10 Monate vor der Kommunalwahl
Das N-ERGIE Kraftwerk wird zentral für Nürnbergs Wärmewende bis 2045. | Foto: © Janine Beck
Wärmeplanungsgesetz heizt das Nürnberger Rathaus auf
Es sind noch etwas weniger als zehn Monate bis zur nächsten Kommunalwahl im März 2026 und die Parteien rüsten sich für den Wahlkampf. CSU und SPD haben ihre Kandidatenliste schon aufgestellt. Auch wurden die Spitzenkandidaten nominiert.
Die CSU zieht mit OB Markus König in den Wahlkampf. Er will OB bleiben. Unterstützung erhält er von dem bisherigen Fraktionsvorsitzenden Andreas Krieglstein, denn Kulturbürgermeisterin Julia Lehner tritt aus Altersgründen nicht mehr an. Die CSU wird mit dem Duo König/Krieglstein werben.
Für die SPD zieht Nasser Ahmed ins Feld. Nachdem der populäre Bürgermeister Christian Vogel aus Gesundheitsgründen nicht mehr erneut kandidiert, wird es für die SPD ein schwerer Gang.
Derzeit ist es im Nürnberger Rathaus nach außen hin ruhig, doch intern wird heftig diskutiert und dementsprechend gibt es viele Gerüchte. Es werden derzeit nicht nur Krieglstein, sondern auch Achim Mletzko, Fraktionsvorsitzender der Grünen, Ansprüche auf einen Bürgermeisterposten im neu gewählten Stadtrat nachgesagt. Die Weichen können aber schon jetzt mittels Absprachen dafür gestellt werden, denn mit dem Weggang von Lehner, Vogel und auch von Baureferent Daniel Ulrich können etliche Referate maßgeschneidert zusammengesetzt werden.
Krieglstein hat zwar viel Erfahrung im Bankenwesen, aber kein Fachstudium, was Voraussetzung für die Führung eines Fachreferats ist. Allenfalls als Bürgermeister kann er, wie Vogel, einem Konglomerat aus Tiergarten, Feuerwehr und Sör vorstehen. Dazu würde auch noch das Stadion passen.
Kulturreferat vor dem Aus – Projekte ohne Führung
Wie es aussieht und zu befürchten ist, wird das Kulturreferat Nürnberg zerschlagen. In Nürnberg selbst drängt sich keine Nachfolgerin oder Nachfolger von Lehner auf. Dabei dürfte das Referat in den nächsten Jahren mehrfach im Zentrum von wichtigen Diskussionen stehen:
Interim für die Oper im Hof der Kongresshalle
Künstlerateliers in der Kongresshalle Nürnberg
Sanierung Opernhaus
Erweiterung Memorium Nürnberger Prozesse
Sanierung Zeppelintribüne
Ausbau der Erinnerungskultur
Einrichtung eines Dokumentationszentrums zum NSU
Sanierung Meistersingerhalle
Nutzung und Sanierung Pellerhaus.
Da wird eine Frau oder ein Mann benötigt, der sich fachlich auskennt und der sich gegen die politischen Bedenkenträger durchsetzt, die das Kulturreferat als Verschiebebahnhof für persönliche Karrieren nutzen wollen.
Grüne helfen Schwarzen gegen rote Bedenken
Die Geschichte mit Achim Mletzko ist ebenfalls kompliziert. Der Grüne hat der CSU in den vergangenen fünf Jahren bei vielen Entscheidungen geholfen. An sich sollte das in einem Stadtrat ein normales Phänomen sein, denn es gibt formal keine Regierung und keine Opposition. Der Stadtrat ist ein Organ der städtischen Selbstverwaltung.
Nur: Die CSU kooperiert eigentlich mit der SPD. Sie befürchtet jedoch, dass die Genossen bei der nächsten Wahl kein gutes Ergebnis einfahren und deshalb auf einen Konfrontationskurs einschwenken werden. Grüne- und Schwarze-Basis sind in Nürnberg aber keine Freunde. Vor allem, wenn es um den Frankenschnellweg oder um andere Themen in der Verkehrspolitik geht.
Grünen-Chef Mletzko sucht seinen Posten
Welches Referat soll Mletzko bekommen? Gesundheits- und Umweltreferentin ist Britta Walthelm, OB-Kandidatin von den Grünen. Walthelm wird Mletzko nicht wegbefördern können. Das ginge nur, wenn sie die OB-Wahl gewinnt, was unwahrscheinlich ist.
Das Sozialreferat ist mit Elisabeth Ries, auf Vorschlag der SPD, gut besetzt. Darauf hätte Mletzko wohl keinen Zugriff. Auch nicht auf die Referate Finanzen, Wirtschaft und Schule, die fest in der Hand von Referenten und Referentinnen sind. Für Bauen, das ebenfalls frei wird, braucht es einen Fachmann.
Mletzko konkurriert am Ende mit Krieglstein. Da dürfte die Freundschaft bald zu Ende sein. Oder aber er will angesichts seines Alters, Mletzko ist Jahrgang 1957, gar keine Führungsposition mehr anstreben.
Die Situation wird noch komplizierter, weil die CSU vor drei Jahren durchgesetzt hat, dass die Referenten in Zukunft nicht mehr ein Jahr vor der Kommunalwahl, sondern ein Jahr danach, mit der neuen Stadtratsmehrheit gewählt werden. Dieser Beschluss, der in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde, bedeutet die konsequente Repolitisierung der Verwaltungsspitze im Rathaus. Die Gefahr ist, dass die Führung der Referate mit willfährigen Parteimitgliedern besetzt werden.
