Nürnbergs Mietenkrise: Wie Wien günstigen Wohnungsbau schafft
Während Wien für unter 1.700 Euro baut, kostet der Quadratmeter in Nürnberg das Dreifache. | Illustration: @ Paul Blotzki
Wohnungsnot verschärft soziale Spaltung
Wir sind gespannt, was derzeit die Bundesregierung an Konzepten ausknobelt, um den Wohnungsbau zu aktivieren. Die Zahl der erteilten Baugenehmigungen hat in den vergangenen Monaten zwar um 30 Prozent zugelegt, doch sind etwas über 200.000 neu gebaute Wohnungen im Jahr in Deutschland zu wenig, um die Wohnungsnot vor allem in Großstädten zu lindern. Benötigt werden 400.000 Einheiten mit bezahlbaren Mieten.
Im Durchschnitt kostet der Quadratmeter umbauter Raum etwas über 5.000 Euro. Der Vermieter müsste dann rund 12 Euro Miete (kalt) verlangen, damit sich seine Kosten langfristig amortisieren. Für Familien mit zwei oder drei Kindern und einem niedrigen Einkommen ist das auch mit einer einkommensorientierten Förderung, wie sie derzeit in Bayern und in Nürnberg praktiziert wird, nur schwer zu stemmen.
Wer schlechte, völlig überteuerte oder überhaupt keine Wände findet, in denen er akzeptabel wohnen kann, wird sich nur schwer mit dem demokratischen Gemeinwesen identifizieren. Es besteht auch die Gefahr, dass Migranten scheel angesehen werden, weil sie direkte Konkurrenten auf dem Mietermarkt sind.
Fehlbelegung statt Förderung
Die romantischen Erinnerungen an den früheren Wohnungsmarkt mit seinen auf Dauer gebundenen Sozialwohnungen, die vom Sozialamt vergeben werden, verdrängt, dass das System in den neunziger Jahren am Ende war: In den Sozialwohnungen wohnten oft gutverdienende Mieter, die den Aufstieg im Berufsleben geschafft haben und die Allgemeinheit zahlte viel Geld für den Unterhalt ihrer Wohnungen.
Die Fehlbelegungsabgabe, die eigentlich von den wohlhabenden Mietern hätten gezahlt werden müssen, weil sie über den Einkommensgrenzen ihrer Sozialwohnung lagen, war ein stumpfes Schwert. Die Mehreinnahmen durch die Fehlbelegungsabgabe waren sehr gering, deshalb konnten auch keine neuen Sozialwohnungen zusätzlich finanziert werden.
Es gab außerdem Tricks an einer Fehlbelegungsabgabe vorbeizukommen. Zusätzlich bestand die Gefahr im Sozialwohnungsbereich, dass sich Ghettos bildeten. Ein Beispiel dafür sind die Wohnungen in Nürnberg am Dianaplatz oder in Schafhof.
Lebensqualität Fehlanzeige: Der Dianaplatz zeigt, warum deutsche Stadtplanung umdenken muss. | Foto: © Janine Beck
Dianaplatz und Schafhof als Mahnung
Es musste sich etwas ändern, deshalb wurde die einkommensorientierte Förderung im sozialen Wohnungsbau eingeführt. Im Geschosswohnungsbau war das Ziel, dass ärmere und besser gestellte Mieter nebeneinander wohnen. Diese geplante Durchmischung hat aber nicht dazu geführt, dass mehr günstige Wohnungen gebaut wurden.
Nürnberg, wie andere Städte auch, musste deshalb bei Wohnungsprojekten im Geschosswohnungsbau vorschreiben, wie groß der Anteil des geförderten Wohnungsbaus sein sollte. Bis zu 50 Prozent wurden verlangt. Das war der Wohnungsbaubranche nicht recht und lieber baute sie zunächst gar nicht, als dass sie Sozialwohnungen errichteten. Es sei denn, es gab hohe Zuschüsse. In den letzten Jahren wurden Wohnungen mit günstigen Mieten in der Regel nur dann gebaut, wenn der Freistaat direkt förderte.
Was aber nicht effizient ist, denn dann gibt es viele Standards, die eingehalten werden müssen und es kam zu langen und umständlichen Genehmigungswegen. Billig ist der Neubau von Sozialwohnungen schon gar nicht. Wie im öffentlichen Wohnungsbau müssten um die 12 Euro pro Quadratmeter Miete bezahlt werden, was aber viele Mieter nicht bezahlen können. Es springt dann der Staat mit Mietzuschüssen ein.
