Stadion pur statt Sportcampus
Bürgermeister Christian Vogel muss das Stadion-Projekt neu kalkulieren: Statt 290 werden nun 200 Millionen Euro für ein „Stadion pur" veranschlagt. | Illustration: © Paul Blotzki
„Es war ein Fehler, das Vorhaben so aufzublähen.”
Im Juni 2024 schien alles klar zu sein: Die Stadt Nürnberg und der 1. FC Nürnberg wollen an Stelle des Max-Morlock-Stadions ein neues Stadion bauen. Es sollte ein reines Fußballstadion werden. 40.000 Zuschauer sollte es fassen, wenn nur Sitzplätze wie bei Länderspielen zur Verfügung stehen. 50.000 könnten es im Ligaalltag mit Stehplätzen sein.
Die Kosten lagen nach den damaligen Baupreisen bei 290 Millionen Euro. Je 30 Millionen Euro wollten die Stadt und der Club beisteuern. Gesucht wurde zwar noch nach einem Investor, aber der größte Teil des Projekts hätte sich über Mehreinnahmen beim Betrieb des Stadions finanziert.
Das neue Stadion war Teil eines Campus Sport. Das ganze Umfeld des Stadions, so die Planung, hätte die Stadt umgestaltet, was auch dem Breitensport u.a. mit einem kleinen Leichtathletikstadion zu Gute gekommen wäre.
Acht Monate später ist alles anders und es wird nach einer günstigeren Stadion-Variante gesucht. Von der Aufwertung des sportlichen Umfelds ist aktuell nicht mehr die Rede.
Welche Folgen die Neuausrichtung hat, dazu haben wir Bürgermeister Christian Vogel (SPD) befragt. Das Stadion fällt in seinen Zuständigkeitsbereich.
Nxrnberg: Herr Vogel, wenn man es kurz zusammenfasst, dann hat der Club beim Ticketverkauf falsch kalkuliert. Er hatte den Ticketpreis und die Anzahl der verkauften Tickets als zu hoch angesetzt. Bei einer Überprüfung im Winter stellte sich heraus, dass rund 100 Millionen Euro in der Kalkulation fehlen und der Club deshalb weniger Kredite als geplant finanzieren kann. Stimmt das?
Vogel: Auf einen kurzen Nenner gebracht, ja. Die Grundlagen der Machbarkeitsstudie, die wir im Juni 2024 präsentiert haben, hat der 1. FC Nürnberg geliefert. Wir haben mehrfach nachgefragt, ob die Zahlen stimmen.
Jetzt wollten wir Fakten haben und es stellte sich durch ein Gutachten, welches der Club beauftragt hat, heraus, dass die Annahmen, wenn wir höflich sind, zu optimistisch sind.
Die Zahlen mussten nach unten korrigiert werden. Die Wirtschaftlichkeit ist deshalb nach den Ausgaben für das Darlehen nicht mehr gegeben. Das angesprochene Delta bezieht sich auf 30 Jahre.
Wie kann es denn sein, dass man bei der Kalkulation um rund 30 Prozent daneben liegt?
Vogel: Es ist keine Fehlkalkulation. Die Grundannahmen, die nur einer liefern kann, sind falsch. Die Rechenmodelle stimmen alle. Es wurde von einer zu optimistischen Grundaussage ausgegangen.
Sollte das Rechenmodell einfach schön aussehen?
Vogel: Ob Absicht oder unwissentlich, dass lasse ich im Raum stehen. Ich kommentiere das nicht. Wir müssen jetzt gemeinsam mit den Fakten umgehen.
Sie waren im vergangenen Juni sehr euphorisch, dass der Bau eines neuen Stadions gelingt. Sind Sie es noch immer?
Vogel: Ich war nicht euphorisch. Ich war optimistisch. Meinen Optimismus habe ich nicht verloren. Wir haben aber eine schwierigere Ausgangssituation. Mein Optimismus bestand darin, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung uns zeigt, dass wir investieren und den Schuldendienst decken können.
Die neue Berechnung sagt uns aber, dass der Kapitaldienst nicht mehr so möglich ist. Also müssen wir Wege finden, wie der Kapitaldienst wieder möglich ist. Entweder die Ausgangssumme reduzieren, die Einlagen erhöhen oder was auch immer.
Es sollen jetzt mehrere Varianten einer abgespeckten Stadionversion gerechnet werden. Wie groß wird das Fassungsvermögen des Stadions noch sein, 30.000 oder 40.000 oder doch nur 20.000 Zuschauer?
Vogel: Das ist Spekulation. Selbst wenn ich es wüsste, könnte ich es nicht sagen, denn ich bin dafür nicht der Fachmann. Wir haben das oberste Ziel, eine Spielstätte zu schaffen, die den höchsten internationalen Ansprüchen genügt. Die jetzige Planung ist sinnvoll. Wir müssen uns aber fragen, was können wir rausnehmen, dass es günstiger wird.
Zum Beispiel: Wir wollten eine Tiefgarage bauen, die sehr teuer ist, die kann gestrichen werden. Muss es ein Tagungs- und Kongresszentrum geben? Es muss alles überprüft werden, damit die Grundsumme für das Stadion so reduziert wird, dass am Schluss aufgrund der Annahmen ein Kapitaldienst möglich ist.
