Nürnberg: 2 Milliarden Schulden trotz Rekord-Gewerbesteuer

 
OB Marcus König erklärt im Interview Nürnbergs Sparpläne trotz Rekord-Gewerbesteuer von 624 Millionen Euro

OB Marcus König erklärt im Interview die Finanzlage Nürnbergs und das geplante Ende des "Nürnberger Landrechts". | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

“Das Nürnberger Landrecht werden wir abschaffen”

Die Stadt Nürnberg hat fast zwei Milliarden Euro Schulden, obwohl die Einnahmen aus der Gewerbesteuer trotz der Konjunkturkrise 2025 nicht eingebrochen sind. Im Gegenteil. Sie liegen derzeit bei 624 Millionen Euro, 2024 waren es für den gleichen Zeitraum erst 558 Millionen Euro.

Noch einmal ein Vergleich: 2020 nahm die Stadt 421 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer ein. 2024 waren es für das gesamte Jahr 676 Millionen Euro. Offenbar hat Nürnberg den Einbruch der Steuereinnahmen durch Corona gut verkraftet.

Aber Hiob kam schon 2024 mit einer schlechten Botschaft, denn die Bezirksumlage stieg um 32 Millionen Euro. Das sind Ausgaben für die Integration von Menschen mit Behinderungen, für die Kosten von Pflegeheimen sowie für die Betreuung von schwer erziehbaren Jugendlichen. Die Ausgaben werden in diesen Bereichen auch 2025 weiter steigen. Es muss also weiter gespart werden. Darüber haben wir uns mit OB Marcus König unterhalten:

Nxrnberg: Herr König, es wird spekuliert, dass die Stadt Nürnberg bei den Haushaltsberatungen im Herbst für das Jahr 2026 je 30 Millionen Euro im konsumtiven und im strukturellen Bereich sparen muss. Stimmt das?

König: Ja, aber es ist eigentlich mehr. Im strukturellen Bereich ist es leichter finanzielle Mittel zu finden. 

Wie wollen Sie das erreichen?

König: Wir haben ein umfangreiches Investitionsprogramm für die Stadt aufgelegt. Das schaffen wir gar nicht alles 2026 umzusetzen und können Vorhaben schieben. Auch in den vergangenen Jahren haben wir nicht alles ausgeben können. Da sind im investiven Bereich noch Mittel frei. Wir mussten auch weniger Schulden als gedacht machen.

Unser Problem ist der konsumtive Bereich. Es sind die regelmäßigen Ausgaben beim Personal und bei den Zuschüssen, die wir gewähren und die immer weiter steigen. Auch wenn wir in den letzten Jahren mehr Einnahmen, wie bei der Gewerbesteuer, erzielt haben.

Wie wollen Sie das Problem in den Griff bekommen?

König: Wir werden zum einen Dinge verändern, die uns viel Geld kosten. Zum anderen wird neu geklärt, wer was in der Verwaltung in die Hand nimmt.

In den vergangenen Jahren haben sich durch das Land, durch den Bund und durch Europa viele Gesetze und Regelungen stark verändert. Nürnberg hat aber stets noch eine Ebene zusätzlich angefügt. Noch einen Zusatz, noch eine zusätzliche Bearbeitungsschleife.

Wir haben das vor Kurzem als „Nürnberger Landrecht“ bezeichnet. Wir werden einige übertriebene Abläufe einfach abschaffen. Wir werden Satzungen einfacher machen und nicht über das bayerische Recht hinausgehen. Wir wollen manche Dinge nicht mehr einfordern oder kontrollieren. Damit haben wir schon begonnen. Das ist auch ein Stück Entbürokratisierung. Damit sparen wir mittelfristig Geld. 

Panoramablick über Nürnberg bei Sonnenuntergang mit dem Fernsehturm im Hintergrund, grüne Vegetation im Vordergrund und Stadtbebauung unter blauem Himmel mit orangefarbenen Wolken

Die Stadt kämpft trotz sprudelnder Gewerbesteuer mit fast zwei Milliarden Euro Schulden. | Foto: © Janine Beck

Und beim Personal?

