Nürnberg vor der Wahl: Neptun, Dürer und eine Enteignung

 
Illustration mit Bikini-bekleideter Neptun-Figur, die Dreizack und Krone trägt – eine Anspielung auf die Diskussion um Nacktheit in der Dürer-Ausstellung und den Umzug des Neptunbrunnen.

Neptun im Bikini: Nürnbergs Vorbereitung auf das neue Biedermeier. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Große Politik, kleine Lösungen

Was kommt? Was kommt nicht? Es lebe die Lokalpolitik! Vom Neptunbrunnen, Dürerstichen mit Nackten und der Enteignung eines Grundstücks am Aufseßplatz.

Wer beim Radfahren Zeit hat, über die Zeitläufte nachzudenken, der muss aufpassen, dass er beim Kopfschütteln und Verzweifeln nicht einen Unfall baut.

Die Politik weiß seit zehn Jahren, dass es eine Rentenreform angesichts der demographischen Entwicklung geben muss. Wenn die Bundesregierung in diesem Herbst erst einmal eine Kommission zur Rentenreform einsetzt, dann liegt was im Argen. Das ist Arbeitsverweigerung auf einem zentralen politischen Feld, quer durch alle Parteien, denn alle wissen, dass sie vielen Menschen wehtun müssen.

Die Differenzierungen bei Renten und Pensionen in einzelne Berufsgruppen lässt sich finanziell nicht mehr durchhalten, wenn faire Politik gemacht werden soll. Es geht nicht, dass Angestellte und Arbeiter für viele politisch gewünschte Belastungen in der Rentenkasse aufkommen. Andere gutverdienende Berufsgruppen bleiben aber außen vor.

Doch wer hat den Mut, es Beamten, Architekten, Rechtsanwälten und Ärzten zu sagen, dass alle in eine Kasse einzahlen müssen? Der Klassenegoismus zu Lasten der Rentenzahler kann nicht so weitergehen. Das ist kein schönes Thema, aber es muss gelöst werden.

Trump und Putin: Bromance des Grauens

Wenn der amerikanische Präsident Donald Trump die ganze Welt mit absolutistischen Maßnahmen überzieht, dann liegt ebenfalls etwas im Argen. Geradezu bösartig ist die Geste, als Trump einen der größten Kriegsverbrecher aller Zeiten wie Wladimir Putin mit einem herzlichen Händedruck in Alaska begrüßt. Da fällt einem nichts mehr ein und Trumps Hand müsste abfallen.

Europa ohne Muskeln

Die Wirklichkeit scheint nur eine Satire zu sein, aber auf was? Das Entscheidende ist, und hier können sich die Europäer winden und nach Erklärungen mit Ausreden suchen, es fehlt den europäischen Staaten an Macht, etwas durchzusetzen. Das war über Jahrzehnte bequem. Ohne Machtpolitik können aber keine Eigeninteressen durchgesetzt werden. Da braucht es eigentlich kein Geschichtsstudium. 

Angesichts der wenig erfreulichen Perspektiven im großen Rahmen ist es schön, dass gegen Ende der Schulferien wieder über lokalpolitische Themen nachgedacht werden kann, ohne dass man sich schämen muss, wichtige Probleme vielleicht nicht angemessen wahrzunehmen. Immerhin sind in sieben Monaten Kommunalwahlen.

Der Neptunbrunnen im Stadtpark Nürnberg mit der Neptunstatue und den umgebenden Wasserfiguren, eingerahmt von grünen Bäumen unter bewölktem Himmel.

Der Neptunbrunnen steht derzeit im Stadtpark – die CSU will ihn zurück auf den Hauptmarkt holen. | Foto: © Janine Beck

Neptunbrunnen: CSU plant Rückkehr auf den Hauptmarkt

Die CSU hatte vor rund eineinhalb Jahren ventiliert, wie die Nobelfassung von ‘vorschlagen’ heißt, einmal darüber nachzudenken, ob der Neptunbrunnen, der derzeit im Stadtpark steht, nicht wieder auf seinem angestammten Platz, dem Hauptmarkt, aufgestellt werden kann.

Ob die Partei mit dem Vorschlag in den Wahlkampf zieht, ist noch offen. Der Neptunbrunnen mit seinem Bildprogramm passt hervorragend zur selbst ernannten „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“. Er wurde nach dem grauenvollen dreißigjährigen Krieg zwischen 1660 und 1668 errichtet und galt als Symbol des Friedens und der Völkerverständigung. 

1796 war Nürnberg finanziell so klamm, dass der Brunnen nach St. Petersburg verkauft wurde. Der Brunnen, der heute im Stadtpark steht, ist ein Duplikat aus dem Jahr 1902. Der Neptunbrunnen mit seiner Geschichte ist ein starkes Stück Kultur. Noch dazu wurde das Duplikat von dem jüdischen Mitbürger Ludwig Gerngroß gestiftet.

Nürnbergs erster Antifaschist

Weil der Brunnen den Nationalsozialisten und ihren Aufmärschen im Weg stand, wurde er auf den heutigen Willy-Brandt-Platz verbannt. 1962 landete er dann im Stadtpark. Der Brunnen, der den Nazis schwer im Magen lag, hätte schon allein deshalb mehr Aufmerksamkeit verdient. Aber ist er auf dem Hauptmarkt nicht doch zu wuchtig? Es sollte darüber eine unaufgeregte Diskussion geben.

