Wenn Bürgerbeteiligung zur Blockade wird

 
Frankenschnellweg-Ausbau Nürnberg: Illustration zeigt Hase mit Zeitung, Kosten stiegen von 400 Millionen auf 1 Milliarde Euro, Bürgerbeteiligung als Blockade

Frankenschnellweg-Ausbau: Die Kosten stiegen von 400 Millionen auf fast eine Milliarde Euro, die Bauzeit verlängerte sich um Jahre. Ein Beispiel für die Grenzen der Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Infoveranstaltungen als Endlosschleifen

Vor zwei Wochen habe ich mich im Rahmen dieser Kolumne über die zahlreichen nörgelnden Ü60 Männer ausgelassen, die alles besser wissen und sehr viel Zeit und auch Wissen haben, Sand ins Getriebe von Bauverwaltungen zu werfen.

Es ging darum, dass im Rahmen eines Bauvorhabens, vor allem wenn es eine größere Investition ist, die unterschiedlichsten Prüf- und Abwägungsverfahren durchgeführt werden. Das ist selbstverständlich. Wenn keine Fehler gemacht wurden, dann dürfte das Informationsbedürfnis oder das Recht auf Information auch erfüllt sein.

Es gibt aber vor allem Senioren, die solche Genehmigungsverfahren bewusst in die Länge ziehen, um die Entscheidung noch zum Kippen zu bringen. Ein anderes Motiv ist, statt Abwägungsprozesse zu akzeptieren, werden ideale Bauvorhaben angestrebt und es wird so getan, als ob es allen recht zu machen ist.

Pirouetten statt Fortschritt

Wer an dieser Einschätzung zweifelt, der sollte Bürger- oder städtische Informationsveranstaltungen besuchen. Eine Pirouette nach der anderen wird gedreht, ohne dass das Vorhaben vorankommt. Es wird aber teurer. Planungs- und Umsetzungszeiten werden erheblich länger.

Diesen Kommentar darf ich mir erlauben, denn auch ich gehöre zu dieser Generation der Ü65 und ich war in den vergangenen 25 Jahren auf vielen Bürgerabenden.

Das oben beschriebene Muster wiederholte sich oft. Auch wenn sich einige Zeitgenossen auf den Schlips, den sie nicht mehr tragen, getreten fühlen und bei Kritik natürlich stets genau hinzuschauen ist. Eine Stadtverwaltung ohne Begleitung von Lokaljournalisten und aufmerksamen Bürgern gerät leicht aus dem Lot.

Dass jedes Infrastrukturvorhaben so lange dauert, liegt vor allem an uns. Der Ärger über zu viele Regelungen im Baubereich, liegt auch daran, dass, sollte es für das vorliegende spezifische Problem keine Regelung geben, sehr schnell mit dem Verwaltungsgericht gedroht wird.

Welcher städtische Beamte oder Angestellte riskiert einen Prozess vor dem Verwaltungsgericht mit ungewissem Ausgang und ungewissen Kosten? Dann bleibt das Vorhaben liegen, bis es in allen Feinheiten juristisch geklärt ist.

Frankenschnellweg Nürnberg An den Rampen: Verkehr unter Brücke bei Dämmerung, U-Bahn-Brücke mit roter Beleuchtung, Langzeitbelichtung zeigt Verkehrsfluss

Frankenschnellweg, An den Rampen: Ein Kläger aus 600 Kilometern Entfernung prozessierte – 12.000 Anlieger zahlen den Preis. | Foto: © Janine Beck

Frankenschnellweg: Von 400 auf 900 Millionen Euro

Das war beim kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs der Fall. Bürgermeister Christian Vogel, der zuständig für den kreuzungsfreien Ausbau ist, riskierte keinen Baubeginn so lange bis nicht alle gerichtlichen Instanzen, die sich mit dem Planfeststellungsverfahren beschäftigt haben, abgeschlossen waren. Dass sich die Baukosten von etwas über 400 Millionen Euro auf fast eine Milliarde Euro in den vergangenen neun Jahren erhöht haben, liegt auf einem anderen Blatt.

