Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Pflastersteinfolter in Nürnbergs Altstadt

 

Um das Straßenpflaster und um die vielen aufgerissenen, aber schlecht verschlossenen Straßen in Nürnberg ranken sich so manche Geschichten.

Als der frühere Baureferent Walter Anderle seine Liebe für das Straßenpflaster entdeckte und die Innenstadt in einigen Teilen üppig mit Pflastersteinen bedachte, wurde er schnell zum Professor Pflasterle befördert. Was ihn aber nicht störte. Seine Nachfolger auch nicht.

Die Steine aus halb Europa haben formal zwar zur wieder aufgebauten historischen Altstadt gepasst, doch Frauen möchten halt nicht in Schuhen nach Art des Mittelalters durch die Innenstadt flanieren, sondern manchmal auch in High Heels. Ein berechtigter Wunsch. Darauf wurde aber über Jahrzehnte hinweg keine Rücksicht genommen.

Es wurden meistens die großen Steine, die unbequem sind, verlegt. Schon mit leicht erhöhten Absätzen war es eine Plage, in der Altstadt zu laufen.

Im Unterschied zu früher, sitzen die Pflastersteine in einem Betonbett, was den Weg sehr hart macht. Eine Federung durch einen weichen Untergrund wie Sand oder Erde bleibt deshalb aus. Die Beine werden durch die Pflastersteinfolter schnell müde.

Angesichts einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft, wird aber seit rund vier Jahren zumindest etwas Rücksicht genommen. Auch im Hinblick auf Rollstuhlfahrer. Es wird ein glatt gesägtes Pflaster verlegt. Wenn nicht gleich die ganze Fläche mit modernisierten Pflastersteinen erneuert wird, so gibt es dann doch einen Korridor wie vor dem Rathaus, der gut zu begehen oder zu befahren ist. 

Die Winklerstraße vor der Sebalduskirche. | Fotos: © Janine Beck

Allerdings noch nicht überall. Nachdem es viele Klagen gab, dass die Altstadt für eine Touristenstadt nicht sauber genug sei, schaffte der Servicebetrieb öffentlicher Raum (Sör) Reinigungsmaschinen mit härteren Borsten an, die das Kopfsteinpflaster sauber halten sollen. Doch wie immer, der Teufel steckt im Detail. Die Borsten reinigen so stark, dass auch die Füllmassen zwischen den Kopfsteinen teilweise herausgebürstet werden. Auch der Abstand zwischen den verlegten Steinen ist oft viel zu groß.

Stille Akrobatik im Betonbett

Bild 1

Wer in der Altstadt mit dem Rad, das keine breiten Reifen hat, unterwegs ist, der muss höllisch aufpassen, dass seine Reifen nicht in einer solchen Fuge stecken bleiben und mann oder frau vom Rad fallen.

Ein Selbstversuch ging sehr gefährlich aus. Ganz besonders schlimm ist die Situation am Hefnersplatz (Bild 1) und in der Winklerstraße unterhalb der Sebalduskirche (Bild 2).

Nachgefragt bei Bürgermeister Christian Vogel, ob es schon Unfälle wegen zu tiefen und zu breiten Fugen auf gepflasterten Straßen oder Plätzen gegeben hat, verneint er. Nach seiner Kenntnis sei noch nichts passiert.

Schadenersatzforderungen sind bei der Stadt Nürnberg offenbar noch nicht eingegangen. Die Nürnbergerinnen und Nürnberger verfügen anscheinend über akrobatische Künste auf dem Fahrrad und es regt sich auch niemand darüber auf.

Bild 2

Die Regel ist Ausnahme

Bisweilen beschleicht einen die Überzeugung, dass die Welt gar nicht so schlecht ist, wie immer behauptet wird. Wenn sich keiner beklagt, dann gibt es auch nichts zu beklagen.

Zu breite Fugen, aufgegrabene und wieder schlecht verschlossene Straßenbeläge, die nicht nur optisch negativ auffallen, sondern auch ein Hindernis für Fußgänger und Rollstuhlfahrer bilden, stören kaum.

Auch gibt es selten Kritik aus der Bevölkerung. Entweder es fällt kaum jemanden auf oder es gibt andere Sorgen?

Das lässt einen melancholisch auf den Flickenteppich in der Innenstadt schauen.

Eigentlich gilt die Regel: Wer die Straßen aufreißt, muss sie auch wieder ordentlich und optisch an das Umfeld angepasst schließen. In Nürnberg ist die Ausnahme die Regel.

 

 

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