Bleibt das Stadion bei 40.000 Zuschauern, damit Länderspiele stattfinden können?
Vogel: Das ist das Ziel von allen Beteiligten. Ich kann es letztlich nicht entscheiden. Ich persönlich halte es weiterhin für richtig und sinnvoll bei einem solchem Vorhaben von einer internationalen Spielstätte planerisch auszugehen.
Was bleibt denn von den Umfeldplanungen zum Stadion und von der geplanten Mantelnutzung übrig?
Vogel: Wir haben uns jetzt auf ein Stadion pur Projekt verständigt. Im Fokus ist aktuell nur noch das Stadion. Zusätzliche sportliche Notwendigkeiten wie ein kleines Stadion für die Leichtathletik und eine neue Eisarena müssen über den Sportservice erfolgen. Sie werden zusammen mit dem Stadion nicht weiter in einem Projekt vorangetrieben. Es war ein Fehler, das Vorhaben so aufzublähen.
Auch bei der Mantelnutzung haben wir uns verständigt, Hotel, Tagungsräume und Innovations-Cup ist aktuell in der weiteren Planung nicht mehr vorgesehen. Es bleiben eventuell noch Räume unterhalb der beiden Kopfbauten im Osten und Westen des Stadions übrig, um etwas zu machen. Das wäre aber ein extra Projekt, was nach dem ersten Gutachten wirtschaftlich darstellbar wäre. Gedacht ist zum Beispiel an Praxen. Das wird noch geprüft.
Offen ist auch noch, wie wir mit der vorhandenen Turnhalle im Stadion umgehen. Auch diese kann als extra Projekt noch mit aufgenommen werden. Alles andere der vorhandenen Planungen wurde vorläufig zur Seite gelegt. Das heißt nicht, dass es gestorben ist, aber es wird nicht in Stadion–Projekt mit vorangetrieben, sondern, wenn überhaupt, im regulären Sportentwicklungsplan.
Statt Tiefgarage und Kongresszentrum soll nun ein 'Stadion pur' entstehen. Selbst die geplante Zuschauerkapazität steht auf dem Prüfstand. | Foto: © Janine Beck
Was hat man mit der Turnhalle vor?
Vogel: Die vorhandene Turnhalle ist zu klein. Der Sportservice muss zunächst einmal prüfen, ob Bedarf vorhanden ist und ob der Umbau gefördert werden kann. Wenn beides mit ja beantwortet werden kann, hätte es zweifelsohne einen Charme.
Wie will der Club seine 30 Millionen Euro zusammenbekommen, damit das Stadionprojekt gestartet werden kann?
Vogel: Das ist die Aufgabe des 1. FC Nürnberg. Das weiß ich nicht. Der Club ist optimistisch und dann bin ich es auch.
Auf dem Gelände des Clubs am Valznerweiher sollte eine Bebauung möglich sein, damit durch Grundstücksverkäufe der 1.FC Nürnberg seinen finanziellen Beitrag für den Bau Stadions aufbringen kann. Die CSU hat sogar vorgeschlagen, dass die Stadt einen Teil des Geländes als Vorratsfläche für den Bau einer Schule übernehmen soll.
Vogel: Das war einmal im Gespräch. Dazu gibt es keine Vereinbarung, keine Beschlüsse, nichts. Ich will mich nicht einmischen, aber es ist nicht zu den Akten gelegt, dass der Club einen Teil seines Geländes verkaufen will. Es gibt intensive Gespräche und Überlegungen. Dabei ist der Bürgerverein eingebunden.
Wenn der Club Teile des Geländes abgibt, dann muss er selber auf die Suche nach Ersatzflächen gehen. Das ist kein Teil des Stadionprojekts. Sollte der Club Trainingsflächen im Umfeld des Stadions benötigen, dann würde die Stadt bei der Suche helfen. Nicht beim Bau oder beim Unterhalt.
Dass die Club-Spitze bei der Pressekonferenz der Stadt nicht zugelassen war, verwundert. Kann es sein, dass die Stadt sie nicht dabei haben wollte, weil sie vielleicht der Darstellung der Fehleinschätzung bei der Fehlkalkulation widersprochen hätte?
Vogel: Zunächst nochmals die Klarstellung, es gab keine Pressekonferenz der Stadt Nürnberg. Es war eine Pressekonferenz der Fraktionen von CSU und SPD! Warum der Club nicht eingeladen war, müssen sie die Veranstalter fragen. Aber zu ihrer inhaltlichen Frage. Der Club hätte sicherlich nicht widersprochen, da die Information ja vom Gutachter des 1. FC Nürnberg kommt und nicht von der Stadt.
Wenn andere Städte oder Vereine neue Stadien bauen, dann steigt in der Regel der Zuschauerschnitt um rund 5000 Zuschauer und die Kartenpreise gehen um einige Euro hoch. Hat der 1. FC Nürnberg so optimistisch kalkuliert, dass er vergleichbare Kalkulationen übertroffen hat?
Vogel: Ob der Club zuviel Zuschauer oder zu viel Eintrittsgeld veranschlagt hat, kann ich nicht sagen, ich kann nur sagen, dass es zu optimistisch gerechnet war! Wie gesagt, wir reden von 30 Jahren!
100 Millionen Euro Defizit können sich ganz schnell über die Jahre summieren. Aber nochmals, was der Club gerechnet hat, kann ich nicht sagen.
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