Deutsche und ihre Bäume: Es ist kompliziert

 

Der Reichswald: erster und ältester Kunstforst der Welt. | Foto: © Janine Beck

 
 

Waldmeister mit Nadeln im Gepäck

Deutsche haben ein besonders positives Verhältnis zu Bäumen. Während es in anderen Ländern wie England und Spanien versäumt wurde, abgeholzte Bäume wieder aufzuforsten, haben die Nürnberger mit dem Reichswald ein besonders gutes Beispiel für Waldpflege direkt vor der Haustür: Schon in der Renaissance wurde begonnen, neuen Wald anzulegen und ihn zu schützen. Der Schwarzwald ist im Übrigen ein weiteres Beispiel für einen gut gepflegten, nachgewachsenen Wald.

Reichswald wie Schwarzwald wurden leider durch Nadelbäume ersetzt und nicht durch die ursprünglich vorhandenen Eichen, Buchen oder anderen Laubbäume. Derzeit werden die stacheligen Monokulturen nach und nach durch einen Mischwald ersetzt, der den Klimawandel besser aushält. Das wird aber dauern.

Holz war und ist ein begehrter Baustoff für Schiffe, Häuser und Grubenkonstruktionen. Es wurde für die Eisenherstellung, für die Papierherstellung und für warme Stuben in rauen Mengen benötigt. Erst nach und nach entwickelte sich das Bewusstsein, dass ein Baum, wenn er gefällt ist, nicht leicht ersetzt werden kann. Er benötigt Jahrzehnte, bis er wieder zu voller Größe nachgewachsen ist.

Seit 40 Jahren wird in Deutschland heftig gestritten, dass zu viele Bäume angesichts des Klimawandels abgeholzt werden. Jeder einzelne Baum, der in Gefahr ist, abgesägt zu werden, wird zu einem Menetekel des Klimawandels hochstilisiert. Bäume sind aber eines der wenigen Themen, die von Konservativen wie Modernisten generationsübergreifend geschätzt werden. Bei Waldfrevel ist die gesellschaftliche Empörung insgesamt groß.

Bäume sind inzwischen in Deutschland zu einem Allheilmittel geworden. Angefangen vom Waldbaden, vom Umarmen der Bäume, das auch im Rahmen von Gottesdiensten geschieht, bis hin zu kühlenden Schneisen für die zu warmen Städte. Bäume sollen wesentlich zum Wohlbefinden der Menschen beitragen. Deutschland ist ein Land von Spaziergängern und Wanderern, die den Wald genießen wollen. Auch an die Fähigkeit von Bäumen, CO₂ zu speichern, wird in Zeiten des Klimawandels ständig erinnert.

Bäume im Stadtgeflecht

Leider spielen die Ästhetik des Waldes und die von schönen Bäumen inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle. Jede Baumruine, jede verlotterte Brache wird benutzt, um eine Weiterentwicklung zu verhindern. Es wird darüber vergessen, dass es einen ursprünglichen Wald in Europa nicht mehr gibt. Es sind alles von Menschen angelegte Wälder. Wenn er einer wichtigen Nutzung entgegensteht und nachgepflanzt wird, dann sollte auch einmal ein Baum gefällt werden dürfen.

Zu den bislang schon bekannten Nutzungen kommt noch der Klimawandel mit seinen hohen Temperaturen hinzu, denn Bäume sollen verstärkt als Schattenspender genutzt werden. Das ist natürlich sinnvoll, aber mit Baumpflanzungen in der Innenstadt Nürnbergs werden die steigenden Temperaturen nicht gebremst und es gibt auch kaum mehr Schatten.

Mobiles Grün auf dem Hauptmarkt: Seit Juli 2022 soll es im Zentrum des Wochenmarkts für mehr Aufenthaltsqualität sorgen. | Foto: © Janine Beck

Hauptmarkt sucht Schatten

CSU und Grüne haben die Idee, dass auf dem Hauptmarkt Bäume gepflanzt werden sollen, um die Aufenthaltsqualität des Platzes bei hohen Temperaturen zu verbessern. Angesichts der vielen Gewerke, die im Boden liegen, und der zahlreichen Veranstaltungen das ganze Jahr über dürfte die Umsetzung sehr schwierig werden. Warum müssen auch die Blicke zur Burg, zum Rathaus, zum Fembo-Haus und zur Frauenkirche zugestellt werden?

