Der kommunale Schwarze Schwan

 

Der Dutzendteich im November letzten Jahres – eine geplante Überraschung. | Foto: © Janine Beck

 
 

Spielregeln ohne Spielgeld

Wer derzeit Zeitungen und Nachrichtenmagazine liest oder sich über Fernsehen und Internet Informationen holt, der wird angesichts der vielen schlechten Meldungen vermutlich leicht depressiv.

Wenn Ereignisse oder Entwicklungen schlecht sind, dann dürfen sie auch nicht geschönt werden. Derzeit fallen aber die vielen Wiederholungen auf. Das Negativstakkato ist kaum auszuhalten. Dass der Wirtschaftsstandort Deutschland Strukturreformen benötigt wissen wir. Aber muss es jeden Tag sein, dass darauf hingewiesen wird, die Wirtschaftskraft würde sinken? Dass wir uns in einer Rezession befinden – auch das wissen wir.

Derzeit gibt es aber noch keine Armutsschluchten. Wir müssen jedoch große Anstrengungen unternehmen, damit es so bleibt. Es geht um eine Analyse der Standortbedingungen und nicht um das Schlechtreden des Standorts.

Besser wäre es, dass durchgerechnete Lösungen präsentiert werden, wie es künftig besser gemacht werden kann. Das ist aber nur selten der Fall. Die einzelnen Parteien haben sich in Argumentationswagenburgen eingerichtet, um ihr Stammklientel zu erreichen. Sie schauen weder Links noch Rechts. Diese Haltung wird aber nicht reichen, um die Probleme zu lösen.

Gefragt sind innovative Vorschläge, die über herkömmliche Argumentationsgrenzen hinausgehen und vor allem deren Finanzierung. Auch müssen alle Bevölkerungsgruppen mitmachen und Belastungen tragen. Es ist wenig glaubhaft, dass es reicht nur die großen Vermögen anzubaggern (SPD), um das Schiff wieder flott zu bekommen und es genügt auch nicht, solche Überlegungen komplett zurückzuweisen (Union und FDP), um vermeintliche Leistungsträger oder sind es doch Reiche? nicht zu sehr zu belasten.

Das sind politische Sandkastenspiele, für die jeweils eigene politische Klientel, die uns keiner Lösung näherbringen. Wenn jede Partei den Geldbeutel ihrer Anhänger geschlossen lässt, wo soll dann das Geld herkommen? Es geht doch immer darum, maßvoll Dinge zu entwickeln. Wer konsequent die Erbschaftssteuer leicht erhöht, Vermögenssteuer on top einführt, Steuerschlupflöcher schließt, handelt doch nicht falsch und gegen die Konjunktur. Auf der anderen Seite muss das „gut gemeinte Geld“ im Sozialbereich angeschaut werden, weil vielleicht falsche Anreize gesetzt wurden.

Nürnbergs Buß- und Bitttag | Illustration: © Paul Blotzki

Städtische Pflichten ohne Gegenwert

Ein Beispiel. Der Nürnberger Haushalt, wie der von anderen Kommunen und Gemeinden auch, leidet seit Jahren unter Auszehrung. Vor allem deshalb, weil Bund und Land Gesetze beschließen, sie aber nicht ausreichend finanzieren. Die Pauschalen decken in der Regel nicht die tatsächlichen Kosten. Der Nürnberger Haushalt wäre um ein Haar im vergangenen Herbst geplatzt, weil der Bezirk 50 Millionen Euro mehr von der Stadt an Umlage verlangt hat.

Der Bezirk ist für die meisten Bürgerinnen und Bürger politisch weit weg. Die wenigsten wissen, welche Aufgaben er hat. Die Bezirksregierungen kümmern sich zum Beispiel um Reha-Kliniken in einer Region, um Schulen wie die Blindenschule in Nürnberg, um Hilfen für Pflegebedürftige und um Menschen mit Handicap.

Der Anstieg bei den Ausgaben, den Nürnberg hart trifft, geht auf eine Gesetzesänderung der Bundesregierung, die gut gemeint war, zurück. Wesentlich mehr Menschen mit Handicap haben Anspruch zur Wiedereingliederung in den Alltag und es gibt auch höhere finanzielle Ansprüche für die Betroffenen.

