Plauderbank am Sebalder Platz: Babbeln gegen Einsamkeit

 
Leere Holzbank unter großen grünen Platanenbäumen auf gepflastertem Platz vor gelbem Gebäude in Nürnbergs Altstadt

Plauderbank am Sebalder Platz: Bereit für Gespräche unter Platanen. | Foto: © Janine Beck

 
 

Das Handy Paradox: Vernetzt und doch allein

Zwischen drei und fünf Stunden nutzt jeder Deutsche pro Tag das Handy. Durchschnittlich schauen die Millennials, das sind diejenigen, die zwischen 1980 und 2000 geboren sind, 100 mal pro Tag auf ihr Handy. 20 Millionen solcher „Wischkästle“ werden pro Jahr verkauft. Solche Kommunikationsgeräte werden im Durchschnitt nur 2,5 Jahre alt. Es wird demnach viel digital geredet.

Einen Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten kann demnach niemand behaupten. Parallel dazu wächst die Einsamkeit. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2024 wächst aber parallel zur suchtähnlichen Nutzung von mobilen Telefonen die Einsamkeit. 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sie unter Einsamkeit leiden. Das sind 22 Prozent mehr als noch vor 20 Jahren. Zwischen 43 und 65 Jahren ist die Einsamkeit am größten. Frauen leiden mehr unter Einsamkeit als Männer. Es sind auch jüngere Generationen betroffen.

Nun könnte man beginnen, Umfragen und Statistiken einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und über Begriffsdefinitionen zu Einsamkeit zu streiten. Hier geht es aber nicht um eine wissenschaftliche Analyse, sondern darum, eine Entwicklung zu beschreiben.

Gemeinsam einsam: Drei Menschen, zwei Welten auf benachbarten Bänken. | Foto: © Janine Beck

Dänemarks Vorbild: Nationale Allianz gegen Vereinsamung

In Dänemark ist das Problem „Einsamkeit“ schon so groß, dass sich 115 Gruppen und Einrichtungen zusammengetan haben. Sie gründeten eine „nationale Partnerschaft gegen Einsamkeit“, um mit 75 Initiativen den 600.000 Däninnen und Dänen, die unter Einsamkeit leiden, zu helfen. Noch vor wenigen Jahren waren es erst 380.000.

Es sind paradoxe Trends, dass immer mehr telefoniert und digital geschrieben wird, und die Menschen parallel dazu unter Einsamkeit leiden. Offenbar hat der direkte personenbezogene Austausch doch mehr Qualitäten als der digitale.

Einsamkeit ist keine Lappalie, sondern Auslöser zahlreicher Herz-Kreislauf-Krankheiten. Einsamkeit sorgt dafür, dass die Betroffenen weniger belastbar sind und ständig unter Stress stehen. Einsamkeit sorgt für ein Unwohlsein, das auch zu einer Depression führen kann.

Standort: Sebalder Platz, Nordseite der SebalduskircheZugänglich: Rund um die Uhr • Erkennbar an dem Schild: Plauderbank. | Quelle: © André Fischer, Google Maps

Happy to Chat: Plausch unter Platanen

In Nürnberg gibt es mehrere Selbsthilfegruppen, die helfen, wenn jemand unter Einsamkeit leidet. Er oder sie müssen die Angebote aber auch nutzen.

In der vergangenen Woche wurde auf dem Sebalder Platz eine Bank aufgestellt, eine Plauderbank. Sie wurde vom Verein „Seniorenmagazin sechs+sechzig – Verein zur Förderung des Dialogs der Generationen“ finanziert.

Bei der Präsentation der Bank sagte der Vereinsvorsitzende Georg Reif: „Die Plauderbank soll ein Ort werden, der spontane Begegnungen und Menschlichkeit fördert – gerade in Zeiten, in denen viele vereinsamen.“

Wer sich auf der Bank unter einer Platane niederlässt, zeigt seine Bereitschaft für einen kurzen ungezwungenen Plausch. 1500 Euro kostet eine solche Bank. Die Idee stammt aus England. Dort gibt es seit 2018 solche „happy to chat benches“.

