Zu heiß. Zu trocken. Zu versiegelt.
Weißer Turm am Ludwigsplatz: Lehrstück für schlechte Planung. | Illustration: © Paul Blotzki
Mit dem Schwammstadt-Prinzip gegen Rekord-Hitze
Es ist heiß und die Temperaturen werden in den nächsten Wochen noch weitere Spitzenwerte erklimmen. Der 25. Juli 1969 lieferte mit 33,1 Grad für viele Jahre den Höchstwert in Nürnberg. Jetzt sind es 34 Grad. Fast noch schlimmer ist, dass die Tage, an denen das Thermometer auf über 30 Grad Celsius steigt, mehr werden. Dabei hat Nürnberg schon 2022 einen Hitzeaktionsplan aufgelegt. Wer sich informieren will, wie er seine Gesundheit vor der Hitze schützen kann, und was er am besten macht, wenn er der Sonne ausgesetzt ist, der findet den Aktionsplan auf den Seiten des Nürnberger Umweltreferats. Man muss nur klicken.
Mittelalterlicher Stadtkern erschwert Begrünung
Es wird aber angesichts des Klimawandels nicht genügen, Karten mit Orten, wo es kühl ist oder wo Wasser zum Abkühlen im öffentlichen Raum zur Verfügung steht, aufzustellen. Nürnberg hat, wie Regensburg oder Bamberg auch, das Problem, dass der mittelalterliche Stadtkern sehr kompakt gebaut ist und es deshalb weniger Platz für Bäume oder Grünflächen im Innenbereich gibt, als in anderen Städten. In Langwasser sieht es dagegen ganz anders aus.
Der Parkplatz macht dem Park Platz
In Nürnberg steht aber nicht nur ein Hitzeaktionsplan zur Verfügung. Es wird seit 2020 auch ein Masterplan Freiraum sukzessive aufgestellt und umgesetzt. Mehr Fahrradwege, mehr Grünflächen und mehr Bäume, die Parkplätze ersetzen. Motto: „Der Parkplatz macht dem Park Platz.“ Auch beim Aufstellen von Bebauungsplänen nimmt die Stadt schon seit längerer Zeit Rücksicht auf den Klimawandel. Im Zentrum der Aktivitäten steht in den nächsten Jahren aber vor allem das Prinzip Schwammstadt, das für ein besseres Stadtklima sorgen soll.
Die Stadt wird zum Schwamm
In den vergangenen Jahrzehnten war es bislang so, dass freie Flächen im öffentlichen Raum mit Teer oder Steinen versiegelt wurden, so dass bei Regen das Wasser in die Kanalisation abgeleitet werden konnte. Das hat aber zu einem sinkenden Grundwasserstand geführt.
Mit der Sanierung des Obstmarkts wird begonnen, den öffentlichen Raum nach dem Prinzip einer Schwammstadt umzubauen: Das Regenwasser soll nicht mehr abgeleitet werden, sondern es soll versickern und auf diese Weise das Stadtklima abkühlen und verbessern.
Bauarbeiten in der Breiten Gasse: Hier sollen künftig Klimasteine das Schwammstadt-Prinzip umsetzen. | Foto: © Janine Beck
Klimasteine – das durstige Pflaster der Stadt
Bei einem Stadtspaziergang vor wenigen Tagen in der Innenstadt hat Oberbürgermeister Marcus König darauf hingewiesen, dass auch neue Pflastersteine, die Wasser aufsaugen können, künftig verlegt werden. Diese sogenannten Klimasteine, die aus drei Schichten bestehen, die erst nach und nach Feuchtigkeit aufnehmen und dann schrittweise wieder abgeben, haben allerdings nicht die Härte, Lieferverkehr mit Lkws auszuhalten. Deshalb muss etwa bei der Sanierung der Breiten Gasse, die soeben begonnen wurde, darauf geachtet werden, dass die Klimasteine direkt im Umfeld der 30 neu zu pflanzenden Bäume eingesetzt werden und die für den Lieferverkehr vorgesehenen Spuren harte Steine wie in der Luitpoldstraße bekommen.