Die Ausgaben des Bezirks für Pflegebedürftige sind ebenfalls stark angestiegen, weil die Zahl der Pflegebedürftigen angestiegen ist. Das wird in den nächsten Jahren so weitergehen. Aber woher kommt das Geld? Das ist noch ungeklärt. Neue Vorschläge sind nötig.

Bund und Land können sich bei der Finanzierung leicht einen schnellen Schuh machen. Bayern spart zu Lasten Nürnbergs jedes Jahr mehr als 60 Millionen Euro, weil München die Personalkosten der Lehrerinnen und Lehrer nicht ausreichend überweist. In zehn Jahren sind das 600 Millionen Euro.

Rettungsleitstelle Nuernberg Regenstrasse

Die Rettungsleitstelle in der Regenstraße. | Quelle: © 3D-Stadtmodell, Stadt Nürnberg

Rettungsleitstelle sucht Retter

Noch ein Beispiel. Die Region braucht eine neue integrierte Leitstelle, damit Rettungsfahrzeuge schnell dorthin fahren können, wo sie gebraucht werden. Sie müssen auch im Katastrophenfall Hilfe organisieren. Nachdem die bisherige Leitstelle am Hafen in die Jahre gekommen ist, soll in der Bamberger Straße eine neue gebaut werden. 140 Millionen Euro kostet die Leitstelle. Das ist eine Pflichtaufgabe, die der Freistaat vorschreibt. Nürnberg hat dafür aber kein Geld. Im nächsten Jahr soll gebaut werden. Die Finanzierung ist offen. Auch die anderen am Rettungszweckverband beteiligten Kommunen wie Erlangen haben dafür kein Geld. Fortsetzung folgt. Neue Vorschläge dringend erbeten.

Unbekannte Variablen der Zukunft

Wenn es nicht gelingt, die Konjunktur zu stärken und wirtschaftliches Wachstum zu erzeugen, dann werden die Kommunen und Städte extrem sparen müssen, weil die Gewerbesteuer zurückgeht. Auf der anderen Seite wachsen die Anforderungen an den Haushalt: steigende Personalausgaben.

Die Gewerkschaft Verdi fordert derzeit acht Prozent mehr Lohn, die N-Ergie hat einen hohen Zuschussbedarf für die energetische Transformation und für die Stärkung des ÖPNV, eine neue Grundschule muss im Nürnberger Westen gebaut werden und wenn das Nürnberger Klinikum ein Defizit macht, dann muss es die Stadt ausgleichen. Aktuell soll die Stadt die Cnopfsche Kinderklinik übernehmen, weil Diakoneo, der bisherige Träger der Klinik, ebenfalls sparen muss. Neue Finanzierungsvorschläge sind nötig.

Die Not der Kommunen und Städte ist seit Jahren bekannt. Doch an der strukturellen Überlast hat sich nichts geändert. Die aktuelle Bundesregierung plante, die Altschulden der Städte, vor allem im Westen Deutschlands, zu übernehmen. Aber nur die von Kassenkrediten, das ist mit Girokonten von Privatpersonen vergleichbar.

Das wäre ein Affront gegenüber den Städten im Süden Deutschlands, die noch nicht zu Lasten von teuren Kassenkrediten ihren Betrieb aufrechterhalten können, aber unter den Altschulden mit ihren Zinsen und neuen Schulden leiden. Eine zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit wäre diese Regelung. Verschwender würden gestützt. Zum Glück gibt es dafür keine politische Mehrheit mehr.

Da auch Berlin und München weniger Geld zur Verfügung haben, werden die Städte ihre Standards in den nächsten Jahren reduzieren müssen, auch wenn es noch abgestritten wird: Betreuungsschlüssel im Kindergarten werden geändert werden und Dämmvorschriften werden gelockert, wenn grüne Energie zur Verfügung steht. Bislang nicht vorstellbar, aber es wird Bereiche treffen, an die wir noch nicht denken.

“Pessimismus ist Zeitverschwendung”

SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera während seines Vortrags ‘On the Brink of Utopia – Or Doom?’ auf der DLD25 in München. | Quelle: © DLD Conference 2025, YouTube

 

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