Die Menschen werden sich an den Temperaturanstieg gewöhnen und anpassen müssen. Das haben Italiener, Griechen, Spanier und Portugiesen, aber auch Südfranzosen vor einigen Jahrhunderten schon hinter sich gebracht. Sie haben das in Rom, Florenz oder Siena nicht mit Pflanzungen von Bäumen vor ihren Palästen oder auf ihren Plätzen gemacht: Sie haben dichter gebaut, damit sich die einzelnen Gebäude nicht so stark erwärmen. Die Crux der modernen westlichen Stadt ist, dass sie sehr weitläufig angelegt wurde und auf Sonnenstände und Schatten wenig Rücksicht genommen wurde. Im Gegenteil, bei aktuellen Bebauungsplänen wird darauf geachtet, dass möglichst viel Sonne durch die Fenster kommt, damit die Räume viel Tageslicht haben. Das bedeutet aber auch, dass sie mehr Wärme abbekommen. Hier helfen keine Bäume, sondern nur gute Architektur.

Siziliens historische Bauweise als Alternative

Wer aus der Baugeschichte Anregungen benötigt, wie wir mit höheren Temperaturen im Alltag auskommen können, dem hilft auch ein Blick nach Sizilien. Die historischen Räume in sizilianischen Häusern sind etwas höher gebaut und so angelegt, dass Winde zirkulieren können. Hitzestaus werden auf diese Weise vermieden. Es gibt demnach auch bauliche Alternativen zur elektrischen Klimaanlage.

Wohngebäude und Außenbereiche in Städten sind natürlich unterschiedliche Dinge. Aber in beiden Fällen können wir lernen, was Menschen früher gegen die Hitze unternommen haben. Bäume sind ganz wichtig, aber müssen sie qualitätsvolle historische Gebäude zustellen, um einen Mini-Schatten zu spenden, der wenig hilft?

Wer dafür ist, einmal einen Baum abzusägen, der einem sinnvollen Vorhaben entgegensteht, und nicht überall, wo es möglich ist, aus ästhetischen Gründen keinen Baum pflanzen will, der ist nicht grundsätzlich gegen Bäume.

Grüne Fassaden in Johannis. | Foto: © Janine Beck

Vertikale Gärten statt Bäume

Dass es sehr heiß ist an manchen Tagen, ist unbestritten, aber wir müssen auch lernen, dass man eben nicht bei Temperaturspitzen den Salat auf dem Hauptmarkt kaufen sollte. Wir werden unser Verhalten in vielen Bereichen ändern müssen, um mit dem Klimawandel zurecht zu kommen. In Südeuropa sieht man mittags auf den Plätzen kaum Einheimische. Um der Hitze zu entkommen, ziehen sie sich zurück. Es ist sinnlos und teuer, auf dem Hauptmarkt in Nürnberg Bäume zu pflanzen. Da helfen nur Sonnenschirme mit Cafés.

  • Das Grundprinzip

    Alles Wichtige für den täglichen Bedarf ist innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar.

    Dezentrale Struktur

    • Statt einer dominanten Innenstadt: mehrere vernetzte Stadtteilzentren

    • Jeder Stadtteil funktioniert wie eine "Stadt in der Stadt"

    Lokale Versorgung in jedem Stadtteil

    • Geschäfte für den täglichen Bedarf

    • Medizinische Versorgung

    • Freizeiteinrichtungen

    • Kulturelle Angebote

    Soziale Aspekte

    • Schaffung lebendiger Nachbarschaften

    • Attraktive Begegnungsräume

    • Kurze Wege fördern persönliche Kontakte

    • Bessere Work-Life-Balance durch reduzierte Pendelzeiten

    Klimavorteile

    • Reduzierung des motorisierten Verkehrs

    • Weniger Abgase und Luftverschmutzung

    • Verringerung der städtischen Hitzeentwicklung

    • Mehr Raum für Grünflächen

  • Holzbau: Nachhaltig bauen, CO₂ speichern

    Moderne Holzbauweise ist ein echter Klimaschützer: Das Material speichert CO₂ über Jahrzehnte und ersetzt energieintensive Baustoffe wie Beton. Auch andere naturbasierte Materialien wie Hanf oder Stroh können als Dämmung verwendet werden und binden zusätzlich CO₂.

