Bürgerbeteiligung ist kein Fragenbegleitgrün
Die Kunst der Partizipation
Ohne ausführliche Bürgerbeteiligung geht in einer Kommune nichts mehr. Wenn Städte und Gemeinden weniger Ärger bei einem Bauprojekt haben wollen, ob groß oder klein, der begründet sein Vorgehen nicht erst im Nachhinein, sondern informiert vorab, was gemacht wird und wie etwas gemacht wird. Noch besser ist es, wenn schon bei den Planungen vorab Wissen und Anregungen der Betroffenen eingebracht werden können.
Das klingt gut, doch die Tücken liegen in der Praxis, denn nicht alle Erwartungen können erfüllt werden und im Diskussionsprozess geht es leider nicht immer um die beste Lösung für alle, sondern auch um persönliche Interessen, die oft in einem Mantel des allgemeinen Interesses verpackt werden. Damit soll der Egoismus nicht sichtbar werden. Und wo sind die Grenzen? Eine Stadtverwaltung muss die ganze Stadtentwicklung im Blick behalten und unterschiedliche Interessen zum Wohle des Ganzen gegeneinander abwägen. Individualwünsche sollten nicht über der Allgemeinheit stehen?
Parkplatzpanik in Ziegelstein
Ein Beispiel. Vor kurzem wurde bekannt, dass die Ziegelsteinstraße in Nürnberg saniert werden soll. Schon seit 30 Jahren werden die in der Straße liegenden Straßenbahngleise nicht mehr genutzt und könnten entfernt werden. Es fehlt auch an Grün. Im Zuge der Arbeiten soll auch die Zahl der Parkplätze von 119 auf 78 reduziert werden.
Es läuft derzeit ein Klassiker der Verkehrsplanung ab: Die Anlieger der Ziegelsteinstraße wissen offensichtlich zu wenig, was auf sie zukommt, und haben deshalb nach dem zufälligen Bekanntwerden des Projekts eine Initiative auf den Weg gebracht, die eine bessere, sprich für sie angenehmere Planung vorsieht. Es geht den Ziegelsteinern bei der neuen Aufteilung des Straßenraums natürlich um Parkplätze, die möglichst erhalten werden sollen. Begründet wird das mit der großen Zahl von Autos, die Urlauber in der Ziegelsteinstraße abstellen und dann wegfliegen. Sie parken dort günstiger als in den Parkhäusern des Flughafens. Für die Anwohner bleiben angeblich zu wenig Parkplätze übrig.
Bei allem Verständnis für das Problem: Wenn die Stadt angesichts des Klimawandels grüner werden muss und der Platz für Fußgänger und Radfahrer erweitert werden soll, dann kann das nur funktionieren, wenn Parkplätze oder Straßenverkehrsspuren wegfallen. Ob es, wie in diesem Fall gleich 41 Parkplätze sein müssen, ist natürlich diskussionswürdig. Da hätte es im Vorfeld unbedingt ein Gespräch zwischen Verkehrsplanern und Anliegern geben müssen. Am Ende muss aber die Stadt entscheiden. Eine Unterschriftenliste im Umlaufverfahren als Stadtplanung auszugeben, wie es die Gegner des Umbaus machen, geht natürlich nicht.
Wohnungsnot im Wachstum
Noch ein Beispiel. Deutschland wird demnächst 90 Millionen Einwohner haben. Nürnberg wird ebenfalls mittelfristig weiterwachsen, auch wenn es mal eine Delle gibt. Wohnraum ist deshalb nicht nur knapp, sondern auch sehr teuer. Das ist aber nicht nur ein Mietenproblem. Wenn Fachleute, die in Krankenhäusern oder in Firmen dringend gebraucht werden, nicht vernünftig wohnen können, dann ziehen sie eben dorthin, wo Wohnen günstiger ist. Es müssen deshalb, grob gerechnet, deutschlandweit mindestens 20 neue Stadtteile mit je rund 7000 Wohnungen für ungefähr 16.000 Menschen Wohnungen gebaut werden, um die größten Engpässe in besonders begehrten Städten zu verhindern.
Derzeit plant Nürnberg keinen neuen Stadtteil, aber trotzdem müssen alle Baulandressourcen genutzt werden, um Wohnungssuchenden ein Angebot machen zu können. Das wird nicht immer mit Brachflächen gehen. Es muss leider auch Natur zugebaut werden.
Wer sich daran erinnert, welchen Widerstand der Bau von 220 Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Steherbahn in Reichelsdorf hervorgerufen haben, kann dann nur den Kopf schütteln. Die Gegner der Bebauung, das wurde in dieser Kolumne schon kritisiert, fanden sich nicht zu schade, sogar ein Museum für die Radrennbahn einzufordern, um den Bau von Wohnungen zu verhindern. Die Stadt Nürnberg hat große Schwierigkeiten, die vorhandenen Museen finanziell angemessen auszustatten und dann auch noch ein Stehermuseum! Das sollten die Anlieger der Radrennbahn dann doch als privates Vergnügen unterhalten. Immerhin bleibt ja ein Stück Radrennbahn stehen.
