Union, SPD und Grüne einigen sich auf Finanzpaket
CDU-Chef Friedrich Merz gibt die Richtung vor: „Whatever it takes” | Illustration: © Paul Blotzki
1000 Milliarden gegen die Angst
Geld, Geld, immer wieder Geld. Die sich anbahnende Große Koalition hat den finanziellen Notstand entdeckt und greift der Zukunft voraus: 500 Milliarden Euro sollen zusätzlich in die Bundeswehr gesteckt werden und 500 Milliarden Euro in die Modernisierung der Infrastruktur des Landes, sprich Brücken, Schienen, Schulen und was einem noch so zusätzlich einfällt.
Das Wort zusätzlich ist hier besonders wichtig, denn es sollen Projekte sein, die mit den bisherigen Etats von Bund und Ländern nicht finanziert werden können. Das ist deshalb entscheidend, weil damit der Druck, weiter zu sparen, nicht von den Schultern der Politikerinnen und Politiker genommen werden soll. Aber wer wird das am Ende überprüfen, wohin das Geld aus den Sondertöpfen fließt, wenn sie denn eine Mehrheit im Bundestag finden?
Schauen wir uns das Vorgehen von Union und SPD einmal genauer an. Die plötzliche Aufrüstung der Bundeswehr, die natürlich notwendig ist angesichts des russischen Großmachtstrebens, wird mit dem radikalen Liebesentzug der USA begründet. Wenn man es nicht schon gewusst hätte, wird dabei auf den würdelosen Umgang von US-Präsident Donald Trump mit dem ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenski verwiesen. Der Verweis lässt einen an der verteidigungspolitischen Kompetenz von Politikern massiv zweifeln, weil die Distanznahme der Amerikaner gegenüber Europa sich schon seit Jahren anbahnt. Es wurde verdrängt und nichts gemacht.
Zu wenig zu spät – Die Kosten jahrelanger Verdrängung
Die Aufforderung von den USA, nicht nur von Trump, dass die EU mehr für die eigene Sicherheit tun muss, ist schon fast ein Running Gag auf Nato-Tagungen gewesen. Jetzt muss der arme Selenskyi zur Begründung herhalten, dass Europa in Gang kommt, um wehrfähig zu werden.
Was für eine Blamage! Was für ein langjähriges Wegsehen! Was für eine Naivität! Es hat so viele Ereignisse gegeben, das eigene Verhalten angesichts des russischen Imperialismus zu korrigieren: 2007/2008 Krieg in Georgien und Tschetschenien, 2014 Überfall auf die Krim und dann das schon mehrere Jahre dauernde Einmischen Russlands im Osten der Ukraine. Russland will seine 1990 verloren gegangenen Einflusszonen mit Gewalt und einer aufgeblasenen Ideologie wieder zurückholen. Das hatte der russische Präsident Wladimir Putin schon in den Nuller Jahren angekündigt. US-Präsident Barack Obama hatte nichts Besseres zu tun, als über die angebliche „Regionalmacht“ Russland hochmütig und abschätzig zu reden.
Geradezu untergrottisch war angesichts des russischen Imperialismus die von den Grünen dominierte Debatte in Deutschland vor der Bundestagswahl 2021 über Drohnen. Weil keine Wertediskussion stattfinden konnte, sollten Drohnen in Deutschland einfach erst einmal ignoriert werden: Russland führt inzwischen mit Drohnen einen bestialischen Krieg gegen die Zivilbevölkerung und hat nicht auf eine deutsche Wertedebatte gewartet. Zur Kommunikation braucht es immer zwei Seiten. Wenn eine Seite handelt und auf Absprachen verzichtet, dann ist sie immer im Vorteil. Erst jetzt hat ein Umdenken in Deutschland begonnen. Es fehlte lange die Einsicht, die eigenen Erkenntnisse auch umzusetzen oder sie zumindest einmal zu diskutieren. Der wirtschaftliche Reichtum hat bequem gemacht, aber er sichert keine Grenzen.