 
Die Plauderbank soll ein Ort werden, der spontane Begegnungen und Menschlichkeit fördert – gerade in Zeiten, in denen viele vereinsamen.
— Georg Reif, Vorsitzender sechs+sechzig
 

Bürgermeister Christian Vogel, der mit SÖR die Bank aufgestellt hat, plant derzeit keine weiteren Plauderbänke. Er ist aber neuen Spendern gegenüber aufgeschlossen. Er will erst einmal sehen, wie die Plauderbank an der Nordseite von St. Sebald genutzt wird.

Wer zusammen babbelt und plaudert hat auf dieser Bank stets die architektonisch wunderbare Sebalduskirche im Blick. Ein schöner analoger Ansatz.

Zwei Männer in bunten Shirts spielen Schach auf einer Bank vor historischer Sandsteinmauer und grünen Bäumen in Nürnberg

Eine von 3900 Chancen gegen Einsamkeit – Bankschach. | Foto: © Janine Beck

Babbeln statt Wischen: Jede Bank eine Chance

Im Grunde kann jede Bank zur Plauderbank werden. Nürnberg hat 3900 Bänke, die von SÖR betreut werden. Das wäre, wenn es flächendeckend zu Gesprächen kommt, ein großes Summen gegen die Einsamkeit in der Stadt. Vogel selbst findet das eine sehr nette Idee. Er gibt aber auch zu bedenken, dass nicht alle Menschen, die sich auf der Plauderbank niederlassen, auch tatsächlich mit dem Sitznachbarn oder der Sitznachbarin reden wollen. Manchen setzen sich offenbar ohne Plauderwunsch.

Damit man die Plauderbank als Plauderbank erkennt, wurde sie eigens mit einer Plakette versehen. Nun ja. Vielleicht hätte auch noch ein kleines grünes Lämpchen geholfen, um anzuzeigen, ob Plaudern tatsächlich erwünscht ist. Nachdem jede zweite Person in Nürnberg alleine lebt, sollte Sozialreferentin Elisabeth Ries noch mehr Anstrengungen unternehmen, Räume für Begegnungen mit Seniorennetzwerken, Begegnungsstätten und Mehrgenerationenhäusern schaffen. Vielleicht sollte Ries auch die Bevölkerung auffordern: „Legt die Handys nieder und geht plaudern.“

Wenn der Spiegel schweigt, wartet die Bank

Übrigens: Einsamkeit zeigt sich offenbar bei Männern deutlich, wenn sie langsam verlottern. Vielleicht sollte man sie dann, wenn die ersten Hinweise zu sehen sind, auf die Plauderbank einladen. Aber Vorsicht, Männer können sehr empfindlich sein. Nicht jeder Mann mag es als verlottert bezeichnet zu werden. Einsamkeit – ein weites Feld.

Blick aus der Ich-Perspektive auf Kopfsteinpflaster vor der gotischen Sebalduskirche in Nürnberg, aufgenommen von der Plauderbank mit roter Kleidung im Bildvordergrund

Perspektive einer Plaudernden: Setz dich zu mir, wenn du reden willst. | Foto: © Janine Beck

Der Selbstversuch

Ein Feldversuch zur Mittagszeit bestätigte die Wirksamkeit des Konzepts – mit fränkischer Note. Drei spontane Gespräche entwickelten sich, darunter eines mit einem älteren Herrn, der die fränkische Kunst des bedeutungsvollen Schweigens perfekt beherrschte. Nach einer angemessenen Bedenkzeit von ein paar Minuten und der Erklärung, dass wir auf einer Plauderbank sitzen und jetzt miteinander plaudern könnten, entspann sich ein durchaus herzliches Gespräch, geprägt von der hiesigen Vorliebe für Understatement. Das Konzept funktioniert – wenn man die Bank als Plauderbank erkennt. babbeln.

 

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