“Bleibt mein Tank leer, bleiben die Teller leer.” | Foto: © Bernhard Schäfer

Die Kunst des Schuldenmachens

Als 2002 Kämmerer Uli Maly (SPD) etwas überraschend zum Oberbürgermeister von Nürnberg gewählt wurde, sagte ein CSU-Spitzenpolitiker: „Mit Sparen kann man keine Wahlen gewinnen.“ Bei Gesprächen mit Wählern im Wahlkampf spielte die steigende Verschuldung so gut wie keine Rolle, so der CSU-Mann.

Vorausgegangen war eine Kampagne der CSU gegen Maly in dessen Amtszeit sich der Schuldenstand Nürnbergs deutlich erhöht hatte. Freilich war daran nicht Maly schuld, sondern die Mehrheit im Stadtrat aus CSU und Freien Wählern. Beschlüsse zum Geld ausgeben, müssen erst einmal gefasst werden.

Seitdem spielt das Thema „Sparen“ in Nürnberger Wahlkämpfen kaum mehr eine Rolle. Selbst die Eurokrise zehn Jahre später ließ die Gemüter auf der kommunalen Ebene kalt. Nur, dass Länder, die über ihre Verhältnisse leben, von der EU auch noch finanziell gestützt werden, sorgte für Aufregung. Aber nicht, dass der Schuldenstand Deutschlands sich erheblich erhöht hat.

Diese Erfahrung wird auch Finanzminister Christian Lindner im kommenden Bundestagswahlkampf machen. Es wird ihm nur von seiner Kernwählerschaft hoch angerechnet werden, dass er an der Schuldenbremse festgehalten hat und keine Mehrausgaben über neue Schulden machen wollte. Wenn es so bleibt.

Gute Schulden, schlechte Schulden

Wie man Schulden sortiert. | Illustration: © Paul Blotzki

Dabei gibt es natürlich immer wieder gute Gründe, neue Schulden zu machen. OB Maly erfand damals die Trennung von guten und schlechten Schulden. Gute Schulden wurden für Investitionen der Stadt getätigt. Schlechte Schulde wären es, wenn damit der laufende Betrieb der Stadt sichergestellt werden müsste.

Viele Städte in Nordrhein-Westfalen haben über Jahrzehnte ihre laufenden Ausgaben über Pump finanziert, was eigentlich nicht zulässig ist. Das ist, als ob eine Familie von der Überziehung des Giro-Kontos lebt. Bei Familien ist nur irgendwann Schluss, bei Städten nicht.

Warum diese historische Erinnerung? In der Folge der Wiedervereinigung hat es immer wieder Extremsituationen gegeben, die als Begründung für die deutliche Ausweitung des Schuldenstands der öffentlichen Hand mit ihren unterschiedlichen Ebenen hergenommen wurden. Die Kosten der Wiedervereinigung, danach die Euro-Krise, dann Corona und der Angriffskrieg Russlands und jetzt die Energiewende.

Sicher, es sind für jeden öffentlichen Haushalt Extremsituationen und es betrifft alle staatlichen Ebenen. Es konnte stets gut begründet werden, warum der Staat mehr Geld benötigt, aber es wurde bis auf in ganz wenigen Jahren der Schuldenstand nicht mehr zurückgeführt. Die hohen Ausgaben blieben. Es kam Schrecknis auf Schrecknis.

Dabei wurde auch die Sprache deformiert. Ein Sondervermögen ist ein Millionen- oder Milliardenbetrag, der auf Schuldenbasis ausgegeben werden darf. Da schwingt außerdem immer wieder die Aufteilung in gute und schlechte Schulden mit, wenn etwa der Energiesektor auch ein Sondervermögen bekommen soll wie die Bundeswehr. Das Geld liegt als Sondervermögen nicht auf der Bank. Es ist eine Kreditermächtigung über eine Milliarde Euro, die in diesem Fall für die Bundeswehr ausgegeben werden darf.