    Kompakt und effizient bauen

    Je kompakter ein Gebäude, desto weniger Energie verliert es. Durch geschickte Planung entstehen trotzdem großzügige Wohnräume. Moderne Dämmsysteme und durchdachte Grundrisse sorgen dafür, dass kaum noch geheizt oder gekühlt werden muss.

    Kluge Fassaden für jede Jahreszeit

    • Begrünte Wände kühlen im Sommer natürlich

    • Automatische Beschattungssysteme, die sich dem Sonnenstand anpassen

    • Spezielle Beschichtungen reflektieren Sonnenstrahlen im Sommer

    • Wintergärten nutzen die Sonnenwärme in der kalten Jahreszeit

    Wetterfest durch moderne Technik

    Gebäude müssen heute extremen Wetterlagen standhalten:

    • Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung

    • Regenwassermanagement für Trockenzeiten

    • Hochwasserschutz in gefährdeten Gebieten

    • Notstromsysteme für Extremwetterlagen

  • Grüne Schneisen als natürliche Klimaanlagen

    Zwischen den Stadtteilen sorgen breite Grünflächen für Abkühlung. Wie riesige natürliche Klimaanlagen erzeugen sie kühle Luft und speichern Feuchtigkeit. Parks, Wiesen und kleine Wälder bilden ein Netzwerk, das die gesamte Stadt durchzieht und die Temperaturen spürbar senkt.

    Frischluftkorridore clever nutzen

    Die Stadt muss atmen können:

    • Breite Straßen und Grünachsen lenken kühle Luft aus dem Umland in die Stadt

    • Gebäude werden so ausgerichtet, dass sie die Luftströme nicht blockieren

    • Nachts kann kühlere Luft ungehindert in aufgeheizte Stadtgebiete fließen

    • Hanglagen werden genutzt, um natürliche Luftbewegungen zu verstärken

    Die Stadt als Schwamm

    Das Prinzip Schwammstadt macht Städte fit für Starkregen und Trockenheit:

    • Regenwasser wird vor Ort gespeichert statt abgeleitet

    • Unterirdische Speicher sammeln Wasser für Trockenzeiten

    • Pflanzen werden natürlich bewässert

    • Grundwasser wird neu gebildet

    Kleine Oasen, große Wirkung

    Überall, wo möglich, entstehen neue Mikroklima-Zonen:

    • Versiegelte Flächen werden zu grünen Inseln

    • Innenhöfe verwandeln sich in kühle Gärten

    • Kleine Wasserflächen sorgen für Verdunstungskühle

    • Schattige Plätze laden zum Verweilen ein

    Diese Maßnahmen wirken zusammen wie ein natürliches Klimasystem. Sie machen Städte nicht nur kühler und angenehmer, sondern auch widerstandsfähiger gegen Wetterextreme.

  • Stadt und Umland planen gemeinsam für besseres Klima

    Verschiedene Ämter arbeiten von Anfang an zusammen

    Klimaschutz wird bei allen Bauvorhaben von Beginn an mitgedacht

    Historisches Stadtbild und Klimaschutz in Balance bringen

    Zusammenarbeit von Behörden

Der Klimaschutz in Städten erfordert mehr als nur Bäume. Gewiss, Baumpflanzungen sind wichtig – aber sie allein lösen unsere Probleme nicht. Moderne Städte brauchen ein durchdachtes Konzept: begrünte Fassaden, kluge Wasserspeicherung nach dem Schwammstadt-Prinzip, technische Beschattungslösungen und eine Stadtplanung, die das Mikroklima berücksichtigt. Dabei gilt es, sorgsam abzuwägen. Nicht weil wir die Klimakrise kleinreden, sondern weil wir Lösungen brauchen, die unsere Städte lebenswert erhalten. Manchmal bedeutet das auch: Ein Baum ist nicht immer die beste Antwort – selbst wenn er dem Klimaschutz dient.

Quellen: © Leitlinien des Umweltbundesamtes und des Deutschen Instituts für Urbanistik und Umweltbundesamt, Forschungsbericht "Klimaorientierte Stadtentwicklung" (2024)

 

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