Am besten wäre es, den grünen Markt dauerhaft zu verlegen. Dann wäre mehr Platz auf dem Hauptmarkt. Das Hin und Her ist den Marktbeschickern des grünen Markts eigentlich nicht zuzumuten. Die Fressbuden könnten bleiben.

Vielleicht sind die Überlegungen zum Neptunbrunnen aber auch nur ein Schmeicheln konservativer Wähler. Wollte nicht CSU-OB-Kandidat Ludwig Scholz die Moritzkapelle mit einer historischen Bratwurstküche auf dem Sebalder Platz wieder aufbauen? Nach seiner Wahl 1996 ließ Scholz den Plan ganz schnell wieder verschwinden. Solche Projekte sind teuer.

Dürer-Holzschnitt von 1525: Künstler zeichnet liegende Frau mithilfe eines Fadengitters ab.

Albrecht Dürer: "Der Zeichner mit Fadengitter und quadriertem Papier" (1525). Renaissance-Darstellungstechnik mit Velum. | Quelle: © Göttingen Staatsbibl. Niedersachsen, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Dürer 2028: Linke warnt vor Nacktdarstellungen

2028 jährt sich Albrecht Dürers Todesjahr zum 500. Mal. Es wird selbstverständlich eine Ausstellung für den größten Sohn der Stadt geben. Dürer lockt die Massen an. Nürnberg wird seine Stiche in den Mittelpunkt stellen, denn an Dürer-Gemälde hat die Stadt wenig zu bieten. Dürer-Gemälde werden national und international praktisch nicht mehr verliehen, weil die Versicherungen utopische Summen kosten und die Kunstwerke sehr empfindlich sind.

Wer also den Feldhasen sehen will, der muss 2028 zur Dürer-Ausstellung nach Wien reisen. Dort wird dann das Original zu sehen sein – eine Sensation, denn in 150 Jahren wurde Dürers Aquarell nur neunmal öffentlich gezeigt.

Albrecht Dürers berühmtes Aquarell "Feldhase" von 1502 aus der Wiener Albertina - das Meisterwerk wird 2028 nicht in Nürnberg zu sehen sein

Seltener Blick ins Depot: Dürers "Feldhase" (1502) wird normalerweise lichtgeschützt verwahrt – dieses Foto zeigt das Meisterwerk im Original. Erst 2028 wird es die Öffentlichkeit wieder zu Gesicht bekommen. | Foto: © Joanna Beck

Doch zurück nach Nürnberg. In der letzten Sitzung des Kulturausschusses mahnte die Linke an, dass die Dürer-Ausstellung 2028 nicht die Stiche mit Nackten in den Vordergrund stellen soll.

Wird hier schon einmal die Witterung nach pornografischem Material oder männlichen, voyeuristischen Blicken aufgenommen? Sollen Frauen grundsätzlich bedeckt ausgestellt werden?

Kopenhagens Meerjungfrauen-Trauma

In Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen musste schon eine Meerjungfrauenskulptur nach Protesten weichen, weil sie offenbar männlichen Vorstellungen von einer Frau entspricht. Gut, die Meerjungfrau sieht tatsächlich so aus, als ob sie dem Katalog eines Schönheitsoperateurs entsprungen ist.

Aber gehört nicht auch das zu unserer Wirklichkeit dazu? Dürer, der auch ein Meister bei der Darstellung von Falten und Alter war, sollte nicht mit solchen banalen Maßstäben gemessen werden. Seine Kunst ist einzigartig und wir freuen uns schon auf die Ausstellung – natürlich mit Nackten. Ich will kein neues Biedermeier.

Aufseßplatz in Nürnberg mit giftgrün schimmerndem Teich auf der Baustelle des ehemaligen Kaufhof-Geländes, umgeben von Wohnhäusern und Absperrungen unter bewölktem Himmel.

Giftgrün statt Glamour am Lago di Aufseß. | Foto: © Janine Beck

Aufseßplatz: SPD fordert Enteignung nach 13 Jahren Stillstand

Nachdem es mit der Bebauung am Aufseßplatz, dem ehemaligen Kaufhof, seit 13 Jahren nicht vorangeht und es inzwischen einen Teich gibt, der giftig grün leuchtet, hat die SPD kurz vor den Ferien einen Antrag, der es in sich hat, gestellt. Der Grundstückseigentümer soll enteignet werden, weil er offenbar das Vorhaben aus Spekulationsgründen absichtlich verzögert. Trotz juristischer Probleme könnte das Unternehmen mit dem Bau beginnen. Das sind starke Worte, denn die Politik scheut nichts mehr als Enteignungsverfahren. Solche Prozesse sind teuer, ziehen sich hin und am Ende ist offen, wie es ausgeht.

Gut gebrüllt, Löwen: Warum nichts passieren wird

Klar, die SPD will sich im Kommunalwahlkampf als Macher zeigen. Aber gab es vor Marcus König nicht auch einen SPD-OB, der den Aufseßplatz schöner machen wollte? Die Investoren, die nicht investieren, scheinen alles auszusitzen. Dass es zu einer Enteignung kommt, ist unwahrscheinlich. Genauso wie die Versetzung des Neptunbrunnens. Gut gebrüllt Löwen.

 

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