Deutschlandticket: Nichts ist umsonst
Der ÖPNV boomt, die Finanzierung holpert. Während immer mehr Menschen einsteigen, sucht die Stadt nach kreativen Lösungen für die Mobilitätswende. | Foto: © Janine Beck
Mobilitätswende: Das Karma fährt mit
13,5 Millionen Abonnenten sind eine hohe Zahl. Oder doch nicht, wenn sie für ganz Deutschland gilt? Erwartet waren im vergangenen Jahr 15 Millionen Abonnements beim günstigen Deutschlandticket. Am Ende waren 1,5 Millionen weniger. 13,5 Millionen Abos bleiben aber trotzdem eine stolze Zahl und das Angebot hat, wenn man das Beispiel Nürnberg nimmt, zu deutlich höheren Nutzerzahlen bei Bussen und Bahnen im öffentlichen Personennahverkehr geführt und damit das Klima entlastet.
Bei der Verkehrszählung im vergangenen Sommer in Nürnberg blieben die gezählten Autos sowohl in der Innenstadt als auch beim Verkehr über die Stadtgrenzen hinweg jedenfalls auf dem niedrigen Niveau, das sich seit Corona kaum verändert hat. Dem gegenüber steht ein Fahrgastboom bei den U- und Straßenbahnen. Allerdings geht der Zuwachs nicht nur auf das Konto des günstigen Tickets zurück, sondern auch auf die Ausweitung und Verbesserung des Angebots. Taktzeiten wurden verringert und es gab mehr Buslinien, die in die Vororte fuhren oder so gelegt wurden, dass eine Linie mehr Haltestellen als vorher miteinander verband, so dass weniger umgestiegen werden musste. Wenn alle fünf oder zehn Minuten ein Bus oder eine Straßenbahn kommt, dann darf man nicht mehr von Wartezeiten an Haltestellen sprechen.
Doch das hat seinen Preis. Länder und Bund finanzieren noch in diesem Jahr das Deutschlandticket mit je 1,5 Milliarden Euro. Na klar, werden einige sagen, der Öffentliche Personennahverkehr kann nie kostendeckend fahren, das war schon immer ein Zuschussgeschäft, wenn es einen vernünftigen ÖPNV für Bürgerinnen und Bürger geben soll. Wer außerdem die Mobilitätswende und das Klima voranbringen will, damit weniger Autos weniger Schadstoffe ausstoßen, und trotzdem die Fahrt mit Bussen und Bahnen von A nach B möglich ist, dann geht das nicht umsonst. Die Zuschüsse für den ÖPNV werden steigen müssen.
Wer Klimaschutz und Mobilitätswende will, muss investieren – Bund und Länder zahlen je 1,5 Milliarden fürs Deutschlandticket. | Foto: © Janine Beck
Das wird weh tun. Die Stadt Nürnberg, die der Auftraggeber für den ÖPNV in Nürnberg ist, muss das Defizit des Betriebs ausgleichen. Bislang war die Regelung so, dass die Gewinne der N-Ergie die Defizite der VAG decken. Dieser steuerliche Querverbund lief über die Städtischen Werke. Im Durchschnitt schob die N-Ergie 50 bis 70 Millionen Euro jedes Jahr auf das Konto der VAG, so dass die Stadt nicht den kompletten Verlust auffangen musste. Doch ab 2026 wird es schwierig werden, dass der Verlust noch aufgefangen werden kann. Es wird ein Minus allein für Nürnberg von 120 bis 140 Millionen Euro befürchtet. Doppelt so viel wie bisher. Aus dem städtischen Haushalt nicht stemmbar.
Ticket zum Defizit
Eine Ursache dafür ist, dass die Zuschüsse für das Deutschlandticket von Bund und Ländern nur bis Ende 2025 zugesagt sind. Schon jetzt reichen die drei Milliarden Euro von Bund und Ländern pro Jahr nicht. Die ÖPNV-Anbieter und die Kommunen müssen kräftig zuzahlen. Eine weitere Ursache für das wachsende Defizit ist, dass in Nürnberg etliche Straßenbahngleise wie in der Allersbergerstraße und in der Landgrabenstraße marode sind und für viel Geld saniert werden müssen. Auch hält die Stadt an kleineren Straßenbahnprojekten wie dem Lückenschluss in der Minervastraße, die Straßenbahn nach Lichtenreuth und die Stadtparkschleife fest, auch wenn sie viel Geld kosten. Doch alle drei Projekte verbessern das Straßenbahnangebot.