Die hohen Kosten eines solchen Taktierens werden als Preis der Demokratie bezeichnet. Das ist nicht richtig. Es ist der Preis für Uneinsichtigkeit. Gegenargumente müssen im Lauf des Verfahrens eingebracht werden, damit sie schon bei den Planungen eine Rolle spielen.

Klagemöglichkeiten als Planungsbremse

Warum große und für die Gesellschaft wichtige Projekte so lange dauern, bis sie geplant, genehmigt und umgesetzt werden, liegt sicherlich an den vielen Klagemöglichkeiten auf dem Verwaltungsweg. Schon allein die Möglichkeit, dass geklagt werden kann, lässt den Planungsprozess deutlich verlangsamen.

Mut zum Risiko, auch bei Spitzfindigkeiten, geht, angesichts der möglichen hohen Folgekosten, keine Stadt- oder Landkreisverwaltung ein. Das Geld kommt zwar oft vom Bund oder Land, ausgeben tun es Städte oder Landkreise.

Verbesserung oder Verhinderung?

Die Crux ist nicht, dass die Bürgerschaft zahlreiche Mitspracherechte hat und diese auch weidlich nutzt, doch im Laufe eines Planungsverfahrens verwischt sich der Anspruch, welches Ziel verfolgt wird: Soll das Vorhaben verbessert oder verhindert werden?

Wer etwas verbessern will, der muss sich frühzeitig im Lauf eines Planungsverfahrens einmischen und nicht erst zehn Jahre nach Fertigstellung der Pläne wie beim kreuzungsfreien Ausbau des Frankenschnellwegs. Möglichkeiten hat es viele gegeben. Sie wurden aber nur zum Teil genutzt. Bei den grundsätzlichen Festlegungen in den Nullerjahren gab es keine praktikablen Alternativvorschläge, die es wert waren, in die Tiefe zu diskutieren.

Nürnberger Rathaus im Abendlicht: Hier stimmte der Stadtrat mit über 70 Prozent Mehrheit für den Frankenschnellweg-Ausbau, der seit 20 Jahren durch Klagen blockiert wird

Nürnberger Rathaus: 20 Jahre Planung, 70 Prozent Stadtratsmehrheit, 900 Millionen Euro Budget – und trotzdem kein Spatenstich beim Frankenschnellweg. Klagen machen's möglich. | Foto: © Janine Beck

Stadtratsmehrheit gegen einzelne Kläger

Es müsste auch einmal gesellschaftlich geklärt werden, wie Recht und Politik sich gegenseitig bestimmen. Wenn über 70 Prozent des Nürnberger Stadtrats über Jahre hinweg sich festlegen und Pläne ausarbeiten lassen, dass der Frankenschnellweg kreuzungsfrei ausgebaut wird und die Entscheidung auch von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird, zumindest nach den Wahlergebnissen, was ist ein solches demokratisches Verfahren aber dann noch wert, wenn nach einem solchen detaillierten Abwägungsverfahren doch noch geklagt wird?

Hier geht es um die Durchsetzung einer politischen Entscheidung mit juristischen Mitteln, die sich auf dünnem Eis bewegen. Wenn der Kläger etwas in Nürnberg verhindern will und er 600 Kilometer weit weg wohnt – müssen 12.000 Anlieger solche Quälereien dann erdulden, wenn alles abgewogen ist?

Wir akzeptieren das gerne, weil wir ein Rechtsstaat sind, und dann muss das hingenommen werden. Aber fragen kann man doch einmal, ob wir die Weiterentwicklung der Gesellschaft mit solchen Guerillaverfahren nicht torpedieren.

Lösungsansätze: Kürzere Klagewege

Es geht hier nicht um die Forderung, Rechte der Bürgerschaft zu beschneiden – eine Verbesserung von Plänen soll immer möglich sein. Der Klageweg soll aber kürzer werden. Noch besser wäre eine Lösung auf dem Verhandlungsweg, dann wären die Gegner eines Vorhabens eingebunden.

Noch mehr Ebenen für die direkte Demokratie bereitzustellen wäre wohl auch keine Lösung: Der Status quo wäre dann zementiert. Das Gemeinwohl hat wenig Fürsprecher, wenn es ans eigene Geld geht. Leider.

 

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