Wenn Steuern plötzlich zärtlich werden

Auch im Kleinen funktioniert die Verwirrung durch neue Begriffe: Beispiel Tierwohlabgabe. Es soll eine neue Abgabe für das Tierwohl kommen. Fällt sie schon an, wenn man etwa 200 Gramm Aufschnitt kauft oder wird sie nur bei Roastbeef, Schnitzel und Co. erhoben? Wie ist das dann beim Pfälzer Saumagen, der auch Kartoffeln enthält? Die Tierwohlabgabe ist wieder eine Idee, wie die Dinge im Alltag komplizierter gemacht werden können. Darf es noch 20 Gramm mehr Tierwohl sein?

Bauern und Landwirte aus ganz Deutschland protestierten in den letzten Wochen gegen die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung. Diese will unter anderem die Steuervergünstigungen von Agrardiesel streichen. | Foto: privat (Danke ins Ruhrgebiet)

Gute Absichten, wie artgerechte Aufzucht von Tieren werden verbal verschleiert, denn im Grunde ist es eine neue Steuer. Sie darf aber nicht so heißen, denn Steuern dürfen in der Regel nicht zweckgebunden erhoben werden. Sie fließen alle in den Bundesetat. Letztlich muss der Verbraucher mehr zahlen. Da klingt Tierwohlabgabe fast zärtlich. Eigentlich sollte man doch davon ausgehen, dass sich Veterinärämter um das Tierwohl kümmern.

Vor rund fünf Jahren wurden in Nürnberg Gewerbe- und Grundsteuer erhöht. Die Begründung lautete damals, dass die Mehreinnahmen im Rahmen eines begrenzten Zeitraums ausschließlich für die Modernisierung der städtischen Infrastruktur verwendet werden sollen. Für Schulen, für die Sanierung von öffentlichen Gebäuden und für die Digitalisierung. Eine Absenkung wird es nicht geben. Wenn Nürnberg keinen finanziellen Selbstmord begehen will. Dann wird die Abgabenlast eher mehr als weniger werden. Die Erhöhung wird bleiben.

Was kostet Nürnberg? Daten und Fakten

Ausgaben der Stadt Nürnberg

Mit einem Klick auf die Grafik öffnet sich die Broschüre “Was kostet Nürnberg?”, herausgegeben von der © Stadt Nürnberg (Stand 2018).

Die Erwartungshaltung der Gesellschaft ist so groß, dass eine Kürzung von Subventionen oder ein Streichen von staatlichen oder kommunalen Leistungen fast nicht mehr möglich ist. Es redet sich leicht, den Diesel für die Bauern zu besteuern, wenn man kein Bauer ist. Es wäre ein wohl noch ein viel größerer Aufstand als die aktuelle Bauernrevolte, wenn steuerliche Bevorzugung von Dienstautos und die Pendlerpauschale gekürzt oder gestrichen würden. Beides hat zu Fehlentwicklungen geführt. Beides sind keine nachhaltigen Maßnahmen.

Mehr Ehrlichkeit, weniger Etiketten

Was tun? Einsparungen und Kürzungen müssen moderat erfolgen und alle treffen. Wen die Förderung des Agrardiesels gekürzt wird, dann muss es auch bei den Dienstwägen und bei der Pendlerpauschale Kürzungen geb.

  • Mehr Ehrlichkeit: Die Förderung von Wärmepumpen kann nicht dazu führen, dass der Staat jede Wärmepumpe bezuschusst. Mal mehr, mal weniger. Da findet schon wieder eine Verteilung von Vermögen von unten nach oben statt.

  • Plausiblere Erklärungen und Begründungen für einzelne Maßnahmen: Die Tierwohlabgabe, wenn sie kontrolliert wird, wäre ein Ausbund an Bürokratie. Das Tierwohl muss auch auf anderen Wegen gesichert werden.

  • Jede bürokratische Maßnahme und Subvention, die einmal eingeführt wurde, hat Sinn gemacht. Aber es darf nicht sein, dass wir nach und nach ein System etablieren, in dem wir über unsere Verhältnisse leben. Die politische Steuerung hat dann nur noch Mehrausgaben im Fokus und wie sie diese geschickt mit neuen Etiketten verkaufen kann.

Den Haushalt der Stadt Nürnberg als interaktive Onlineversion findest du hier.

 

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