darauf verweisen, dass Nürnberg eine Universitätsstadt ist und mit der international konzipierten UTN ein völlig neues Wissenschaftskapitel aufgeschlagen wird? Ähnlich sieht es beim biederen Franken Tourismus aus: Bier, Bratwürste und Fahrradwege.

 

Interimsgebäude der Technischen Universiät Nürnberg in der Ulmenstraße 52.

Foto: Janine Beck

 

Das Stadtportal Nürnberg ist etwas besser aufgestellt. Wer zur UTN etwas wissen will, der muss sie aber schon kennen. Sonst findet er nichts. Am 10. Oktober kommen die ersten Studierenden an die UTN und nehmen ihr Studium auf. Nix darüber. Wohl aber, dass der Bau des Evangelischen Campus 2026 abgeschlossen sein wird.

Unter dem Punkt Wirtschaftsförderung, Unterpunkt „Wissenschaft und Forschung“ findet sich dann der Hinweis auf die seit Juni beschlossene „Strategie für den Hochschul- und Wissenschaftsstandort“ Nürnberg. Das sind 50 Seiten Besinnungsaufsatz, fein ziseliert über das, was theoretisch an wissenschaftlichen Verknüpfungen in der Region möglich ist.

 
 
 

Die beliebtesten Universitäten Deutschlands

 

Die FAU Erlangen-Nürnberg liegt auf Platz 193 (großer roter Punkt*). Zum Vergleich: Die beliebteste Universität der Welt ist Oxford (kleiner grüner Punkt). Wo wird sich die UTN einreihen?

*Je kleiner der Punkt, desto beliebter die Universität.

 
 

Rang Uni ➝ Score

  1. TU München ➝ 82,5

  2. LMU München ➝ 79,0

  3. Universität Heidelberg ➝ 76,7

  4. Humbolt-Universität zu Berlin ➝ 68,2

  5. RWTH Aachen ➝ 68,0

  6. Universität Bonn ➝ 67,8

  7. Charité Unimedizin Berlin ➝ 67,2

  8. Universität Tübingen ➝ 67,0

    19. FAU Erlangen-Nürnberg ➝ 59,0

Ranking weltweit

  1. ➝ 30

  2. ➝ 38

  3. ➝ 47

  4. ➝ 87

  5. ➝ 90

  6. ➝ 91

  7. ➝ 94

  8. ➝ 95

    19. ➝ 193

 
 

Quelle: Times Higher Education | World University Ranking 2024

Das Ranking umfasst 1904 Universitäten in 108 Ländern und Regionen. Bewertet wurden Lehre, Forschungsumfeld, Forschungsqualität, Branche und internationale Ausrichtung.

 

 
 

Come to Nuremberg! We are not boring – trust me!

Das ist aber keine Werbung für das Angebot von Wissenschaft in der Stadt. Man geht auch nicht auf Interessierte zu oder macht neugierig auf Nürnberg. Da muss es doch brummen: Tolle Freizeitmöglichkeiten, noch kein überhitzter Mietenmarkt, Nürnberg hat keine No-Go-Areas, aber sehr gute Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen. Die Region verfügt über kurze Wege, eine einzigartige landschaftliche Vielfalt und viele kulturelle Höhepunkte. Nürnberg hat ein sehr gutes ÖPNV-Angebot.

Nürnberg ist auch noch nicht so teuer im Vergleich zu München oder Freiburg, Tübingen oder Berlin, Heidelberg oder Bonn, auch wenn die Preise hier ebenfalls steigen. Das tun sie aber überall. Die Stadt hat außerdem ein spannendes Nachtleben mit alternativer Kultur. Ein sehenswertes Staatstheater. Der UTN-Campus wird mitten im Grünen in einer Großstadt liegen. Wo gibt es das alles sonst noch? Nürnberg ist nicht mehr die langweiligste Großstadt, wie es Anfang der neunziger Jahre der „Spiegel“ behauptet hat.

Die Stadt muss trommeln und eine Welcome-Kultur schaffen, das erleichtert auch den Personalaufbau der UTN und weckt das Interesse von potenziellen Studentinnen und Studenten. Come to Nuremberg!

 
 

Das Baugebiet an der Brunecker Straße am 5. Oktober 2023

Baustelle Brunecker Straße

Foto: Janine Beck

 

UTN als Glanzlicht und Zentrum für Innovation und Künstliche Intelligenz

Aber auch die Universität muss ihre noch jungen Muskeln mehr zeigen: Ein Schwerpunkt ihrer Forschung ist Künstliche Intelligenz. Ein Thema, das den menschlichen Alltag auf Dauer bestimmen wird, und Nürnberg ist mit der Region und ihren wissenschaftlichen Einrichtungen vorne dabei.

Studierende werden hier vorbereitet, wie man mit KI umgeht und sie weiterentwickelt. Da geht doch was! Oder will man die Zukunftschance zwischen Neidgefühlen und Schläfrigkeit vorüberziehen lassen? Nur wer die Initiative ergreift, der hat auch Erfolg.

 

 

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Die „sanfte Stadt“ nach menschlichem Maß