Kongresshalle Interimsbau Nürnberg

Interim in Schale: Während der Sanierung des Opernhauses braucht es eine Ausweichbühne auf höchstem Niveau. | Illustration: © Paul Blotzki

Von der Bühne ins Interim

Das Nürnberger Staatstheater hat zuletzt mit dem Musical „Jesus Christ Superstar“ seinem Programm wieder ein funkelndes Juwel hinzugefügt. Temporeich, voller überraschender Bezüge, mit viel Humor, musikalisch perfekt und in seiner Vielfalt geht es einem nicht mehr aus dem Kopf.

Herodes als Papst mit einem Ballett, das muss ein Opernensemble erst einmal hinbekommen, ohne dass es banal oder aufgesetzt wirkt. Da staunt der Zuschauer atemlos. Das ist kein Klamauk, sondern große Kunst, mit Leichtigkeit das Desinteresse von Kirchenfürsten an zentralen Themen darzustellen.

Selbst die Person Jesus Christus interessiert sie im Grunde nicht. Er stört nur die Abläufe. Wer will, der kann natürlich auch noch andere, tiefergehende Bezüge herausarbeiten. Er muss es aber nicht. Hut ab! Zurecht Standing Ovations!

Dieses Highlight erinnert daran, wie wichtig das Staatstheater für die Stadtgesellschaft ist, wenn das Programme stimmt und es auch niederschwellige Zugänge gibt, wie hier die Musik. Mit „Jesus Christ Superstar“ bekommen alles gesellschaftlichen Gruppen ein spannendes kulturelles Angebot. Sie müssen nur davon auch erfahren. Kritiker, die glauben, dass es der Aufführung an politischer Übersichtlichkeit und historischer Klarheit gefehlt hat, mögen sich einmal darauf einlassen, dass es sich um ein Musical handelt, das nach ästhetischen und emotionalen Maßstäben funktioniert. Gute und kluge Unterhaltung ist Qualität an sich. Allein mit der Deutungshuberei des Höhenkamms ist kein Opernhaus mehr attraktiv. Das kann manchmal schon sehr seicht sein, weil die Abläufe absehbar sind.

“Jesus Christ Superstar” – göttlich inzeniert. | Foto: © Pedro Malinowski

Nürnbergs kulturelle Zukunft im Umbau

Wenn in drei Jahren das Opernhaus nicht mehr zur Verfügung steht, weil es umgebaut und saniert wird, muss deshalb eine Ausweichbühne zur Verfügung stehen, auf der das bisherige Programm umsetzbar und eine Weiterentwicklung möglich ist. Sonst besteht die Gefahr, dass zu viele gute Leute das Ensemble verlassen und in Nürnberg wieder die mühselige Langeweile einzieht. Es würde dann sicherlich auch die Frage aufkommen: Brauchen wir das überhaupt noch, denn die Sanierung wird sehr teuer?

Ja, wir brauchen ein sehr gutes Interim, damit die künstlerische Qualität in der Umbauphase erhalten bleibt. Während noch vor zwei Jahren die Gestaltung und Platzierung der Interims heftig umstritten waren, ist es inzwischen sehr ruhig geworden. Die Diskussion konzentrierte sich damals darauf, ob es angesichts des Denkmalschutzes legitim ist, an die Kongresshalle ein Opernhausinterim anzubauen, damit der NS-Bau künstlerisch genutzt werden kann. Etwas verlegen wurden argumentative Brücken gebaut, dass es geht. Nur muss das Interim formal ein Interim bleiben und möglichst wieder abgerissen werden. Was natürlich Blödsinn wäre.

Wenn die öffentliche Hand 200 bis 300 Millionen Euro investiert, dann darf ein Veranstaltungssaal nicht mehr abgerissen werden. Das wäre Verschwendung. Es geht hier nicht um ein Zelt oder eine Behelfshütte: Der Interimsbau ist deshalb nur dem Namen nach ein Interim, der seine Funktion für die Oper in den nächsten Jahren beschreibt. Baulich muss er die gleichen Standards wie ein neuer Veranstaltungssaal erfüllen.