Das bisherige System hat eine gewisse Unabhängigkeit der Referenten garantiert, weil sie nicht wussten, wie die nächsten Mehrheiten aussehen. Sie konnten sich so auf Fachliches konzentrieren und während der oft langen Übergangs- und Findungszeiten nach einer Kommunalwahl die Arbeit der Verwaltung sicherstellen.
Das ist im nächsten Jahr nicht der Fall, denn das Ausschreibungs- und Wahlprozedere dauert mindestens ein Jahr. Da Ulrich im kommenden Mai aufhört, müsste schon jetzt seine Stelle ausgeschrieben werden. Weil aber 2027 die ganze Riege noch einmal gewählt wird, wäre der Baureferent oder eine Baureferentin als Ulrich Nachfolger nur für ein Jahr sicher. Wer will dieses Risiko eingehen?
Drei Riesenthemen erdrücken das Baureferat
Noch dazu stehen im Baureferat riesige Themen an:
Frankenschnellweg
Interim Opernhaus
Umbau der Stadt im Hinblick auf eine neutrale Wärmeversorgung
Der letzte Punkt dürfte alles andere beim Bauen in den Schatten stellen. In der kommenden Woche wird den Stadträten die Umsetzung des Wärmeplanungskonzepts für Nürnberg vorgelegt. Ziel ist, bis 2045 den Verbrauch von Öl und Gas für Heizung und Warmwasser auf Null abzusenken. Fernwärme und Wärmepumpen genießen Priorität. Es werden aber auch andere erneuerbare Energien zugelassen. Wasserstoff halten die Gutachter für den einzelnen Endverbraucher als wenig sinnvoll, weil viel zu teuer.
188 Seiten Konzept für die Wärmewende
Die Karlsruher Firma IREES hat jetzt auf 188 Seiten Vorschläge gemacht, wie der Transformationsprozess aussehen kann. „Die Wärmewende ist realistisch umsetzbar“, lautet das Fazit. Doch bis es so weit ist, muss die halbe Stadt umgegraben werden. Es soll schon im kommenden Herbst in der Meuschelstraße, im Umfeld des Friedrich-Ebert-Platzes, im Nordostpark und in der Züricher Straße losgehen.
Ausbaugebiet Fernwärme: Östlich des Friedrich-Ebert-Platzes sollen 200 neue Hausanschlüsse in der dichten Wohnbebauung entstehen. | Quelle: © N‑ERGIE Aktiengesellschaft
IREES hat Vorschläge gemacht, wo es mit der Erweiterung des Fernwärmenetzes weitergehen soll. Konkrete Prioritätenlisten muss dann der Stadtrat erstellen. Derzeit werden in Nürnberg 60 Prozent der Gebäude mit Erdgas beheizt, 18 Prozent mit Öl und 9 Prozent mit Fernwärme. Die Gutachter schätzen, dass in Nürnberg derzeit nur maximal 2000 Häuser oder Wohnungen mit Wärmepumpen beheizt werden.
Das Gutachten ist differenziert und es wird auch eingeräumt, dass nicht jedes Haus für eine Wärmepumpe geeignet ist und dass das Stadtgebiet nicht flächendeckend mit Fernwärme versorgt werden kann. Es wird also bei vielen Hausanschlüssen Diskussionen und individuelle Prüfungen geben. Außerhalb des Altstadtrings gehen die Gutachter von einer Versorgung der Haushalte mit Fernwärme von 50 Prozent aus.
Die Ausgangslage in Nürnberg
-
Aktuelle Heizungsverteilung:
60% der Gebäude: Erdgas
18% der Gebäude: Öl
9% der Gebäude: Fernwärme
Maximal 2.000 Häuser/Wohnungen: Wärmepumpen
Ziel bis 2045: Kompletter Verzicht auf Öl und Gas
Kaputte Heizung wird zum Glücksspiel
Noch ungelöst ist auch, was die Haushalte machen, deren Gas- oder Öl-Heizung kaputt geht und der Anschluss mit alternativen Energien noch auf sich warten lässt. Die Gutachter schlagen ein Miet-Heizungssystem vor, das derzeit noch nicht existiert.
In solchen Zeiten, für einen kompetenten Baureferenten nicht alles zu tun, um ihn in seinem Amt zu halten, ist fahrlässig und leichtsinnig. Die Nürnberger Politik hat noch nicht erkannt, welche Dimension das Wärmeplanungsgesetz im Alltag hat. Es wird das Rathaus noch gewaltig aufheizen. Daneben wirkt jede Bürgermeisterdiskussion unfreiwillig komisch.
Mehr Artikel
ICE-Werk Nürnberg: 200 Arbeitsplätze bedroht
18. Mai 2025 – Wird der ICE-Fahrplan in Nürnberg ausgedünnt? Die Zukunft des Ausbesserungswerks und damit der Status als wichtiger ICE-Knotenpunkt steht auf dem Spiel.
Nürnberg 2026: Vogel kandidiert nicht mehr
9. Mai 2025 – Erfolgsgarant Vogel verlässt 2026 Nürnberger Rathaus – Großprojekte verlieren ihren erfahrensten Fürsprecher.
Schatz, wo ist Opas alte Gastherme?
28. Mai 2023 – Wärmepumpen und Fernwärme: Energiewende retten oder Kostenfalle? Wie wird die Wärmeversorgung in Stadtgebieten gelöst?