Zusätzliche Schwierigkeiten bereitet die Energieplanung. In wenigen Wochen liegt das neue Fernwärmekonzept vor und die N-Ergie muss gewaltige Summen für den Ausbau des Fernwärmenetzes aufbringen, um die Klimawende voranzubringen. Da bleibt kein Gewinn mehr übrig, der an die VAG verteilt werden kann.
Das D-Ticket: Statt der erwarteten 15 Millionen wurden es 13,5 Millionen Abos – und die Finanzierung ist nur bis Ende 2025 gesichert. | Foto: © Janine Beck
Millionen fahren, Millionen fehlen
In Nürnberg wird seit Monaten gemunkelt, dass der Haushalt für 2025 gerade noch einmal ausgeglichen werden kann, aber für den Haushalt 2026 gilt das nicht mehr. Was dann kommt ist offen. Im Herbst wurde die VAG vom Stadtrat dazu verpflichtet, Sparvorschläge zu machen. Die kleine Erhöhung des Deutschlandtickets in Nürnberg um ein paar Euro entwickelte sich zu einem theatralischen Schauspiel, das nichts Gutes für die Verhandlungen in diesem Jahr ahnen lässt. Es geht immerhin mindestens um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag, vielleicht sogar dreistelligen Betrag, der durch Einsparungen zusammenkommen muss. Die VAG will selbst ein Einsparvolumen von fünf Millionen zusammenbringen. Das ist natürlich viel zu wenig. Da geht strukturell bestimmt noch etwas mehr. Im Konzern von VAG und N-Ergie muss es irgendwo zu Entlastungen durch KI kommen.
Das Defizit durch das Deutschlandticket wird zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Was können wir uns finanziell leisten und was müssen wir leisten angesichts des selbst verschuldeten Klimawandels? Wo fängt der Zwang an und die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren sinnvolle Vorschläge nicht mehr?
Die 13,5 Millionen Abonnenten des Deutschlandtickets sind auch ein Hinweis, dass nicht die ganze Republik begeistert ist von dem kostengünstigen Angebot. Ein Großteil dieser Ticketnutzer unternimmt zusätzliche Fahrten nur weil das Ticket günstig ist, und das sind dann keine Fahrten mit dem Auto, die wegfallen und sie wirken sich deshalb auch nicht positiv auf das Klima aus. Es sind im Grunde subventionierte Urlaubs- und Freizeitfahrten. Da stehen uns schwierige Diskussionen und Verhandlungen bevor. Einer muss es bezahlen. Umsonst ist das Deutschlandticket nicht.
Seiner Zeit voraus: Das Karmaticket von Paul Blotzki.
Karma statt Krise?
Angesichts dieser finanziellen Herausforderungen werden kreative Lösungen gebraucht – keine ganz neue Situation. Vor zehn Jahren entwickelte unser Illustrator Paul Blotzki das 'Karmaticket': Eine simple Tasche an Haltestellen, in der nicht mehr benötigte Fahrscheine für andere hinterlegt werden konnten. Die Idee war seiner Zeit voraus – und scheiterte an Bedenken, Bürokratie und rechtlichen Vorgaben. Die Fahrkarte sei personengebunden, hieß es damals.
2025 steht der ÖPNV vor ähnlichen Herausforderungen: Die VAG rechnet ab 2026 mit einem Defizit von 120 bis 140 Millionen Euro – fast doppelt so viel wie bislang. Die bewährte Praxis, dass die N-Ergie mit ihren Gewinnen die VAG-Verluste ausgleicht, wird dann nicht mehr funktionieren. Gleichzeitig ist die Finanzierung des Deutschlandtickets durch Bund und Länder nur bis Ende 2025 gesichert.
Was Paul 2015 mit seinem Karmaticket bereits erkannte, bleibt die zentrale Frage: Wie lässt sich Mobilität sozial gestalten? Heute, zehn Jahre später, sucht Nürnberg weiter nach dem Ausgleich zwischen wirtschaftlichem Betrieb und sozialem Anspruch. Die Lösung dieser Gleichung steht aus.
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