Wo sind eigentlich die Wohnungsbau-Genossenschaften?
Die Krise der Sozialwohnungen: Ein teures Rezept von gestern?
Ab 1995 war es offensichtlich, dass die damalige starre Wohnungsbaupolitik der öffentlichen Hand gescheitert war. Um die Versorgung mit günstigem Wohnraum für ärmere soziale Schichten sicherzustellen, gab es mit dem Bau von Sozialwohnungen nur ein sehr teures Rezept.
Immer nur Sozialwohnungen zu bauen und wenn dann die Mieter mehr verdienen, sie eigentlich keinen Anspruch mehr auf eine Sozialwohnung haben, dann mussten sie eine sogenannte Fehlbelegungsabgabe zahlen. Ein ziemlich umständliches Instrumentarium und eine Fehlbelegung musste erst einmal nachgewiesen werden. Aufwand und Ertrag bei der Kontrolle der Fehlbelegung standen in keinem Verhältnis. Außerdem hatte die Bündelung von Sozialwohnungen oftmals ein Sozialghetto zur Folge.
Der Staat wiederum war überfordert, auf sich alleine gestellt, ausreichend Sozialwohnungen zu bauen. Und was ist mit den Menschen, deren Einkommen nur knapp über der Grenze lag, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung garantierte? Es wurde deshalb das flexible Modell der einkommensorientierten Förderung eingeführt.
Die einkommensorientierte Förderung leistete unterschiedlich hohe Zuschüsse für die Wohnungsmiete, je nachdem, wie hoch das Familieneinkommen war. Das führte dann auch zu einer sozialen Durchmischung von Wohnblocks. Prekariatssiedlungen konnten verhindert werden.
Nürnbergs Weg: Wie eine Stadt die Sozialwohnungen neu definiert
In Nürnberg wurde der wbg von der Stadt erlaubt, teilweise wie ein privater Wohnungsbaukonzern zu agieren. Gewinnmaximierung durfte die wbg allerdings nicht betreiben. Sie blieb ein nach sozialen Kriterien handelnder Vermieter. Die wbg konnte Wohnungen für den normalen Wohnungsmarkt bauen und verkaufen oder vermieten. Mit dem Gewinn wurden dann wieder günstiger Wohnraum geschaffen.
Dieser Mechanismus, der in ganz Deutschland in Gang gesetzt wurde, führte zwar zu mehr Wohnungen, die nicht mehr vom Staat finanziert wurden und so die öffentlichen Haushalte entlasteten. Es entstanden aber auch weniger Sozialwohnungen, die ärmeren Menschen vorbehalten blieben. Für den Bau von Sozialwohnungen gab es nur noch Baukostenzuschüsse. Der Bestand von solchen Wohnungen schrumpfte, weil sie auf dem freien Markt vermietet werden konnten: Die Sozialbindung einer Sozialwohnung ist nicht für die Ewigkeit.
Nach 30 Jahren ist in der Regel Schluss. Wenn aber keine neuen Sozialwohnungen gebaut werden, dann fehlt irgendwann günstiger Wohnraum.
Sicherer Hafen Sozialwohnung: Warum Investoren umdenken
In Nürnberg wurde deshalb vor rund zehn Jahren eine Quote eingeführt, die festlegte, dass mindestens 30 Prozent, manchmal auch 40 Prozent des jeweiligen Neubauvolumens Sozialwohnungen vorbehalten bleiben mussten. Diese Quote wurde von den Investoren oft heftig bekämpft, denn auf dem Wohnungsmarkt sind eine frei vermietbare Wohnung oder eine Eigentumswohnung viel lukrativer.
Nach den zuletzt starken Schwankungen am Wohnungsmarkt, wollen Investoren derzeit am liebsten nur noch Sozialwohnungen errichten, denn damit wären sie finanziell auf der sicheren Seite: Stadt und Freistaat gehen nicht insolvent. Der Freistaat fördert in diesem Jahr den sozialen Wohnungsbau allein in Nürnberg mit fast 90 Millionen Euro, 2022 waren es 80 Millionen Euro.
Es brauchen aber auch Familien mit einem mittleren Einkommen eine Wohnung, die würden dann komplett durch das System rutschen, wenn nur noch Sozialwohnungen entstehen würden: Sie verdienen zu viel für eine Wohnung mit einkommensorientierter Förderung und es fehlt an Einkommen für eine teure Wohnung.
Der Wohnungsbau ist ein sehr träges Geschäft. Wenn einmal der falsche Weg eingeschlagen wurde, dann vergehen viele Jahre für die Korrektur.
Wer mit dem Fahrrad durch Nürnberg fährt, der sieht viele Hinweise auf Wohnungsbaugenossenschaften, die vor 100 oder 50 Jahren viele günstige Wohnungen gebaut haben und noch betreuen. Ihr Bauen von bezahlbarem Wohnraum ist aber schon Jahrzehnte her. Die Genossenschaften sanieren ein bisschen und machen Werbung für sich. Dabei wird viel Geld für Jubiläumsbücher und Feierlichkeiten ausgegeben. Steuerlich begünstigt ist die Bestandserhaltung von genossenschaftlichem Wohnraum auch noch. Aber Neues wird kaum mehr begonnen.
Kein Wunder, dass bezahlbare Wohnungen fehlen. Ausgenommen von der Kritik sind natürlich die Joseph-Stiftung, das Siedlungswerk, die wbg und das ESW, die kontinuierlich Wohnungen bauen.
Vergangenheit als Schlüssel für die Zukunft des Wohnungsbaus?
Wenn das Genossenschaftsmodell in der Vergangenheit so erfolgreich war, den Wohnungsmangel zu lindern, wie immer auf den Jubiläumsveranstaltungen zu hören ist, dann müsste es doch auch für die aktuellen Probleme eine Lösung sein. Wo sind eigentlich die Wohnungsbaugenossenschaften? Warum wird diese Idee nicht stärker gefördert?
Die Gerchgroup-Insolvenz: Was bedeutet das für Nürnbergs Bauprojekte?