Zu viele Paviane am Schmausenbuck?
Der Tiergarten und das großes Gedränge
Der Nürnberger Tiergarten wurde 2022 von über 1,1 Millionen Tierfreunden besucht. Das sind mehr Menschen als Fans, die zu Fußballspielen vom Club, Greuther Fürth, Jahn Regensburg und FC Ingolstadt 04 zusammengenommen in einem Jahr kommen.
Noch ein Vergleich: Neuschwanstein, das Märchenschloss von König Ludwig II., wollten rund 1,4 Millionen Besucherinnen und Besucher im vergangenen Jahr sehen. Das Schloss im Allgäu ist mit großem Abstand der attraktivste Publikumsmagnet in Bayern. Sieht man einmal vom Oktoberfest ab. Mit 148.000 Besuchern ist das Interesse an der Nürnberger Kaiserburg im Vergleich dazu doch deutlich niedriger. Obwohl die Besucherzahlen seit der lange überfälligen Burg-Renovierung deutlich nach oben gegangen sind.
Der Zuspruch für den Nürnberger Tiergarten kann sich seit Jahrzehnten sehen lassen. Das Interesse bei Jung und Alt ist ungebrochen. 287 Tierarten tummeln sich auf dem Gelände am Schmausenbuck. Offenbar hat der Tiergarten einen hohen Unterhaltungswert, obwohl er kaum spektakuläre Tiere zeigt und auf jegliche Gaudi verzichtet. Verständnis für Tiere zu entwickeln, steht im Vordergrund. Die Führung des Tiergartens von Dag Encke gilt als vorbildlich.
Der Tiergarten sichert außerdem das Überleben von Tierarten, die in der freien Natur keine Chancen mehr hätten. Dass sie in Gehegen und Käfigen leben müssen, mag man bedauern. Aber für die menschlichen Eingriffe in die Natur können die Verantwortlichen im Tiergarten nichts. Es ist unsere Gier nach Abenteuer und Trophäen, die Suche nach Bodenschätzen und die Ausbeutung der Natur, die Tieren ihren Lebensraum nimmt. Die Crew des Tiergartens, die eben auch einen wissenschaftlichen Auftrag hat, sorgt für artgerechte Haltung der Tiere und für das professionelle Überleben der vom Aussterben bedrohten Tierarten.
Verhütung versagt, Auswilderung unmöglich
Vor wenigen Tagen hat es wieder eine helle Aufregung unter Tierfreunden gegeben, weil Tiergartendirektor Dag Encke angekündigt hat, dass einige Paviane getötet werden müssen, weil die zur Verfügung stehende Fläche zu klein ist.
Geplant wurde die Anlage für 25 erwachsene Tiere und nicht für 45, wie es derzeit der Fall ist. Artgerecht ist das nicht. Die Tiere haben Stress, verletzen sich gegenseitig und die Weibchen sind nicht mehr paarungsbereit.
Der Aufschrei war riesig. Encke musste sich im Internet vorhalten lassen, dass er „krank“ sei, eine „hohle Birne“ und einen „an der Waffel“ habe. Bei seinem Schritt in die Öffentlichkeit hatte Encke betont, dass die Tötung von einigen Pavianen die letzte Möglichkeit sei, wenn auf anderen Wegen die Zahl der Tiere nicht verringert werden könne. Geburtenverhütung war zuvor gescheitert.
Bislang hat sich auch kein anderer Zoo oder Tiergarten bei Encke gemeldet, der Paviane nehmen möchte. Es hat auch keine Möglichkeit zur Auswilderung gegeben. Die Überlebenschancen für die Paviane in freier Wildbahn wären allerdings sehr gering.
Der Tiergarten will auf keinen Fall die Fläche und das Gehäuse für Paviane vergrößern, weil dann weniger Platz für andere vom Aussterben bedrohte Tiere zur Verfügung stehen würde. Geld für eine Erweiterung des Geheges ist auch nicht vorhanden.
Populationsmanagement gegen das Aussterben
Rückendeckung für seine Vorgehensweise hat Encke inzwischen vom Umweltamt der Stadt Nürnberg, das für die Aufsicht des Tiergartens zuständig ist, und vom Stadtrat bekommen.
Der Nürnberger Tiergarten betreibt ein Populationsmanagement, das das Aussterben von Tierarten verhindern soll. Es kommt aber auch regelmäßig an seine Grenzen, denn er ist kein Tierasyl und die einzelnen Populationen nehmen von der Kopfzahl her zu. Hier geht es um das Stärken von Arten, die ohne den Tiergarten keine Chance mehr hätten, zu überleben. Deshalb muss auch ab und zu, wenn es keine anderen Möglichkeiten gibt, die Population zu begrenzen, ein Tier sterben. Das machen andere Zoos weltweit auch so, wenn Tiere nicht abgegeben werden können. Nur machen sie es sehr selten öffentlich.
Die Guinea-Paviane in Nürnberg sind die letzten Vertreter ihrer Art in ganz Deutschland. Trotzdem wollte bislang kein anderer Zoo Paviane abnehmen. Offenbar sind die vorhandenen Tiergarten-Flächen sehr gut belegt. Tiere zu töten, ist nie einfach. Encke hat schon in der Vergangenheit ähnliche schwierige Entscheidungen sehr gut begründet und öffentlich gemacht.
Die Pavian-Geschichte ist wieder einmal ein Beispiel dafür, dass im Netz ohne Kenntnis und ohne Bereitschaft, sich in ein Thema einzuarbeiten, reflexhaft beschimpft und gelabert wird. Unterstützt von professionellen Tierfreunden, die an der Verbreitung ihrer radikalen Stereotypen gut verdienen: Sie wollen, dass letztlich alle Tiergärten aufgelöst werden.
Encke, der schon mehrfach wegen seiner Ehrlichkeit leiden musste, ist inzwischen sehr genervt. Die SZ zitiert ihn mit dem Satz: „Manchmal denken wir, wir könnten alles so lange schönreden, bis sich alle wohlfühlen. Das funktioniert nicht.“
Das moralische Dilemma bei der Tötung von Pavianen, wenn sich nicht noch Interessenten melden, lässt sich aber nicht durch Wunschdenken oder Schönreden aus der Welt schaffen: Entweder werden Paviane getötet, damit die letzten ihrer Art angemessen in Nürnberg überleben können oder aber es geht allen noch lebenden Pavianen schlechter.
Tiergarten prüft drei Angebote zur Rettung
Wie die Geschichte mit den Pavianen ausgeht, ist derzeit noch unklar. Der Tiergarten hat inzwischen Kontakt mit drei Einrichtungen aufgenommen. Der Prozess wird sich jedoch noch über einen längeren Zeitraum hinziehen, da die Entscheidung der Abgabe auch vom europäischen Zooverband EAZA getroffen wird. Die grundsätzliche Problematik mit zu großen Tierpopulationen bleibt aber.
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Quellen: Tiergarten Nürnberg • Stadt Nürnberg • Wikipedia • DPZ