Illustration: © Paul Blotzki

Städtische Bauprojekte: Eine Geschichte der Verzögerungen

Wer einmal richtig gebaut hat, also nicht nur eine Immobilie schlüsselfertig erwarb, der weiß, wie komplex die deutsche Gesellschaft konstruiert ist. Die Abläufe am Bau sind nur schwer zu durchschauen. Es gibt schwierige Rechtsverhältnisse, überraschende Mehrausgaben und die Bauherren wollen nur eins: dass die Immobilie ohne größere Fehler fertiggestellt wird. Sicher ist nichts mehr. Auch wenn man gedacht hat, es kann doch nichts mehr passieren. Leider gibt es auch nur in Ausnahmefällen eine Kumulation von Wissen durch Erfahrungen.

Die neue Technische Universität Nürnberg an der Münchner Straße wurde im Januar 2021 gegründet. 1,2 Milliarden Euro lässt sich der Freistaat die bauliche, personelle und technische Umsetzung des innovativen Konzepts kosten, das auf Interdisziplinarität, kleine Studentengruppen und Künstliche Intelligenz beruht. Das machen zwar auch andere Universitäten, aber letztlich halten sie doch an veralteten, starren Strukturen fest. Die TUN hat als zentrales Ziel, neue Forschungsorganisationen auszuprobieren, was an anderen Universitäten nur schwer möglich ist.

Der Cube One: Fehlplanung mit Ansage

Dafür braucht es neue Räume, auch wenn es keine Vorlesungen mehr geben soll. Im August 2021 erfolgte der erste Spatenstich für den Cube One in der Dr.-Luise-Herzberger-Straße. Eine zentrale Anlaufstelle für Studierende und wissenschaftliches Personal, so die Planung. Es ist im Wesentlichen ein mehrstöckiges Holzhaus, das seine benötigte Energie fast komplett selber erzeugt. Im Sommer 2024 sollte es eröffnet werden.

Doch dem war nicht so, denn das Lüftungssystem des Gebäudes war zu klein ausgelegt und musste in dem fast fertigen Gebäude ausgetauscht werden. Das Pikante daran ist, dass Mitarbeiter der TUN, die sich mit Passivhäusern auskennen, sowohl das Staatliche Bauamt als auch den Generalunternehmer darauf hingewiesen haben, dass die Lüftung nicht ausreichend ausgelegt ist. Schon bei der Vorlage der Pläne! Der Einzug der TUN in den Cube One in der Dr.-Luise-Herzberger-Straße, wird also später als geplant erfolgen und mehr kosten.

Auch bei den nachfolgenden Bauten gibt es Probleme und die TUN muss teure Ersatzräume im Nordostpark als Zwischenlösung anmieten. Auf das offensichtlich umständlich agierende Staatliche Bauamt sind nicht allein bei der TUN, sondern auch bei Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg nur wenige gut zu sprechen. Wie es heißt, würde man am liebsten das Bauen selber in die Hand nehmen, weil es dann schneller gehen würde.

Kampfmittelfund statt Hörsaal

Als neuester Flop bei den Neubauten für die TUN, der für erhebliche zeitliche Verzögerungen sorgt, stellte sich jetzt heraus, dass das Gelände an der Münchner Straße einer Kampfmittel-Sanierung unterzogen werden muss, bevor weiter gebaut werden kann. Das ist eigentlich Wahnsinn. Jeder private Immobilienbesitzer würde so pleite gehen: Das Gelände wurde schon vor über fünf Jahren von der Immobilie Bayern, der Immobiliengesellschaft des Freistaats, gekauft. Es war bekannt, dass das ehemaligen Güterbahnhofgelände Süd ein Schwerpunkt bei den Bombardierungen Nürnbergs im Zweiten Weltkrieg war. Es hätte eine Selbstverständlichkeit sein müssen, dass eine umfangreiche Erfassung und Sanierung der Kampfmittel, die noch im Boden stecken, hätte längst durchgeführt werden können.

Dass das Unigelände so geplant wurde, dass der Baumbestand erhalten bleibt, hält eine zynische Pointe bereit: Ein Teil des Baumbestands wird bei der Kampfmittel-Sanierung fallen müssen. Angesichts des langen Vorlaufs wäre es die Aufgabe des Staatlichen Bauamts gewesen, den Ablauf der Uni-Bauten anders zu koordinieren. Immerhin werden dort auch eine Straßenbahn und Hunderte von Wohnungen gebaut. Das ist schon seit Jahren bekannt. Eine wissenschaftliche Neugründung wie die TUN, die auch noch baulich über das Stadtgebiet verstreut ist, kann nur schwer eine Dynamik entfalten.

Die Stadtbibliothek: Kreative Finanzierung mit Folgen

Überraschungen kennt natürlich auch die Stadt Nürnberg als Bauherr zur Genüge. Als vor zwölf Jahren die neue Stadtbibliothek gebaut wurde, reichte das Geld nicht mehr für den Eingangsbereich. Kurzerhand wurden die Fördergelder, die für die Sanierung des Obstmarkts bereitgestellt waren, umetikettiert und für die Stadtbibliothek, die zum städtischen Sanierungsgebiet wurde, verwendet. Allerdings harrt der Obstmarkt seit 2012 noch immer der Sanierung. Heuer sollte es eigentlich losgehen. Aber wie es so ist. Der Start wurde auf das nächste Jahr verschoben. Allerdings wurde schon vermessen und geplant. Ein Startschuss im Geheimen.

Breite Gasse, schmaler Geldbeutel

Die nächste bauliche Verzögerung wurde überraschend auf den Weg gebracht. Während Stadträte schon von der Aufhübschung und Sanierung der Breiten Gasse und dem Umfeld des Kaufhofs schwärmen, hält der Kämmerer Thorsten Brehm das Projekt derzeit für nicht finanzierbar. Er will die benötigten 4,5 Millionen Euro, die schon in Haushalt für das nächste Jahr stehen, erst einmal verschieben, weil die Finanzlage der Stadt zunehmend schwierig wird. Aber dass die Sanierung der Innenstadt aufgeschoben wird, muss erst einmal vermittelt werden. Denn wie der Obstmarkt zeigt, kann es dauern.

 
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Sparen allein genügt nicht