Der schiefe Blick auf Bayern
Nürnberg hat es in Regensburg schwer
2019 wurde das Haus der Bayerischen Geschichte mit großem Pomp eröffnet. Rund 379.000 Besucher stürmten im ersten Jahr den Neubau in Regensburg. Offenbar wurde mit dem Museum eine Lücke im kulturellen Angebot Bayerns geschlossen. Danach ließ der Besuch deutlich nach.
Kein Wunder, aufgrund von Corona gab es Schließungen von allen bayerischen Museen und Ausgangssperren. Erst drei Jahre später erholen sich nach und nach die Besucherzahlen der kulturellen Einrichtungen.
Das Haus der Bayerischen Geschichte (HdBG) wurde bei seiner Konzeption und Entstehung sehr genau begleitet, denn die Vertreter von einzelnen Landesteilen achteten darauf, ob sie in der Dauerausstellung angemessen berücksichtigt werden oder nicht.
Landesausstellung über Franken als geschickte Strategie
Schwaben und Franken, die sich sehr oft gegenüber den Altbayern benachteiligt fühlen und wieder einmal einen imperialistischen oberbayrischen Akt befürchteten, schauten genau hin, wie sie bei dieser bayerischen Gesamtschau berücksichtigt werden. Einen richtigen Aufschrei gab es aber nicht. Noch dazu wurde damals eine Landesausstellung über Franken angekündigt. Eine geschickte Strategie. Hätte es einen Aufstand der Franken gegeben, dann hätte man ihn mit der Ankündigung einer Frankenausstellung ausbremsen können.
Vier Jahre nach der Eröffnung hinterlässt das Museum bei einem Besuch einen zwiespältigen Eindruck. Die Dauerausstellung, die mit „Bayern ist der Himmel auf Erden“ eine klare politische Botschaft vermitteln will, ist etwas anderes als eine Landesausstellung, die in einem begrenzten Zeitraum lokalpatriotischen Themen Farbe geben will.
Der Bau in Regensburg ist gelungen und zusammen mit der Dauerausstellung haben die Museumsmacher viele Preise eingeheimst. Die Mitmachangebote und das Museum zum Anfassen sind stimmig. Mit dem Museum findet aber natürlich auch eine bayerische Identitätsbildung statt. Das ist nicht verwerflich. In anderen Ländern gibt es ebenfalls Nation-Building mit Museen. Doch im Regensburger Haus wird diese Form von Bildung schon sehr dick aufgetragen. Bayern ist nach 1806 ein Kriegsgewinnler zulasten Frankens durch Napoléon. Das wird aber nur kurz in der Ausstellung thematisiert.
Zu viel Folklore, zu wenig Vielfalt und Industrialisierung
Sehr viel Platz wird dem „Märchenkönig Ludwig II.“ und dem Katholizismus eingeräumt. Das ist richtig und angemessen, weil damit Mythen geschaffen wurden, die den Alltag in Bayern bis heute prägen.
Aber die parallel dazu verlaufende Industrialisierung kommt zu kurz. Nürnberg und Augsburg, die beiden industriellen Herzen des bayerischen Königreichs, haben im 19. Jahrhundert sehr, sehr viele Steuergelder nach München für die Inszenierung und Finanzierung der oberbayerischen Folklore und ihren anmaßenden Bauprojekten gepumpt.
Es wird auch so getan, als ob Trachten und damit bayrische Gewohnheiten einen Ewigkeitswert haben. Die meisten Trachten, die wir heute kennen und die Bayern sehr vielfältig machen, wurden im 19. Jahrhundert erst geschaffen und konzipiert. Es waren Moden in Abgrenzungen zu den Städten und zu anderen Landesteilen.
Der Zeitstrahl des Museums flutscht, je länger man an den Ausstellungsflächen entlang geht in Richtung eines bayerischen Lebensgefühls, das zu einem weltweiten Mythos synthetisiert wird. Ja, die Marke Bayern ist in Japan genauso bekannt wie in Amerika oder in Indien. Da vermischen sich Ästhetik, wirtschaftliche Erfolge und das Lebensgefühl.
Mitfinanziert haben es zum großen Teil Franken und Schwaben. Aber auch viele Ideen, die die Marke Bayern stark machen, stammen aus den beiden unterbewerteten Landesteilen.
Rätselspaß in zu kleinen Nischen
Was viel zu eng geraten ist, sind die kleinen Nischen, in denen ein spezielles Thema in der Dauerausstellung aufbereitet wird. Da passen keine zwei Erwachsene rein, um sich etwas anzuschauen. Nicht nach Corona.