Ein Flug über die Radrennbahn in Reichelsdorf. | Quelle: © Google Earth
Wenn das Recht auf Wohnen einem mehr als zweifelhaften Denkmalschutzprojekt untergeordnete wird, dann stimmt etwas in der Gesellschaft nicht mehr. Eine Stadt braucht Museen für seine Identitätsbildung, aber eine Stadt darf kein Museum werden, nur weil der Bau von Wohnungen verhindert werden soll. Die Bürgerbeteiligung wird hier missbraucht.
Die Grünen hatten im Stadtrat beantragt, über fest installierte Bürgerräte in den einzelnen Stadtteilen nachzudenken, um die Partizipation zu stärken. Bislang ist der Ansprechpartner für informelle Beteiligungsverfahren der „Stadtinterne Dienstleister für ePartizipation“. Der SiDePa hat unterem anderem die Online-Befragung zur Umgestaltung der Johannesgasse, zu Bürgerversammlungen, zum Hitzeaktionsplan, zum Aufstellen des von Radständern und zur Umgestaltung des Stadionareals durchgeführt. Es gab auch schon eine erste Befragung der Stadtspitze im Internet. Am Donnerstag, 2. Mai, können OB Marcus König und alle Referenten erneut unter buergerdialog.nuernberg.de befragt werden.
Partizipation braucht Expertise und Augenmaß
Die Stadt hat sich also auf den Weg gemacht, Bürger über das Internet einzubinden. Das hat in der Regel gut geklappt. Wenn die Fragen, die im Internet beantwortet werden sollen, wieder neue Fragen aufwerfen und diejenigen, die mitgemacht haben, verärgert sind, weil die eigenen Anregungen ihrer Meinung nach zu wenig berücksichtigt werden, dann stimmt aber etwas nicht.
Das war etwa bei Stadionareal im vergangenen Herbst der Fall. Etliche, die bei der Befragung mitgemacht haben, wollten noch einmal grundsätzlich über die Entwicklung des Areals diskutieren. Die Verantwortlichen wollten aber nur Ideen sammeln und nicht noch einmal von vorne anfangen. Die Befragung wurde dann einfach abgebrochen, was falsch war und für Verärgerung gesorgt hat. Partizipation muss ernst genommen werden und hat nicht die Funktion eines Fragenbegleitgrüns.
Partizipation nur im Internet geht nicht. Wenn es sich um konkrete Räume handelt und wie diese einmal aussehen sollen, dann muss es auch vor Ort Informationen geben. Die mobilen Bürgerversammlungen sind immer noch vorbildlich und sie sollen im Herbst durch eine weitere Versammlung ergänzt werden, die von den Bürgern vorgeschlagen werden.
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🚴♀️ Auch 2024 lädt Oberbürgermeister Marcus König wieder zu den beliebten Radtouren in den Sommermonaten ein. Insgesamt stehen fünf Termine auf dem Programm, die auch als mobile Bürgerversammlungen bekannt sind.
🧑🏽💻 Gleich zu Beginn der Saison gibt es eine Neuerung: Erstmals können interessierte Bürgerinnen und Bürger ihre Themenvorschläge für die Tour im Westen der Stadt einreichen. Die → Onlinebeteiligung läuft noch bis Sonntag, 19. Mai 2024.
📍 Start ist immer am Schönen Brunnen auf dem Hauptmarkt.
📆 Hier geht es zu den nächsten Termine.
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🤝 Die aktuellen Projekte der Stadt Nürnberg und wie du dich daran beteiligen kannst, findest du hier.
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🌱 🏙️ Nürnberg plant die Weiterentwicklung ihres Klimaschutzkonzepts. Dabei wird ein umfassender Beteiligungsprozess unter Einbindung der Stadtgesellschaft angestrebt.
📣 Sobald erste Veranstaltungstermine feststehen, werden diese hier angekündigt.
Ebenfalls im Herbst soll mit den Bürgern im Internet ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet werden. Das ist alles richtig, um Akzeptanz für Planungen beim Bürger zu bekommen. Aber es kommt auf die Betreuung an: Wenn allein der Bund Naturschutz beim Klimaschutzkonzept gehört wird, dann ist das keine e-Partizipation.
Fest installierte Bürgerräte für einzelne Projekte wie in Erlangen für Vorhaben aufzustellen, kommt sehr teuer. Dass 25 Bürgerinnen und Bürger bei der Aufstellung des “Fahrplans Klima-Aufbruch” im Rahmen von vier Sitzungen mitmachen durften, hat die Stadt 285.000 Euro gekostet. Da stellt sich schon die Frage nach Aufwand und Ertrag. Die Antwort: Das ist zu teuer.
Wer Interesse an der Stadtentwicklung in Nürnberg hat, der sollte bei den Parteien im Stadtrat mitmachen, denn diese leiden an qualitativer Auszehrung. Noch besser: Er oder sie sollte sich bei der nächsten Kommunalwahl wählen lassen.
Noch eine Anregung: Pläne können außer Baufachleuten nur wenige lesen und interpretieren. Da muss die Bauverwaltung noch mehr tun.