Geduld bringt Blumen
Nürnbergs grüne Zukunft: Der Masterplan Freiraum für mehr Lebensqualität in der Stadt. | Foto: © Janine Beck
Masterplan Freiraum: Erste Blüten in der Stadt
Gut Ding braucht Weile. Ein ambivalenter Spruch, der zum einen begründet, warum solide und durchdachte Arbeiten auch etwas länger dauern können. Er ist natürlich auch eine billige Entschuldigung für diejenigen, die bei der Arbeit trödeln und trotzdem nicht immer gute Ergebnisse abliefern. Langsamkeit garantiert noch lange keine gute Arbeit.
Im Juni 2020 haben sich die Stadträte in Nürnberg darauf geeinigt, dass es keinen isolierten Bürgerentscheid zum Radfahren geben soll, sondern dass im Rahmen eines Masterplans die Mobilitätswende insgesamt in der Stadt vorangebracht wird. Neben Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr sollte es auch um Fußgänger und natürlich um Radfahrer gehen. Außerdem sollte die Stadtverwaltung bis 2035 klimaneutral organisiert und der Ausstoß klimaschädlicher Gase um 60 Prozent verringert werden. Am 27. Januar 2021 wurde das Papier unterzeichnet. Ein weiteres Ziel war, mehr Lebensqualität für alle langfristig zu schaffen: Mehr Grünflächen, mehr Bäume, Gehwege sollten nicht mehr von Autos zugestellt und das ÖPNV-Angebot sollte verbessert werden.
Papier ist geduldig, noch so eine Allerweltsweisheit. Doch wer genauer hinschaut, sieht, dass in den vergangenen vier Jahren tatsächlich etwas verbessert wurde. Die Taktzeiten von Bussen und Bahnen verringerte die VAG von 10-30-60 Minuten auf 5-10-20 Minuten. Mit den Linien 10 und 11 wurden zwei neue Straßenbahnlinien gestartet und es gab Buslinien, die mehr Haltestellen durchgängig miteinander verbanden. Die Einführung des Deutschlandtickets und das bessere Angebot haben dazu geführt, dass die Nutzerzahlen vor allem bei den U-Bahnen tatsächlich um acht Prozent angestiegen sind. Der gesamte ÖPNV-Verkehr legte zu. Das macht sich an der verbesserten Luftqualität bemerkbar.
Der Modal Split, der Auskunft gibt, wie groß der Anteil der einzelnen Verkehrsträger am gesamten Verkehrsaufkommen ist, hat sich deutlich zugunsten von Fußgängern, Radfahrern und Öffentlichem Personennahverkehr verschoben. Der Anteil des Autoverkehrs ging von 68 auf 61 Prozent gegenüber dem Umweltverbund zurück. Dieses Ziel war eigentlich erst für 2030 angepeilt. Je früher, desto besser.
Atempausen für die Stadtlandschaft
Nach einer Zusammenstellung des Verkehrsplanungsamts gab es auch erhebliche Fortschritte bei der Entsiegelung von Flächen: Nägeleinsplatz, Pocketparks Nonnengasse und Peststadel, in der Luitpoldstraße, im Heugäßchen und am Hallplatz wurden neue Bäume gepflanzt. Als Nächstes kommt der Obstmarkt mit einer umfangreichen Aufwertung an die Reihe und bis zur Landesgartenschau, die 2030 stattfindet, wird es innerhalb des Rings noch deutlich mehr Grün geben. Ja, gut Ding will Weile haben und es geht nur langsam im Schneckentempo voran, aber es geht voran. Auch wenn es beim Obstmarkt mehr als zehn Jahre von der Planung bis zur Umsetzung gedauert hat und mit den Pocketparks eher kleine Flächen aufgewertet werden, sind diese Veränderungen wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Langsam in die richtige Spur
Das Thema Radwege ist ebenfalls ein Langzeitprojekt. Ziel der Mobilitätswende ist es, dass 80 Prozent der Nürnberger in ihrer Nähe Zugang zum Radwegenetz haben. In den vergangenen Jahren wurden etliche Lückenschlüsse geschaffen: 700 Meter am Wöhrder Talübergang, in der Bahnhofstraße 370 Meter, in der Sandreuthstraße 450 Meter und in der Bayreuther Straße waren es 1060 Meter. In der Zollhausstraße, der Brettergartenstraße und in der Gebersdorfer Straße sind es zusammen fast zwei Kilometer. Ja, das ist langsam, wenn man bis 2030 150 Kilometer an Radvorrangsrouten umsetzen will. Dass der Prozess langsam voranschreitet, hat mehrere Gründe: Mal gibt es keine Straßenbaufirma, die kleine Aufträge ausführt, mal müssen Parkplätze weichen, was zu erheblichem Widerstand seitens der Autofahrer führt, oder es fehlt an Geld. Bei aller Kritik sollte man berücksichtigen, dass die Fläche innerhalb des Altstadtrings grundsätzlich eine Tempo-30-Zone ist. Laut Straßenverkehrsordnung darf dann keine eigene Radverkehrsinfrastruktur angelegt werden. Tempo-30 würde schon allein mehr Sicherheit für Radfahrer bedeuten. Nur halten sich nicht alle daran.