Wehrhafte Demokratie kostet mehr als nur Worte
Durch den Rückbau der Bundeswehr seit 2011 haben die jeweiligen Bundesregierungen viel gespart, weil sie nicht mehr so viel Geld wie im Kalten Krieg für die Verteidigung ausgeben mussten. Wo diese sogenannte Friedensdividende geblieben ist, wissen wohl nur die Insider im Finanzministerium. Es war bequem, in den vergangenen 15 Jahren bei Problemen stets viel Geld zur Verfügung zu haben. Da konnten Sollbruchstellen in der EU zugekleistert werden. Das ist vorbei. Diese Friedensdividende hätte der Staat natürlich auch in die marode Infrastruktur oder in den Ausbau von moderner Glasfasertechnik stecken können. Da muss jetzt – ja, es muss – ein mit Schulden finanziertes Sondervermögen her.
Die Milliarden fliegen uns nur so um die Ohren. Dabei wird von den „Normalbürgern“, die Angst um ihr Erspartes haben, übersehen, dass das Geld in jährlichen Raten ausgegeben wird. 50 Milliarden im Jahr, die dann für Investitionen zur Verfügung stehen, müssten bei sparsamem Wirtschaften für Deutschland zusätzlich zu erwirtschaften sein. Auch wenn noch einmal 50 Milliarden für die Bundeswehr hinzukommen. Wenn das Geld geballt ausgegeben würde, dann käme es nur zu einer Pseudokonjunktur mit hoher Inflation. Die Bau- und Sanierungsfirmen könnten praktisch beliebige Summen in Rechnung stellen.
Ein Wünsch-dir-was für Nürnberg und andere Kommunen wird es nicht geben – dafür ist die Summe zu klein. | Foto: © Janine Beck
Bekommt Nürnberg bald 680 Millionen?
Wenn dieser mit Schulden finanzierte Geldsegen auf Kommunen, Länder und auch auf den Bund hinabrauscht, dann wird es allerdings sehr übersichtlich zugehen. Ein Wünsch-dir-was, wie manche Beobachter kritisieren, wird es nicht geben. Dafür ist die Summe zu klein. Auf Nürnberg runtergebrochen läge der Anteil der Stadt beim Strukturpaket bei 680 Millionen Euro, wenn 545.000 Einwohner als Maßstab zugrunde gelegt werden. Das hat Oberbürgermeister Marcus König einmal ausgerechnet. Das wären zusätzlich 68 Millionen Euro pro Jahr, die Nürnberg investieren könnte.
Doch wir leben nicht im kommunalen Paradies. Von den theoretischen 680 Millionen Euro wird das Land noch etliche Großprojekte abziehen und der Bund wird die Fördertöpfe für die Energiewende kräftig befüllen. Sonst werden die Grünen nicht zustimmen und es gibt keine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
Wenn Nürnberg Glück hat, dann bleiben vielleicht 30 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Der Bau des jüngsten Gymnasiums hat 200 Millionen Euro gekostet. Daran erkennt man, wie hoch die Fallhöhe zwischen dem vermeintlichen Geldsegen und dem Preis ist, den die Dinge kosten. Davon einmal abgesehen, dass erst noch Firmen gefunden werden, die Kapazitäten haben, wenn es ums Bauen geht.
Dass in dieser aktuellen Kolumne nur Union, SPD und Grüne angesprochen werden, hat damit zu tun, dass Parteien, die immer noch auf die Friedensliebe Russlands setzen, nicht mehr ernst genommen werden können. Die drei genannten Parteien haben in den vergangenen Jahren viele Fehler gemacht und verhalten sich derzeit leider nicht selbstreflexiv, was ihre Einstellungen anbelangt, aber sie ziehen immerhin Konsequenzen, wenn auch ziemlich spät, aber leider auch nicht grundlegend.
Mehr Artikel
Deutschland hat gewählt
2. März 2025 – In Nürnberg teilen sich SPD und AfD ein Ergebnis: 15,5 Prozent der Stimmen. Was bedeutet das für die Stadtentwicklung?
Deutschlandticket: Nichts ist umsonst
16. Februar 2025 – Während das Deutschlandticket die Fahrgastzahlen nach oben treibt, bröckeln Gleise und Finanzen.
Ein Jahr vor der Kommunalwahl
12. Januar 2025 – SPD-Chef Nasser Ahmed will Oberbürgermeister werden – die Sozialreferentin Elisabeth Ries aber auch.