Zusätzlich zu den neuen Klimasteinen werden bei Straßensanierungen Rigolen eingebaut, die Wasser sammeln und dann langsam wieder abgeben können, und auf diese Weise das Klima abmildern. Nach Angaben von Bürgermeister Christian Vogel kosten die Klimasteine auch nur ein Drittel des Preises eines Granitsteins.
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Eine Schwammstadt funktioniert wie ein großer Schwamm: Sie nimmt bei Starkregen große Wassermengen auf, speichert sie zwischen und gibt sie zeitverzögert wieder ab. Das Konzept basiert auf dezentraler Regenwasser-Bewirtschaftung – Wasser wird dort aufgefangen, wo es anfällt, und dem natürlichen Kreislauf zugeführt.
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Kernelemente sind:
Versickerungsmulden: Tiefergelegte, wannenförmige Grünflächen speichern Regenwasser
Dachbegrünung: Bis zu 80 cm dicke Schichten können zusätzlich Wasser speichern
Rigolen: Unterirdische Kies- oder Schotterkörper speichern temporär große Wassermengen
Entsiegelte Flächen: Ermöglichen natürliche Wasseraufnahme
Klimasteine: Wasserdurchlässige Pflastersteine ermöglichen Versickerung bei gleichzeitiger Begehbarkeit
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Schutz vor Überschwemmungen: Regenwasser wird kontrolliert zurückgehalten
Natürliche Klimaanlage: Gespeichertes Wasser kühlt durch Verdunstung an heißen Tagen
Grundwasser-Anreicherung: Gefiltertes Regenwasser stärkt den Wasserhaushalt
Hitzeinseln-Prävention: Grüne Infrastruktur senkt Stadttemperaturen messbar
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Rigolen sind unterirdische Speicher- und Versickerungsanlagen aus grobkörnigem Material wie Kies oder Schotter. Sie funktionieren nach dem Prinzip:
Aufnahme: Regenwasser fließt über Rohrleitungen oder Oberflächenabläufe in die Rigole
Speicherung: Das Hohlraumvolumen zwischen den Steinen nimmt bis zu 35% Wasser auf
Versickerung: Gespeichertes Wasser sickert zeitverzögert ins Erdreich und Grundwasser
Entlastung: Überlaufmöglichkeiten verhindern Rückstau bei Extremereignissen
Vorteile: Rigolen benötigen wenig Oberfläche, sind wartungsarm und können unter Parkplätzen oder Grünflächen angelegt werden.
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Klimasteine sind Pflastersteine, die gleichzeitig kühlen, Regen schlucken und die Luft reinigen. Sie funktionieren wie Mini-Ökosysteme: Oben reflektieren sie Hitze, in der Mitte speichern sie Wasser wie ein Schwamm, unten regulieren sie die Verdunstung. Regenwasser versickert durch die Fugen.
Warum sind sie wichtig?
Sie verwandeln heiße Pflasterflächen in natürliche Klimaanlagen – ohne Strom, ohne Wartung.
Sehen sie anders aus?
Nein, sie sehen wie normale Pflastersteine aus, arbeiten aber 24/7 für Nürnbergs Stadtklima.
Ludwigsplatz zu klein für vier Bäume?
Wie schwierig es ist, klimafreundliche Ansätze und Planungen auch umzusetzen, wird am Beispiel vom Ludwigsplatz deutlich. Es ist an dieser Stelle schon beklagt worden, dass die Fläche vor dem Wöhrl und Sport Scheck durch die Sanierung zu einer Steinwüste wurde. Derzeit wird wieder aufgegraben, um vier Silberlinden zu pflanzen, die Schutz vor Sonne bieten sollen. Man hätte das von Anfang an mitbedenken müssen. Das wäre für den Steuerzahler auch billiger gekommen. Die Nachpflanzaktion kostet nach Angaben von Bürgermeister Vogel 250.000 Euro.
250.000 Euro Nachbesserung: Vier Silberlinden für den Ludwigsplatz. | Foto: © Janine Beck
Drei Ämter übersehen fehlende Bäume
Geplant haben den Platz das Verkehrsplanungs- und das Stadtplanungsamt. Umgesetzt wurden die Planungen vom Servicebetrieb öffentliche Raum (Sör). Drei Ämter haben offenbar nicht gesehen, dass Bäume fehlen! Angesichts der vielen Versorgungsleitungen im Untergrund sollten zunächst Bäume vermieden werden, so Vogel.