Manchmal fehlt die genaue Zuordnung der Texte zu den Objekten und es muss geraten werden. Richtig ärgerlich sind die Textbausteine, die zweimal erscheinen. Als Einleitung in einen Ausstellungsabschnitt und dann noch einmal einem konkreten Objekt zugeordnet. Da hätte man sich schon mehr stilistische Mühe geben können. Text in einer Ausstellung doppelt zu bringen, ermüden Besucher.
Wenn schon die Vielfalt Bayerns häufig erwähnt wird, dann muss sie auch dargestellt werden: Die Tradition des individuellen Bieres wird in Franken gepflegt und nicht in Altbayern und der Frankenwein findet leider nur am Rand statt.
Bayern verändert sich. Der wirtschaftliche Aufstieg Bayerns, der mit großen Firmen und mit erfolgreichen Universitäten eng verknüpft ist, wird nur mittels Name-Dropping erwähnt. Das folkloristische Bayern hängt doch am wirtschaftlichen Erfolg, sonst könnte es nicht so strahlend sein. Quelle, AEG, Grundig, aber auch Siemens waren und sind Firmen, bei denen Zehntausende ihr Geld verdient haben.
Grummelstimmung in Franken und Schwaben
Es drängt sich der Eindruck auf, dass alles, was mit Franken zu tun, einen Malus hat: Es wird die Münchner Fahrradindustrie herausgehoben, die Nürnberger, die wesentlich bedeutender war, nicht. Immerhin wird auf die oberpfälzische Firma Express in Neumarkt hingewiesen, die sehr gute Räder über lange Zeit baute.
Was an Franken umfassend herausgestellt wird, sind die guten Wahlergebnisse der NSDAP in Mittel- und Oberfranken auf einer großen Karte. Das übrige Bayern war aber kein Widerstandsnest. München war immerhin die Hauptstadt der Bewegung und die Zentrale der NSDAP war dort angesiedelt. Etliche etablierte Münchner Familien haben Hitler mittels einer gesellschaftlichen Aufwertung geholfen, bedeutend und bekannt zu werden. Sonst wäre er ein Ereignis in der fränkischen Provinz geblieben. Es passt zusammen, dass die Zerstörungen im 2. Weltkrieg mit einem großformatigen Foto der kaputten Nürnberger Altstadt illustriert wird. Im Übrigen hatte die NSDAP gerade in Nürnberg eher mittelmäßige Wahlergebnisse erzielt. Von der für Nürnberg emblematischen Kaiserburg ist nur der Sinwellturm zu sehen.
Das Haus der Bayerischen Geschichte
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Museum Haus der Bayerischen Geschichte
Donaumarkt 1, 93047 Regensburg
☎️ 0941 59851-0
📧 poststelle(at)hdbg.bayern.de
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Dienstag bis Sonntag: 9 bis 18 Uhr
Montag geschlossen
Fällt ein Feiertag auf einen Montag, so ist das Museum geöffnet.
Immer geschlossen ist am 24., 25. und 31. Dezember, 1. Januar und an Karfreitag.
🚧 Wegen Revisions- und Wartungsarbeiten ist vom 8. bis zum 30. Januar 2024 montags und dienstags geschlossen.
🛑 Vom 5. bis zum 9. Februar 2024 ist das Museum komplett geschlossen.
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Dauerausstellung
Erwachsene: sieben Euro
Ermäßigt: fünf Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: Eintritt frei
Studierende unter 30 Jahre: Eintritt frei
Mitglieder Freundeskreis Haus der Bayerischen Geschichte: Eintritt frei
Weitere Informationen findest du hier.
Es ist in der Ausstellung kaum etwas falsch, aber die Mixtur und die Gewichtungen machen einen zunehmend grummelig, wenn man aus Franken kommt. München wird permanent offen und implizit erhöht. Bayern München, das Oktoberfest und die Olympischen Spiele 1972: Da geht es um sehr viel Geld und Geschäftemacherei. Es wird aber so getan, dass sie Ausdruck der erfolgreichen bayerischen Lebensart sind und waren. Nur zur Erinnerung: Von den Olympischen Spielen hat Nürnberg nur ein paar völlig unbedeutende Fußballspiele bekommen, aber das teure Großereignis mittragen müssen.
Vor lauter Nachdenklichkeit und zweifelnden Fragen ist das Ende der Ausstellung schon sehr mau geraten: Die Zukunft wird Bayern nur erfolgreich gestalten, wenn Wissenschaft und Forschung im Mittelpunkt stehen. Von einem wolkigen Bayern-Mythos wird man künftig nichts abbeißen können.
Einzelausstellungen und Dauerausstellung zusammengenommen wurden seit der Eröffnung des Museums bis heute etwas über eine Million Besucher gezählt. Die Dauerausstellung gehört aber dringend überarbeitet. Bayern ist größer als Altbayern.
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