Dass er wieder abgerissen wird, käme einem Schildbürgerstreich gleich. Wenn die Sanierungsphase des Opernhauses abgeschlossen ist und die große Bühne wieder zur Verfügung steht, dann wird das Interim ein Veranstaltungssaal ohne den Zusatz “Interim”.

Wie steht es derzeit um das Interim?

Das Interim in der Kongresshalle – wird es so aussehen? Der Auftrag für den Ergänzungsbau wird in einem europaweiten Vergabeverfahren erteilt. | Quelle: © gmp Architekten

Offenbar haben vier Unternehmen zusammen mit Architekten Vorschläge und Pläne für ein Interim eingereicht, die derzeit auf ihre Umsetzbarkeit und Kosten untersucht werden. Es laufen Vorprüfungen und Entwurfsplanungen, was in den insgesamt 16 Sektoren gemacht werden muss, um den Torso der Kongresshallen für das Staatstheater und andere kulturelle Akteure – neudeutsch kulturelle Ermöglichungsräume – nutzen zu können. Die Räume müssen funktionieren, dürfe aber nicht zu aufwendig ausgestattet werden. Welche Fördergelder gibt es und wer soll noch alles einziehen? Genannt sei nur der Verband der Schausteller.

Die Verhandlungen mit Bietern und beteiligten Firmen sind nicht einfach, denn die veranschlagten 220 Millionen Euro für den Umbau zum Opernhausinterim reichen nicht. Derzeit liegt man bei rund 300 Millionen Euro. „Wir müssen sparen, sparen, sparen“, hat Kulturbürgermeisterin Julia Lehner als Devise ausgegeben.

Wie es heißt, habe es bei Angeboten zu einzelnen Gewerken von den Kosten her eine Punktlandung gegeben, bei anderen wurde es teurer. Es wird auch am Finanzierungskonzept gebastelt, welche Schulter der öffentlichen Hand wie viel tragen kann.

 
 
In der Kongresshalle entsteht ein einzigartiger Kulturort, der Aspekte der Erinnerungskultur und der Künste aller Sparten aufs Engste miteinander verbindet und weit über Nürnberg hinausweist. Die enge Verzahnung des Staatstheaters Nürnberg mit der künstlerischen Arbeit in den Ermöglichungsräumen eröffnet die Chance, die Entwicklung einer zukunftsgerichteten Erinnerungskultur mit den Mitteln von Kunst und Kultur zu initiieren.
— Bürgermeisterin Prof. Dr. Julia Lehner
 
 

Immerhin geht die Stadt derzeit von einer Spielstätte für 800 Besucher aus. Es sollte auch schon einmal ein Miniinterim mit 660 Plätzen betrieben werden, was eine Halbierung der derzeitigen Kapazität des Opernhauses wäre. Zu klein zum Überleben, zu groß zum Sterben.

Ende Juli will die Stadt mit einem Konzept und einen Vorschlag an die Öffentlichkeit gehen und eine Entscheidung treffen, wie das Interim aussehen wird und wer den Zuschlag erhalten soll. Hoffentlich ist das Verfahren transparent, was, warum und wie gemacht werden soll.

Das Wichtigste an dem Bau des Interims und der anschließenden Sanierung des Opernhauses ist, dass die Stadtgesellschaft mitgeht und erkennt: „Das ist ein kulturelles Haus für uns und mit uns und wir sind überzeugt, das ist für Nürnberg gut so.“ Da sind wir aber noch ein Stück weit davon entfernt.

 
 
Baustelle Kongesshalle Nuernberg

Baustelle im Innenhof der Kongresshalle | Foto: © Janine Beck

Meilensteine

  • 3. Quartal 2023: Schadstoffentfrachtung des Dachs des Kongresshallen-Rundbaus

  • Winter 2023/2024: Vergabeentscheidung für den Ergänzungsbau soll getroffen werden

  • Baubeginn: 2. Quartal 2025

  • Jahreswechsel 2026/27: bauliche Fertigstellung des Gebäudes

 

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Quellen: Stadt Nürnberg • Staatstheater Nürnberg • gmp Architekten

 
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