Platz für Grün in der Voltastraße in Steinbühl. | Foto: © Janine Beck
Die Parkplatz-Emotionen
Widerstand gibt es aber nicht nur bei der Anlage von Radwegen, sondern auch beim Entsiegeln von Parkplätzen für mehr Grün und für mehr Bäume. Zuletzt hat es einen Aufstand von Autobesitzern im Nibelungenviertel und in Wöhrd gegeben, weil Parkflächen wegfallen sollten. Alles geht eben nicht. Mehr Grün braucht Platz. Da muss dann schon die eigene Garage wieder genutzt werden oder aber ein Parkplatz in einem Parkhaus gemietet werden. Etwas über 30 Euro für einen Anwohnerparkplatz im Monat ist natürlich sehr günstig, eher zu günstig. Doch einen höheren Betrag lässt der Freistaat nicht zu. Insgesamt gibt es 52.800 Anwohnerparkplätze in den Bewohnerparkgebieten Nürnbergs. Die Stadt hat zwar 2022 alle öffentlichen Parkplätze in der Innenstadt kostenpflichtig gemacht. Doch die steuernde Wirkung ist angesichts der niedrigen Parkpreise eher gering. Das Auto bleibt das liebste Kind, auch wenn weniger gefahren wird. Im vergangenen Sommer wurden 483.434 Autofahrten innerhalb von 16 Stunden gezählt. Vor Corona lag die Zahl der Autofahrten zwischen 555.000 und 600.000. Die Verringerung zeigt, dass doch ein gewisses Umdenken begonnen hat und das Auto bewusster eingesetzt wird.
Verkehrsplaner Harald Kipke von der Ohm-Hochschule hat in einer Diskussionsveranstaltung des Planungs- und Baureferats darauf aufmerksam gemacht, dass eine grundsätzliche Verhaltensänderung weg vom Auto hin zur ÖPNV-Nutzung, zum Radfahren oder zum Zufußgehen nur über den Preis ausgelöst wird, sonst bleibt es bei den überkommenen Gewohnheiten. Es gibt in Wien und in einigen skandinavischen Städten Vorbilder, wie man das Auto zurückdrängt. Zentral dabei ist, dass Parken erheblich teurer wurde. Dann wird die Macht der Gewohnheit durch teure Preise ausgehebelt.
Superblock oder auch Superilles in Barcelona: Neuordnung des öffentlichen Raums, Verkehrsberuhigung und neue Nutzungskonzepte. | Quelle: © Ajuntament de Barcelona
Barcelona als Blaupause
Das geht aber nur, wenn man keinen Kleinkrieg anzetteln will, auf der Basis eines übergeordneten politischen Konsenses, der unabhängig von Wahlergebnissen ist. Ein Beispiel: Barcelona hat es geschafft. In den achtziger Jahren war Barcelona noch ein hässliches Entlein, das keiner besuchen wollte. Heute ist es eine bei Touristen begehrte Stadt. So viel Ehrlichkeit muss aber sein: Es wurden sehr viele Tunnels gebaut, um den Verkehr aus den Vierteln, die heute verkehrsberuhigt sind, herauszuziehen.
Da steht Nürnberg noch eine intensive Lernphase bevor. Gut Ding braucht Weile, aber auch politische Anschubkräfte, die mit guten Argumenten überzeugen.
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