Skipisten, Hobithöhlen und die Rückkehr des heiteren Lebens
Was ist eine lebenswerte Stadt?
„Es gibt sie noch, die guten Dinge.“ Mit diesem Spruch warb einst der Retro-Versender „Manufactum“ für die von ihm angebotenen Produkte. Dieser Eindruck drängte sich auch beim von „Baulust“ organisierten Vortrag der Architektin Mikala Holme Samsøe auf, die im Neuen Museum mit einem Vortrag erklärte, warum in Dänemark offenbar Stadtreparaturen besser gelingen als zum Beispiel in Nürnberg.
Die Dänin, die an der Technischen Hochschule in Augsburg unterrichtet und selber Mitinhaberin eines Architekturbüros ist, zeigte mit viel Charme, wie es geht. “Wir wollen die Städte für die Zukunft fit machen.”
Stadtreparaturen à la Dänemark
Seit 2000 und noch intensiver ab 2010 wird bei der Stadtplanung in Dänemark auf die Natur und den Menschen mehr Rücksicht genommen. Das Auto wird zurückgedrängt, ohne dass es verschwindet. Man sieht die Autos nur nicht mehr so stark, weil sie in Parkhäusern stehen.
Es wird Wert auf das „heitere Leben“ zwischen den Häusern gelegt. Straßen sind auch Schulhöfe, es gibt elegante Fahrradbrücken, die nicht nur Wege verkürzen, sondern auch zum Verweilen einladen und Kreisverkehre werden verkleinert, um Platz für Grün zu bekommen.
Öffentliche Räume sind wieder lebbar und haben nicht nur die Funktion von Verkehrswegen. Siedlungsstränge – auch in Dänemark muss gebaut werden! – entstehen entlang von S-Bahnen, damit das angrenzende Grün erhalten werden kann.
Ein kurzer Blick in die Nürnberger Region: Auch nach 30 Jahren tut man sich schwer, konsequent und verdichtet entlang der S-Bahnachsen zu siedeln.
Stadtentwicklung in Dänemark
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Bilder aus der Ausstellung "Lebenswerte Stadt"
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Stadtentwicklung in Dänemark 〰️ Bilder aus der Ausstellung "Lebenswerte Stadt" 〰️
5 strategische Prinzipien für bessere Städte
Für Samsøe sind gute Architektur und Stadtplanung die Mittel, das Zusammenleben einer Gesellschaft zu verbessern. Es werden alle Bevölkerungsschichten angesprochen. Der Hebel, um etwas durchzusetzen, sind strategische und ethische Prinzipien wie „Augenhöhe“, „Überlagerung“, „Kante-Zone“, „Eigenart“, „Teilhabe“ und die zirkuläre Verwendung von Baumaterialien. Es sind keine detaillierten Vorgaben. So gibt es Raum für Kreativität.
Unter “Augenhöhe” wird die visuelle Durchlässigkeit von Häusern und Balkonen verstanden, um eine komplette Abgrenzung zu vermeiden. In Turnhallen soll man auch hineinschauen können.
Unter “Überlagerung” versteht sich die Vorgabe, dass größere Projekte für unterschiedliche Nutzer etwas bieten müssen. Mit der Müllerverbrennungsanlage in Kopenhagen wurde eben auch ein Skihügel geschaffen oder auf einem Parkhaus ist eine Mucki-Bude eingerichtet.
Mit “Kante-Zone” ist der offene Übergang zwischen privatem und öffentlichem Raum gemeint, die weniger auf Abgrenzung als auf Verzahnung setzt. Es gibt keine abgeschlossenen Schulhöfe mehr.
Unter “Eigenart” wird das Bauen verstanden, das mit Neubauten Rücksicht auf die vorhandene Stilistik nimmt, und nicht einen Kontrast gegen das Alte baut. Die historische Eigenart einer Stadt soll erhalten werden.
Bei der “Teilhabe” sei es wichtig, dass alle Betroffenen leicht mitmachen können.
Tausche Sicherheit gegen Geborgenheit
Während Nürnberg große Fortschritte bei Beteiligungsprozessen gemacht hat, haben es die anderen Punkt in sich. Samsøe weist darauf hin, dass es in Deutschland vor allem um Sicherheit geht und das bedeutet Abgrenzung, in Dänemark dagegen um Geborgenheit. Nicht überall gebe es Geländer. Wer in einen Teich fällt, sei selber schuld. Er hätte aufpassen müssen.
Dieser Appell an die Eigenverantwortung des Menschen, wenn er denn verstärkt berücksichtigt würde, wäre revolutionär, denn er würde auch bedeuten, dass nicht jedes Risiko abgesichert werden kann.
So entstehen Räume für Gestaltung. “Wir fragen einen Investor, was bringst Du von unseren moralischen Prinzipien mit”, so Samsoe. In Nürnberg pochen die meisten Bauherren darauf, was zulässig ist und halten sich höchstens an die Bayerische Bauordnung. So bleibt eine Stadt nicht lebenswert.
Diese ethische und ästhetische Gestaltung von Bauen und Planung haben wir in Deutschland verlernt. Es geht immer um bleischwere Begriffe wie Nachhaltigkeit, Schwammstadt oder Effizienz, aber nicht um emotionale und sinnliche Ebenen des Bauens.
Nürnberg 2030: Ein blühendes Versprechen
Nürnberg plant derzeit die Landesgartenschau 2030. Sie soll auf keinem abgegrenzten Areal stattfinden, sondern auf eher kleinen Arealen im Inneren der Stadt: Maxplatz, Kesslerplatz, Karl-Bröger-Platz, Stadtgraben, Egidien- und Theresienplatz, Grasersgasse. Sie soll ein Anschub für die Umgestaltung und Aufwertung der Stadt im Hinblick auf die Anpassung für den Klimawandel sein.
Es ist eine einmalige Chance, auch emotionale Prinzipien zur Geltung zu bringen. Leicht wird das nicht, denn es gibt keinen architektonischen Baukasten für „lebenswert“. Versuchen sollten wir es aber.
Auch in Kopenhagen wurde um jeden Parkplatz gekämpft und die Menschen fahren weiter auch mit dem Auto, aber es gab eine übergeordnete Strategie, wie man besser leben kann, der sich am Ende die meisten Einwohner unterordneten. Die Begründungen und Ziele müssen aber erklärt werden. Dann gibt es wieder „die guten Dinge“.
Kann der Club mit einem neuen Stadion seine Zukunft sichern?