Schießscharten-Architektur: Die Rückkehr des Mittelalters

 

Baustelle der WGB in der Äußeren-Sulzbacher-Straße.

 
 
 

Die Ästhetik des Bauens

Architektur, die Qualität hat, ist nicht zu definieren. Es gibt kein Rezept für gelungene Architektur, allenfalls in Teilbereichen. Jede Generation baut anders. Und was die Schönheit ausmacht, das wusste nicht einmal Albrecht Dürer.

Vielleicht könnte man sich aber darauf einlassen, dass Menschen einen Instinkt haben, sich an schön gebauten Orten aufzuhalten. Venedig, Barcelona, Rom, Paris, aber auch kleine Städte wie Lucca, Colmar oder Cremona sind von Touristen überlaufen. Es geht nicht darum, dass Menschen von spektakulären Bauwerken überwältigt werden, sondern darum, einfach an einem schönen Ort zu sitzen und zu schauen. Es tut schlicht gut, abseits vom reinen Nutzdenken, mit den eigenen Augen einen schönen Ort zu genießen. Da sinkt sogar der Blutdruck. Gute Architektur macht gute Laune.

Langwasser oder Rom?

Kaum eine Stadt, die in den vergangenen 40 Jahren gebaut wurde, ist so attraktiv, dass Menschen in ihrem Urlaub dorthin fahren und die Ästhetik des Bauens genießen. Kurz: Nach Langwasser fährt niemand, um dort Urlaub zu machen, obwohl es ein grüner Stadtteil ist. Es gibt natürlich auch Irrtümer.

Ein von Touristen gerne besuchter Ort in Schwedens Hauptstadt Stockholm ist ein in den achtziger Jahren gebauter Jugendstil-Stadtteil. Da geht es nicht mehr um Authentizität. Es ist eine Art kulturelle Aneignung der Baugeschichte durch Kopieren. Retro-Bauen kann aber nicht das Konzept für modernes Bauen sein. Das geht schon aufgrund der vorgeschriebenen Dämmung nicht mehr.

Ist das Architektur?

Fehlen Ornamente, fehlt die Gliederung, fehlt das Spielerische, fehlt die Großzügigkeit? Letztlich wissen wir nicht, warum sich moderne Architektur so schwertut, als gelungen akzeptiert zu werden. Der Dämmzwang hat dazu geführt, dass vor allem Kisten entstehen, die sich leicht mit Dämmmaterial bekleben lassen. Nach dem Motto „quadratisch, praktisch, billig“.

Die geplanten Energiewendegesetze werden dafür sorgen, dass in die Jahre gekommene Solitäre und historische Bauwerke, wenn sie nicht unter Denkmalschutz stehen, eher abgerissen als umgebaut werden. Scheunen oder selbst ehemalige Bunker, die über Jahre hinweg nicht genutzt wurden, erhielten manchmal dann doch noch eine Funktion, weil Menschen eine Idee hatten, etwas mit dem alten Gemäuer anzufangen.

Angesichts der Kosten, ein historisches Gebäude auf einen modernen Energiestandard zu heben, dürfte das nur noch in Ausnahmefällen finanziell möglich sein. Es wird noch mehr abgerissen.

Die Schattenseiten des modernen Bauens

Der Dämmzwang führt auch dazu, dass große Fenster nur noch die Ausnahme sein werden, denn sie sind sehr teuer, wenn sie von der Qualität her so gut sind, dass sie die Wärme im Haus halten. Es wird einen Trend zur Schießschartenarchitektur geben, wie er schon jetzt zu beobachten ist. Das Mittelalter wird optisch wiederbelebt.

Stimmungskiller: Ausblick

Fenster, die als zu winzig, zu schmal, zu tief in einer Laibung sitzend oder grundsätzlich irgendwie als hässlich und falsch empfunden werden, werden oft als Schießscharten bezeichnet. Umgangssprachlich wird der Ausdruck Schießscharten-Fenster oder Schießscharten-Architektur besonders häufig als Abwertung im Zusammenhang mit Fassaden verwendet. Quelle: Baunetzwissen.de

 

Die WBG bebaut derzeit das ehemalige Branntweinareal in der Äußeren Sulzbacher Straße. Direkt gegenüber, getrennt nur von der S-Bahnlinie Richtung Lauf, steht eine der hässlichsten modernen Fassaden Nürnbergs. Ohne Struktur und Gliederung, kleine Fenster, monumental im Ausdruck: Wenn das die Zukunft des neuen Bauens ist, dann wird die gebaute Umwelt zur visuellen Belästigung für die Nachbarn, die solche Gebäude auf Dauer ertragen müssen. Es gibt zwar kein Rezept für gutes Bauen, wir wissen aber, wenn etwas nichts taugt, und, was man nicht machen sollte. Anlass für Depressionen gibt es schon genug.

 
 
 

Die Kunst des Bauens und Schauens

 
 
 

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