Kanadagans am Woehrder See

… und dann kam die Kanada-Gans. | Foto: © Janine Beck

 
 

Grütze mit Erholung am Wöhrder See

„Von China lernen, heißt siegen lernen.“ Seit Jahrzehnten wird der Satz in den unterschiedlichsten Zusammenhängen benutzt, sodass er schon ein Klischee ist. Wer will denn nicht siegen? Und was muss man dafür tun?

Mal wird der Satz auf die CSU, mal auf Singapur oder auf die Sowjetunion gemünzt. Den Vergleich mit Moskau regte 1951 die DDR an, mit der Behauptung, von den Erfahrungen des russischen Kommunismus zu profitieren. Genutzt hat es den Machthabern in Ost-Berlin nicht.

Die „Siege“ Chinas gehen im Übrigen darauf zurück, dass konsequent versucht wird, die eigenen Schwächen auszumerzen und dabei wird auch bei Konkurrenten gespickt.

Doch der Ansatz, für die Lösung von eigenen Problemen nach erfolgreichen Aktivitäten bei anderen zu suchen, ist richtig, denn das Rad der kommunalen Selbstverwaltung muss nicht jedes Mal neu erfunden werden. Hier sind wir dann wieder in Nürnberg.

Die Gänse-Plage am Wöhrder-See ist ärgerlich, denn für 20 Millionen Euro plus X sollte das ganze Gelände zu einem richtigen Naherholungs-Areal für die die Stadtgesellschaft umgebaut werden. Diese Idee hatte vor über zehn Jahren der damalige Bayerische Umweltminister Markus Söder auf den Weg gebracht. Doch dann kamen die Kanada-Gänse.

Was musste der Nürnberger Politiker an Häme einstecken, weil nach der Sanierung des Wöhrder Sees der Sandstrand und die neu von der Stadt angelegten Grünflächen von den Gänsen zugeschissen werden.

Abschießen geht aus Angst vor Tierfreunden nicht. Erste Versuche haben regelrecht einen Aufstand provoziert. Derzeit wird ein Teil der Gänseeier eingesammelt, damit der Nachwuchs ausgebremst wird. Es gibt aber immer noch viel zu viele Gänse, denn die Tiere sind schlau.

Die gute Absicht Söders, die er natürlich auch als Politiker nutzen wollte, hat vor allem Schadenfreude bei politischen Gegnern ausgelöst. Was ziemlich deppert ist, denn in einer Großstadt lechzen Kinder nach Wasser. Der Wöhrder See ist der ideale Wasserspielplatz, aber halt mit Grütze. Das Hö, Hö, das eigentlich gegen Söder zielt, haben sie nicht verdient.

Söders politische Konkurrenz hätte auch einmal auf eine gute Idee kommen können, von der Nürnbergs Bürger und Bürgerinnen profitieren.

Die Nürnberger wollten in den vergangenen Jahren auch einmal „siegen lernen“ und haben sich in Deutschland umgeschaut, ob es das Gänse-Problem auch in anderen Städten gibt. Eine Inspiration, wie das Problem zu lösen ist, haben sie bislang leider nicht gefunden. Die Tierwelt ist hartnäckig.

Wenn die Nürnberger Naherholungsverteidiger am Bodensee gelandet wären, dann wären sie vor vergleichbaren Schwierigkeiten gestanden, denn Gänse lieben Wasser, nicht nur das des Wöhrder Sees.

Konstanz – Gans schick und verwöhnt im Spa

Die Bodensee-Therme in Konstanz mit direktem Zugang zum Bodensee. | Quelle: © Google Earth

In Konstanz gibt es ein wunderbares Thermalbad mit Außenbecken, das im Sommer Zugang zum Freibad hat, das wiederum direkt mit dem Bodensee verknüpft ist. Zwar haben die Konstanzer keine Kanada-Gänse. Aber sie haben Nil-Gänse. Diese sehen etwas schicker aus als die Nürnberger Tiere. Aber Grütze bleibt Grütze und sie wird in großen Mengen hinterlassen.

Derzeit unterhält eine Nil-Gans direkt die Besucher des Thermalbads. Sie schätzt offenbar das gechlorte Wasser mit seinen 34 Grad Wärme. Scheu vor Menschen hat sie nicht. Was aktuell etwas lustig aussieht, ist das Jahr über eine schwere Last: Denn im Sommer scheißen die Gänse in großer Zahl den Rasen der Bäder zu und das eine oder andere flutscht auch in Wasser.

Tierischer Widerstand statt romantischen Lösungen

Um das Problem zu lösen, hat der Bund Naturschutz in Konstanz eine Umzugsaktion durchgeführt und versucht, die Nil-Gänse an anderer Stelle am Bodensee anzusiedeln. Das Experiment brachte aber keinen Erfolg. Die Gänse kehrten in die Umgebung des Thermalbads zurück und sind wieder eine Plage.

Was lernen wir daraus? Wenn man keine mit Gänsekot verunreinigten Bade- oder Freizeitflächen will, dann muss man gegen die Tiere vorgehen. Das mag hart klingen, aber alles andere hilft nicht. Anderenfalls bleibt nur Demut und man muss die Situation akzeptieren, wie sie ist. Romantische Lösungen wie in einem Streichelzoo gibt es nicht.

Dass es schlimmere Probleme als mit Gänsekot verunreinigte Rasenflächen gibt, macht ein Blick nach Erfurt deutlich. Dort sollen 39 seltene Feldhamster lange Zeit den Bau eines Gymnasiums verhindert haben, weil es keine Fläche zur Umsiedlung in näherer Umgebung gegeben hat. Am Ende wurden sie aber doch für über zwei Millionen Euro umgesiedelt. Ein Sieg der kühlen Rationalität, weil die gebaut werden kann oder bürokratischer Wahnsinn?

Feldhamster auf Wiese

39 Feldhamster aus Erfurt mussten umziehen – Umzugskosten: 2 Millionen Euro. | Foto: © Zacharias Korsalka via Pexels

Noch ein Beispiel aus der Tierwelt. In Tübingen soll der seltene Vogel Ziegenmelker in der Nähe eines Krankenhauses über Jahre hinweg gesichtet worden sein und so den Anbau eines Krankenhauses vorübergehend erheblich verzögert haben. Seine Umsiedlung scheiterte daran, dass er freies Feld bevorzugt und dafür hätte man etliche Hektar Wald abholzen müssen, die an anderer Stelle wieder hätten aufgeforstet werden müssen. Soweit kam es aber nicht. Nachdem der Ziegenmelker lange Zeit nicht mehr gesichtet wurde, ist er wahrscheinlich tot. Jetzt darf gebaut werden.

Übrigens: Seltene Tiere, die man aussetzen kann, um den Bau von Straßen oder Gebäuden zu verhindern oder zu verzögern, lassen sich im Internet kaufen. Was lernen wir daraus? In China würde auf die Tierwelt bei Großprojekten keine Rücksicht genommen werden.

Quellen: © hmr-video.de • YouTube • Lukáš Kadava via Unsplash • Canva • Pexels

 
 

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