Nürnbergs Kongresshalle: Dachmarke enthüllt Dauerlösung
Die Kongresshalle Nürnberg im Umbau: Das 230-Millionen-Euro-Operninterim wird zur permanenten Spielstätte eines neuen Kulturzentrums. Eine Dachmarke soll ab 2028 die „sichtbare Identität“ schaffen. | Foto: © Janine Beck
Opernhausinterim wird zur permanenten Spielstätte
Für viele überraschend wurde in der vergangenen Woche eine Dachmarke samt Logo für die Kongresshalle von Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König und Kulturbürgermeisterin Julia Lehner vorgestellt. Überraschend deshalb, weil es für die kulturellen Aktivitäten in der Kongresshalle ab 2028 stehen soll und ihr damit „sichtbare Identität“ verleiht, wie es auf dem Pressetermin formuliert wurde. Wo ist aber das Programm, das zur Dachmarke passt?
Das neue Logo der Dachmarke Kongresshalle Nürnberg. | Quelle: © Florian Brand Design
Dass damit eine Marke geschaffen wurde, offenbar in Abstimmung mit allen Beteiligten, ist sicher richtig, denn das ehemalige Reichparteitagsgelände entwickelt sich zu einem Zentrum für Kunst, Erinnerungskultur und darstellende Künste. Darüber hinaus entsteht eine Ausweichspielstätte für die Oper des Staatstheaters sowie auf 7000 Quadratmetern Ateliers, Ausstellungsflächen für die freie Szene. Schon vorhanden sind die Proberäume der Symphoniker und das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, die auch mit eingebunden werden, aber selbständig bleiben. Es dürfte das umfangreichste Kulturprojekt in Deutschland sein, das derzeit entwickelt wird.
Es ist einleuchtend, dass die Aktivitäten aufeinander abgestimmt werden müssen und dass nur gemeinsam Synergien entwickelt werden können. Das bedeutet aber auch, dass die Spielstätte des Opernhausinterims auf Dauer bleibt. In welcher Funktion auch immer.
Rohbau im Innenhof: Das Operninterim nimmt Gestalt an – eine "Mogelpackung", die von Anfang an als Dauerlösung geplant war. | Foto: © Janine Beck
Denkmalschutz-Auflage war von Anfang an illusorisch
Der Denkmalschutz hatte offiziell seine Zustimmung zur Bebauung des Innenhofs der Kongresshalle nur deshalb gegeben, weil das Opernhausinterim nur so lange stehen sollte, bis das Opernhaus am Richard-Wagner-Platz saniert ist. Das war von Anfang an eine Mogelpackung, denn der Öffentlichkeit hätte niemals überzeugend vermittelt werden können, dass ein Opernhausinterim, das rund 230 Millionen Euro gekostet hat, wieder abgerissen wird, nur um der Denkmalschutzauflage gerecht zu werden.
Damit ist Klarheit geschaffen, dass es keinen Rückbau gibt. Das Interim bleibt eine Spielstätte auf Dauer. Außerdem ist noch völlig offen, wie es mit dem Opernhaus weitergeht. Es gibt zwar einen Grundsatzbeschluss des Stadtrats, dass das 120 Jahre alte Opernhaus saniert werden soll, aber angesichts der hohen Kosten gibt es keine Garantie, dass es tatsächlich auch so kommt. Es wäre ein Armutszeugnis, aber keiner weiß, wie die finanzielle Lage der Stadt und des Freistaats in zehn Jahren ist.
Bürgermeisterin Julia Lehner und OB Marcus König gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Agentur Florida Brand Design aus Dortmund bei der Vorstellung der Kongresshalle-Dachmarke. | Foto: © Christine Dierenbach, Stadt Nürnberg
König und Lehner: “Kulturstandort mit Zukunft”
Diese Einordnung bestätigt auch Oberbürgermeister Marcus König bei der Vorstellung des Logos: „Die Kongresshalle entwickelt sich zu einem herausragenden Kulturstandort mit Zukunft. Die neue Dachmarke verbindet auf eindrucksvolle Weise Tradition und Innovation und schafft Raum für Kreativität und gesellschaftlichen Dialog.“ Und Lehner: „Die Dachmarke ist weit mehr als ein Logo – sie steht für die Vision eines offenen, vielseitigen Kulturraums, der Menschen und Perspektiven zusammenführt.“
Wer will schon einen Raum mit Zukunft, der auch noch für eine Vision steht, in zehn Jahren abreißen oder verlegen?
Lehners Stiftungsplan: Bund und Land sollen zahlen
Die Idee von einem Kulturort Kongresshalle, der jetzt sukzessiv Formen annimmt, wurde von Kulturbürgermeisterin Julia Lehner zunächst bei der Bewerbung um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ ins Spiel gebracht. Nach dem unglücklichen Scheitern des Vorhabens legt sie mit dem Vorschlag einer Stiftung Kongresshalle nach. Diese Idee fand bei den Verhandlungen zwischen Union und SPD in Berlin ihren konkreten Niederschlag im Programm der neuen Bundesregierung. Beide Parteien wollen Erinnerungsorte von nationaler Bedeutung mittels Stiftungen stärker fördern. Lehner, die bei den Verhandlungen über den kulturellen Bereich dabei war, setzte den Stiftungsgedanken mit Hilfe von Ministerpräsident Markus Söder inzwischen durch. Offenbar ist Lehner, die aus Altersgründen nach der Kommunalwahl im nächsten Jahr ausscheiden wird, schon ziemlich weit gekommen, die Partner im Bund und im Land zu überzeugen, gemeinsam eine Stiftung zu gründen.
Nürnberg ist auf Bund und Land angewiesen, um das Kulturprojekt dauerhaft zu finanzieren. | Foto: © Janine Beck
Zu schwach allein: Nürnberg braucht Partner
Hintergrund der Stiftung ist auch, dass Nürnberg finanziell zu schwach ist, ohne Partner die Einrichtung zu unterhalten. Immerhin haben das Dokumentationszentrum und die aktuelle Umwandlung des Reichsparteitagsgeländes zu einem Lern- und Erinnerungsort einen nationalen Anspruch. Deshalb sollen Bund und Land auf Dauer dafür Geld bereitstellen und nicht nur bei komplizierten Einzelfallförderungen wie beim Dokumentationszentrum, bei der Sanierung der Reichsparteitagstribüne und beim Umbau der Kongresshalle.
Kulturbürgermeisterin Lehner hat als Stadträtin, Kulturreferentin und Kulturbürgermeisterin das Gelände und die Bauten am Dutzendteich seit über 30 Jahren betreut und könnte als Stiftungspräsidentin den anvisierten Kulturort weiter betreuen. Wer ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin an der Spitze des Kulturreferats wird, hätte dann einen wichtigen Bereich weniger zu betreuen. Aktivitäten für eine Nachfolgelösung von Lehner sind weder bei der CSU noch bei der SPD zu erkennen.
Kulturreferat vor dem Aus? Nachfolge ungeklärt
Vom Kulturausschuss des Stadtrats sind in den vergangenen Jahren keine Impulse ausgegangen. Ein lokaler Nachfolger oder eine lokale Nachfolgerin, die auch national vernetzt sind und deren Wort gehört wird, sind für Lehner nicht in Sicht. Befürchtet wird, dass das Kulturreferat nicht eigenständig bleibt, sondern aufgeteilt wird. Da könnte man mit der Stiftung das Fähnchen der Kultur hochhalten. Sollte das Kulturreferat seine Eigenständigkeit verlieren, wäre es aber ein Armutszeugnis für Nürnberg.
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