Discostimmung in der guten Stube Nürnbergs. | Fotos: © Janine Beck

 
 

Die Altstadt: Juwel oder Spielwiese?

Nürnberg hat nach der Zerstörung durch den Zweiten Weltkrieg seine Innenstadt vorbildlich wieder aufgebaut. Es war nicht immer eine Eins-zu-Eins Rekonstruktion, sondern eine mit leichten Korrekturen etwa in der südöstlichen Ecke des Hauptmarkts.

Dort wurden die Häuserfronten neu aufgestellt und auch der alte Rathaussaal fiel etwas kleiner aus als vor der Zerstörung. Insgesamt ist die Entscheidung, die in den fünfziger Jahren getroffen wurde, die architektonisch bedeutenden Gebäude aus der Geschichte Nürnbergs wieder aufzubauen, richtig.

Da mag der eine oder die andere einwerfen, das Pellerhaus wurde vergessen und nicht alle die von den Bomben verschonten Gebäude oder Teilgebäude wurden so gepflegt, wie sie es verdient hätten. Erinnert sei nur an den Abriss der Sieben Zeilen oder den willkürlichen Abriss des Renaissance-Hauses, das dann durch den Funktionsbau der Deutschen Bank zwischen Karolinen- und Adlerstraße ersetzt wurde. Da wäre noch mehr möglich gewesen, wenn Sensibilität vorhanden gewesen wäre.

Trotzdem, nur Nürnbergs Altstadt macht die Stadt zu einem bekannten touristischen Ziel, das nach der Sanierung der Kaiserburg mit vielen anderen historischen Städten mithalten könnte. „Könnte“ deshalb, weil es an ästhetischem Bewusstsein fehlt, wie wichtig die historische Kulisse ist und wie gedankenlos ihre Qualität gepflegt wird.

Wir sind jetzt auch “on Ice”

“Stimmungsvoll dekoriert” – nope.

Die sogenannte „Nürnberger Winterwelt“, die auf dem Hauptmarkt aktuell stattfindet, ist im Grunde eine Sünde: Eine Verschleuderung der guten Stube Nürnbergs als Kulisse, um auf einer kleinen Fläche Eiszulaufen und dabei Schoko-Erdbeeren für sechs Euro oder eine Currywurst zum gleichen Preis rein zu hauen. Ästhetisch geschmacklose Bretterbuden verschandeln den Hauptmarkt und damit die Innenstadt.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Eisfläche vor dem Germanischen Nationalmuseum oder auf dem Willy-Brandt-Platz aufzubauen? Wer als Tourist nach Nürnberg kommt, der will die Achse vom Hauptmarkt zur Burg sehen und nicht den peinlichen Drahtelch, der auf dem Hauptmarkt herumsteht. Hoffentlich macht keiner den Elchtest und er fällt noch um.

Die Gründe für die Ortswahl sind bekannt. Es soll unbedingt mehr „Frequenz“ in die Innenstadt gebracht werden. „Frequenz“, damit werden Kunden, Besucher und Touristen gemeint, die dort ihr Geld lassen sollen. Nürnbergs Innenstadt geht es an vielen Stellen nicht gut. Aber kommen wirklich Interessierte und drehen auf der Eisfläche ihre Runden, um dann das neue Geschäft vom Juwelier Bucherer in der Kaiserstraße oder ein anderes zu besuchen? Das ist doch sehr unwahrscheinlich. 

Nürnberg braucht einen qualitativ hochwertigen Einzelhandel, gute Restaurants und Cafés, um zahlende Kundschaft anzulocken, aber keine billig zusammengeschraubte Geisterstadt. Diese Holzrequisiten, die „Frequenz“ erzeugen sollen, stellen nahtlos eine negative Assoziation zur hölzernen Budenstadt des Christkindlesmarkts her.

Nürnberg sucht seine Eiskönigin

Die Eisbahnbuden sind eine Augenqual. Hoffentlich wird nicht auch noch das Nürnberger Christkind aufgefordert, auf der Eisfläche umeinander zu rutschen. Immerhin ist eine kleine Stadt aus Holz kurzfristig auferstanden. Wir schlagen aber, damit die Unterschiede bleiben, die Wahl einer Eiskönigin und den Wettbewerb für einen Eis-Prolog vor.

Nürnbergs Altstadt hält viel aus. Auch das Riesenrad, das perfekt zur Weihnachtszeit passt, in der es bekanntlich um höhere Dinge geht. Die Sorge macht sich aber breit, dass nach dem Eislaufen auch noch als „Frequenzbringer“ Kegeln oder Mini-Golf auf dem Hauptmarkt angeboten wird. Also eine Art mobiler Prater nach dem Motto „Da ist immer was los“. Hauptsache, es gibt einen Imbiss und viele Getränke.

Einsamer Elch auf dem Hauptmarkt. Wo seine Familie lebt? Wir haben sie gefunden – in Hamburg.

 
  • ⛸ Bis zum 3. März steht die Winterwelt mitten auf dem Hauptmarkt.

  • ⏰ Montag bis Freitag: 15 bis 20 Uhr

    ☀️ Wochenende: 12 bis 20 Uhr

    🍔 Die Imbissstände haben täglich ab 11 Uhr geöffnet.

  • 🚸 Kinder: 0 Euro

    🎟 Ermäßigt: 4 Euro

    🎫 Erwachsene: 6 Euro

    ⛸ ⛸ Schlittschuhverleih: 5 Euro

    🏰 NürnbergPass: 2 Euro Rabatt auf alle Preise

    Alle Preise pro Stunde.

  • ❄️ 350 m²

 

Nachdem von der neuen Wirtschaftsreferentin die „Zukunftsinitiative Innenstadt“ ausgerufen wurde, bei der wieder einmal alle mitreden sollen – wie oft noch? – ist das Schlimmste zu befürchten. Da wird nicht solide ein Konzept abgearbeitet, sondern eine Art Vorschlagskonfetti von Ankündigungen: mehr Grün, mehr Verweilen, mehr Genuss, mehr Erleben lauten die Ziele. Das ist aus dem Beliebigkeitsbaukasten von Marketingleuten, passend auch für Heidenheim und Bochum.

Mit was, bitte, soll das erreicht werden? Mit noch mehr Topfbäumen, Kistensitze, Schuttcontainern mit Grün-Zitaten, bunten Stühlchen, die Lockerheit simulieren, Fast Food und läppischen Sport-Events wie der Eisbahn?

Wir sind schon gespannt, wie das Ganze von der Congress- und Tourismus-Zentrale beworben wird. Auch wenn es in den Wind geschrieben ist: Es geht nur mit mehr Qualität und mit der Pflege der Individualität Nürnbergs. Schritt für Schritt. Das muss wachsen. Dann kommen auch mehr Menschen. Das zeigt die Gastronomie am Lorenzer Platz.

Es gibt aber noch einen weiteren hoffnungsvollen Schritt: Im Umfeld der Färberstraße und dem südwestlichen Ende der Breiten Gasse werden die Straßenbeläge saniert und die Aufenthaltsqualität verbessert.

So sollte es weiter gehen.

 
 
Elche in Hamburg

Hoffentlich bald wieder vereint: Der Nürnberger Elch und seine Familie an der Hamburger Binnenalster. | Foto: © André Fischer

 

 

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