König: Wir werden uns auch die Umwidmung von einigen Stellen vornehmen müssen. Bislang ist die Schaffung neuer Stellen einfacher als die Umwidmung vorhandener Stellen, wenn ich diese nicht mehr benötige. Es gibt aber auch eine Reihe von Doppelstrukturen in der Verwaltung und in den Sozialverbänden, die vor allem im Beratungsbereich ähnliches anbieten. Das muss nicht sein. Da können wir Schwerpunkte setzen und differenzieren. Da müssen aber alle Beteiligten wie die Sozialverbände und die Stadtverwaltung mitmachen.

Wenn die Gewerbesteuer so gut sprudelt, besteht nicht die Gefahr, dass Nürnberg beim kommunalen Finanzausgleich weniger bekommt und es ein Nullsummenspiel wird?

König: Wenn in München die Gewerbesteuer so zurückgeht, wie es derzeit aussieht, dann bekommen wir ein riesiges Problem, sollte die zu verteilende Summe gleichbleiben. Was wir im vergangenen Jahr vom Finanzausgleich bekommen haben, mussten wir fast komplett an den Bezirk weitergeben. Die Bezirksumlage beläuft sich auf 270 Millionen Euro. Wenn die Umlage steigt und wir deutlich weniger beim Finanzausgleich erhalten, dann können wir das nicht einfach mal schnell einsparen. Das ist undenkbar.

Was wollen Sie dann machen?

König: Wir werden an Themen herangehen und den Menschen sagen müssen, dass manche Bereiche nicht mehr finanziert werden können. Da muss sich aber die ganze Verwaltung bewegen. Da benötigen wir Expertise, Offenheit und Selbstkritik. Einsparungen dürfen nicht persönlich genommen werden und es dürfen sich die Akteure nicht nur auf die Verteidigung ihrer Interessen zurückziehen.

Jeder Einsparungsvorschlag wird schnell skandalisiert und es wird dann behauptet, dass man bei den Schwächsten im Land sparen will. Wie wollen Sie damit umgehen?

König: Ja, das ist ein Problem und es wird dann alles mögliche miteinander vermischt. Es fehlen vielen Kritikern die Zusammenhänge. Wir müssen Standards senken, regelmäßige Ausgaben überprüfen und Doppelstrukturen auflösen. Wir müssen schlagkräftiger werden. Planung, Umsetzung und anschließende Pflege oder Unterhalt müssen aus einer Hand kommen. Diese strukturelle Reform wollen wir nach der Kommunalwahl angehen, wenn neue Referatszuschnitte möglich werden.

Panoramablick über Nürnberg mit historischen Gebäuden, roten Ziegeldächern und der Sebalduskirche unter dramatischem Himmel

Blick über die Nürnberger Altstadt: Die Stadt erbringt zahlreiche Leistungen für das Umland – von Klinikum bis Kulturangebot. | Foto: © Janine Beck

Die Stadt bietet dem Umland eine ganze Menge an Service an: Klinikum, Opernhaus, Meistersingerhalle, Stadion, Flughafen, Hafen, Tiergarten und ein umfangreiches kulturelles Angebot. Kann das Umland nicht auch finanziell etwas dazu beitragen?

König: Wir haben an den Landrat in Lauf geschrieben, ob der Landkreis sich nicht an der Finanzierung des Krankenhauses in Lauf, das vom Nürnberger Klinikum betrieben wird, finanziell beteiligen will. Wir haben nicht einmal eine Antwort bekommen. Wir haben zusätzliche Kosten, die wir sonst nicht hätten. Aber auch die Kassen im Umland sind leer, und dann müsste der Landkreis eben Schulden machen wie wir. Das wollen sie nicht. Viele Themen sind in der Öffentlichkeit sehr schwer zu diskutieren. Das war auch bei den Pavianen zu sehen. Die Konfrontation hat sich ganz schnell verhärtet.

 

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