Wenn der riesige Ludwigsplatz für Bäume zu klein ist, dann aber Hallo! Dann bräuchte man nicht mehr darüber nachzudenken, wo Bäume gepflanzt werden sollen. Erst auf Druck der Öffentlichkeit wurden die Bagger noch einmal angeworfen und, siehe da, es gab doch noch vier Plätzchen.
Was ist Zeit? Fünf Jahre für einen Mikropark
Beim Spaziergang mit König wurde deutlich, wie wichtig auch kleinere „grüne“ Maßnahmen im öffentlichen Raum für das Zusammenleben in der Stadt sind. In dieser Woche wurde wieder ein Mikropark in der Stadtmauer, in der Verlängerung des Marientorzwinger fertig. Eine Anlage, die sich sehen lassen kann. Für Spaziergänger oder nach dem Shopping eine geradezu ideale Fläche, einmal die Beine auszustrecken und sich hinzusetzen, ohne dass man gleich wieder etwas kaufen muss.
Biergarten-Eröffnung erst 2027
Leider hat die Stadt, ihr gehört der Marientorzwinger, erst in diesen Tagen einen Pächter für den angrenzenden Biergarten gefunden. Die Eröffnung soll 2027 stattfinden. Was ist Zeit? Konzept und Umsetzung dieses Mini-Parks haben fünf Jahre gedauert. Aber das kostet. Die Anlage des Mikroparks am Marientorzwinger und die Aufwertung des westlichen Teils der Katharinengasse haben mit 3,94 Millionen Euro zu Buch geschlagen. 2,8 Millionen Euro kommen davon von Bund und Land.
Noch dominiert Asphalt die Grasersgasse – ab 2027 soll hier ein grünes Dach wachsen. | Foto: © Janine Beck
Landesgartenschau bringt 93 Millionen für ein grünes Nürnberg
Es wäre zu wünschen, dass im Hinblick auf die Landesgartenschau, die 2030 stattfindet, der Masterplan Freiraum an Fahrt aufnimmt. Immerhin sollen an verschiedenen Punkten in der Innenstadt Flächen entsiegelt und mit Grün aufgewertet werden. Für den Masterplan stehen insgesamt 38 Millionen Euro zur Verfügung und durch die Landesgartenschau kommen noch einmal 55 Millionen Euro hinzu.
Grasersgasse wird zur Baumhalle
Auch bei der Landesgartenschau wird das Prinzip Schwammstadt im Mittelpunkt stehen. Die kurze Grasersgasse zum Beispiel, die direkt ans Germanische Nationalmuseum angrenzt, hat zwar einen idyllischen Namen, doch derzeit sieht sie eher aus wie eine vierspurige Autobahn mitten in der Stadt. Die ersten Simulationen, wie sie ab 2027 umgebaut wird, wecken allerdings Optimismus, dass die Landesgartenschau tatsächlich für eine Aufwertung der Innenstadt Nürnbergs sorgen wird.
Temperatursenkung um 12 Grad möglich
Experten der Stadt gehen davon aus, dass eine Straße, in der regelmäßig 30 Grad Celsius gemessen werden, nach dem Umbau mit Hilfe des Schwammstadt-Prinzips die Temperaturen um bis zu 12 Grad Celsius sinken können. Das klingt gut, ist aber natürlich deutlich teurer als mobile Bäume herumzuschieben, die wenig positive Auswirkungen auf das Klima haben.
Noch ein Hinweis am Rande. Bei den aktuellen Berechnungen zum Wärmeplan, den die Stadt derzeit aufstellt, geht man davon aus, dass durch den Klimawandel künftig 30 Prozent weniger Energie für die Wärmegewinnung benötigt wird.
Mark Benecke: „Time is up: Hitze, Fluten, Artenschwund“ an der Universität zu Köln. | Quelle: © Universität Köln, Mark Benecke via YouTube