Atzgersdorf zeigt: So geht sozialer Wohnungsbau
Wie geht es billiger? Da hilft ein Blick nach Wien: Österreichs Hauptstadt zeigt Nürnberg den Weg. Vor allem in Wien kann man die lange Tradition des sozialen Wohnungsbaus an vielen Beispielen besichtigen. Vom Staat geförderter Wohnungsbau ist in der Regel langfristig angelegtes Geld und der Grund stammt von den beteiligten Städten. Für Spekulanten lohnt sich der Wohnungsbau in vielen Fällen nicht. Allerdings sind viele Wohnanlagen abgewohnt und entsprechen nicht immer den deutschen Standards. Trotzdem können sich die Deutschen Anregungen von den Österreichern holen.
Mäandernde Balkone und durchdachte Fassadengestaltung beweisen: Sozialer Wohnungsbau muss nicht hässlich sein – eine Lektion für Nürnbergs Stadtplanung. | Foto: © Kurt Hörbst via DTFLR.com
Wiener Wunder: 8,50 Euro Miete bei 1.685 Euro Baukosten
In Wien Atzgersdorf wurden vor kurzem 237 Wohnungen fertiggestellt, deren Baukosten bei 1685 Euro pro Quadratmeter lagen. Die Miete beträgt 8,50 Euro Miete pro Quadratmeter.
Geplant hat das Kunst- und Kulturquartier das Büro Dietrich Untertrifaller Architekten (DTFLR). Von Anfang an saßen alle Beteiligten zusammen und suchten nach Wegen, einen günstigen Baupreis zu erreichen.
Jetzt kommt es richtig dick: Die Häuser sind auch noch attraktiv, weil die großen Blöcke kleinteilig gestaltet wurden und über unterschiedliche Tiefen verfügen. Die Künstlerwohnungen im Atelierhaus haben zum Teil eine Höhe von 2,80 Meter, was für ein gutes Raumklima sorgt. Es wurde auch an Gemeinschaftsflächen und -räume gedacht. Zwar gibt es keine individuellen Gärten, aber der Freiraum wurde mit Sportplätzen und Aufenthaltsflächen sehr großzügig geplant. Die Baumaterialien sind ökologisch und nachhaltig. Die Balkone sind geschwungen. Vielleicht sollten die hiesigen Stadtplaner einmal in Österreich anrufen.
Mehr Bilder gibt es hier.
Deutsche Bauvorschriften: Teurer Perfektionismus ohne Nutzen?
In Deutschland werden zwar ständig die vielen Vorschriften im Bau beklagt und es soll „ausgemistet“ werden, doch es passiert nichts. Es bleibt bei Ankündigungen. Dabei wären Möglichkeiten vorhanden, wenn Vertreter von Bund, Länder und Gemeinden sich einmal zusammensetzen würde. Vor allem mit Weglassen ließe sich beim Neubau und bei der Sanierung von Altbauwohnungen sparen.
Das muss nicht bedeuten, dass die Architektur schlechter wird. Auch nachhaltig geht günstig, wenn man die teuren technischen Möglichkeiten nicht ausreizt. Braucht es in Treppenhäusern Heizkörper oder Fußbodenleisten, muss es eine Fußbodenheizung sein? Rechnet sich das, wenn in einem Altbau das Dachgeschoss ausgebaut wird, dass ein Lift eingebaut wird und der Brandschutz nach den neuesten Vorschriften installiert werden muss?
Einen Altbau auf Neubaustandard anzuheben, ist nicht wirtschaftlich. Ist eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung sinnvoll? Sie ist in der Regel wohl nur teuer. Auch die Vorgaben für die Energieeffizienz sollten einmal auf der Basis des Nutzerverhaltens berechnet werden. Dann würde es zeigen, ob tatsächlich 40 Prozent Energie eingespart oder nur 15 Prozent. Die 40 Prozent sind wohl nur ein theoretischer Erfolg, der in der Praxis nicht erzielt wird. Ein Diesel-Gate für die Baubehörden?
Zeit für den Österreich-Anruf
Aber bei dem Treffen von Vertretern der Wohnungsbauwirtschaft mit staatlichen Experten müssten sehr viele erfahrene Praktiker dabei sein. Schön rechnen lässt sich theoretisch jede Energieeinsparung, aber ob sie tatsächlich erfolgt und wahrscheinlich ist und ob sie langfristig wirtschaftlich sinnvoll ist, zeigt nur die Praxis. Es muss mehr und günstiger gebaut werden.
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