Fakten ade: Wie Eigeninteressen die kommunale Debatte vergiften. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Das große Verhindern: Warum nichts mehr vorangeht

Mitreden, Mitbestimmen, Engagement und Verantwortung in einer Kommune übernehmen, sind zentral für demokratische Prozesse. Es ist die Basis einer Demokratie. Das geht leicht über die Lippen und die meisten Bürgerinnen und Bürger würden zustimmen. Doch wer sich vor Ort regelmäßig genauer umschaut, der muss zugestehen, dass Kommunalpolitik die Menschen immer schwerer erreicht.

Oder ist es umgekehrt, die Menschen wollen gar nicht mehr zuhören und haben sich längt von der Auseinandersetzung mit Argumenten verabschiedet? Haben wir nicht schon stattdessen Streitereien über Fake News auf kommunaler Ebene? Es ist sehr schwierig geworden, in den Kommunen ins Gespräch zu kommen.

Auf Bürgerversammlungen, die sich um einen bestimmten Stadtteil drehen, kommt nur ein kleiner Teil der Bürger, die betroffen wären. Meist sind es Ältere, die eher Zeit haben als junge Familien. Zu Fahrradversammlungen kommen nur diejenigen, die gerne Fahrrad fahren. Bei lokalen Versammlungen treffen sich meist nur die Gegner zu einem Vorhaben.

Es wird immer schwieriger, Bürger in die Kommunalpolitik einzubinden. Es fehlt zunehmend das Interesse am positiven Gestalten von Prozessen und Vorhaben. Dagegen ist Verhindern von Projekten leicht. Gegner eines Projekts finden sich schnell zusammen. Kaputtreden ist einfacher als aufbauen.

Fakten? Überflüssig!

Etwas aktiv nach vorne zu bringen, etwas schöner, besser, toller zu machen, ist den meisten völlig egal und es interessiert kaum jemanden. Da müsste man dem Gegenüber auch erst einmal zuhören. Es gibt von dieser Regel nur eine Ausnahme: Wenn es darum geht, etwas vermeintlich Schlechtes direkt vor der eigenen Haustür besser zu machen oder zu verhindern. Alles andere wird kaum beachtet.

Private Interessen bei stadtplanerischen Prozessen, die nicht offen benannt werden, sind besonders schwierig zu durchschauen, weil oft nicht klar wird, wer wirklich für etwas steht. Der Verlauf von Fronten kann dann nicht festgestellt werden. Die städtischen Mitarbeiter versuchen dann für das Wohl der Allgemeinheit zu arbeiten. Aber wer die Allgemeinheit ist, das wissen sie nicht und ob das Wohl allgemein als gut empfunden wird, das weiß niemand. 

Vielleicht kommt es bei der Kommunalwahlwahl, die alle sechs Jahre stattfindet, heraus. Aber dazwischen ploppen immer wieder Interessengruppen mit Unterschriftenlisten auf. 300 Unterschriften gegen ein Vorhaben sind immer schnell gesammelt. Was heißt das? Es kostet ja nix. Sind 1000 Klicks bei einer Internetpetition gegen irgendetwas wichtig? Hat das Relevanz oder nicht? Wir wissen es nicht. Es ist trotz der datentechnischen Aufrüstung in den letzten Jahren nicht einfacher geworden, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Es ist aber leicht gegen etwas zu sein.

Experten unerwünscht: Der Triumph der Halbwahrheiten

Die Rationalität von Argumentationen wird kaum mehr beachtet. Da werden scheinbare Fakten, Thesen und Argumente zusammengeschraubt, die nicht zusammengehören und auch keinen Sinn machen. Wenn Urteile aus der Schweiz beispielsweise mit der deutschen Umweltgesetzgebung zusammengebunden werden, dann ist das nicht mehr redlich, sondern egoistisch.

Das Knoblauchsland in der Schleswiger Straße Blickrichtung Innenstadt. | Foto: © Janine Beck

Das wurde neulich auf einer Fahrradversammlung im Knoblauchsland vorgebracht. Nach dem Motto: Ich habe eine Wohnung in einer schönen Ecke Nürnbergs, aber neue Wohnungen dürfen nicht mehr dazu kommen.

Vorsätzlich wird ein selbst gewähltes Ziel vorgeschoben, das vorgeblich oder vermeintlich positiv ist und dem man Wahrheit, Fakten, Redlichkeit und die Wirklichkeit unterordnet.

Ein Beispiel: Zuletzt wurde der Bau einer ganz normalen Grundschule im Knoblauchsland als „Monsterschule“ von den Anliegern bezeichnet. Man kritisierte die Größe, wollte aber im Grunde nur keine Schule, weil Kinder Lärm machen könnten und etwas zusätzlicher Verkehr entsteht.

Es ist egal, aus welcher Ecke es kommt, Bauvorhaben und Infrastrukturprojekte werden grundsätzlich kritisiert. Ein Neubau der Messe wie vor 50 Jahren oder die Gründung von Langwasser wären heute nicht mehr möglich. Doch wir brauchen Arbeitsplätze und Wohnungen.

Der leichtfertige Verzicht auf das IC-Ausbesserungswerk bei Fischbach mit 400 Arbeitsplätzen wird angesichts des Transformationsprozesses in der Automobilzuliefererindustrie Nürnberg noch leidtun. Nicht einmal zu einem Raumordnungsverfahren konnte sich die Politik, als es die ersten Pauschalproteste gab, durchringen.

Manipulation durch Sprache

Es wird viel Unsinn behauptet und gegen etwas aufgerufen, was man gar nicht genau kennt. Manchmal genügt eine geschickte Kommasetzung, um etwas in ein schlechtes Bild zu rücken, das wiederum Proteste hervorruft. Die Stadt würde 200 Jahre alte Bäume absägen, heißt es in einem Flugblatt. Dabei wird suggeriert, dass ein Baummassaker an alten und wertvollen Bäumen angerichtet werden soll. Dabei geht es einfach um 200 alte Bäume, die wenig Wert haben. Mit solchen Baumspekulationen haben scheinbare Naturschützer den geplanten Konzertsaal neben der Meistersingerhalle in der Öffentlichkeit schlecht gemacht. Diese Debatten sind sehr schwierig zu führen. 

Wenn die interessengesteuerte Kommunikation das Ziel Einzelner oder von Gruppen ist, dann hält man sich nicht mehr mit der Wahrheit auf, die langweilig ist, sondern behauptet einfach irgendetwas, das dem eigenen Vorteil dient. Wenn diese Entwicklung noch dominanter wird, dann werden Fake News zur Wirklichkeit. Nicht im Internet, sondern auf kommunaler Ebene. Experten und Fachleuten wird bei solchen Diskussionen grundsätzlich misstraut. 

Bei der „Monsterschule“ im Knoblauchsland haben die Gegner im Übrigen keinen Erfolg gehabt. Sie geht im Herbst an den Start. Glück gehabt.

 

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