Weißer Turm Nürnber Paul Blotzki

Der Ludwigsplatz am Weißen Turm – eine Parodie auf den Masterplan Freiraum. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Masterplan Hitzestau am Weißen Turm

Seit zehn Jahren gibt es in Nürnberg den Masterplan Freiraum. Zum Jubiläum schenkte die Umweltreferentin Britta Walthelm den Stadtratsmitgliedern einen bio-regionalen Kräutertopf. Eine schöne Geste.

Nur Kräuter wurden auf öffentlichen Flächen in Nürnberg seit 2014 kaum gepflanzt, aber es kann ja noch werden. Im Rahmen des Masterplans wurden bislang elf Projekte fertiggestellt und damit 20.000 Quadratmeter öffentliches Grün hergestellt oder qualitativ aufgewertet. Dafür wurde teilweise der Boden entsiegelt. Acht Projekte sind aktuell in der Umsetzung. Bei den abgeschlossenen Projekten sind, wie der Park auf dem ehemaligen Quelle-Areal, große Flächen, aber auch kleine Oasen, wie die Nonnengasse, dabei.

25 Millionen Euro wurden von der Stadt bislang in die grüne Aufhübschung Nürnbergs gesteckt. Bis 2027 werden es nach der aktuellen Planung 38,3 Millionen Euro sein, denn die Finanzierung wird jährlich fortgeschrieben. Mit der Landesgartenschau 2030 soll der Masterplan Freiraum noch einmal neuen Schwung erhalten.

Grüne und blühende Aussichten, eine kleine Auswahl: Schweinauer Buck • Alter Kanal • Kontumazgarten • Stadtgraben • Die bezaubernde Welt der Pocket Parks • Zeltnerschloss • Wein an der Kaiserburg • “Essbare Stadt” am Josefsplatz • Hesperidengärten.

Nürnberg blüht auf – wenn wir mitdenken!

Die grüne Vision macht Nürnberg natürlich lebenswerter. Es ist offenkundig, dass sich die Stadtverwaltung bemüht, mehr Blumen zu säen, die Bäume werden besser bewässert. Es wird auch rechtzeitig nachgepflanzt und nicht gewartet, bis ein Baum abstirbt. Das Bemühen ist vorhanden, rechtzeitig zu reagieren. Das ist sehr schön bei den Baumpflanzungen auf der Wöhrder Wiese zu sehen.

Es könnte aber sicherlich noch mehr sein, wenn mitgedacht würde. Es kann nicht alles in Konzepten und Plänen bis ins Detail festgelegt werden. Im Umfeld des Weißen Turms wurde der Ludwigsplatz über Monate hinweg saniert. Es dauert schon so lange, dass die Betrachter richtig neugierig wurden, was denn Tolles verwirklicht wird.

Ludwigsplatz Steinwüste Nürnberg

Baumlose Planung, bodenlose Verschwendung am Weißen Turm. | Fotos: © Janine Beck

Der Platz der Enttäuschung

Seit wenigen Tagen ist es zu sehen: Es wurde die größte Steinwüste in der Innenstadt gebaut. Wahnsinn und das nach zehn Jahren Masterplan Freiraum. Ohne Struktur, ohne Muster, ohne einen Hauch von Grün. Der Platz zwischen Wöhrl, Weißen Turm und Jakobsplatz ist wie eine Parodie auf den Masterplan Freiraum.

Er wird aufgrund der großen Steinfläche, wenn die Sonne scheint, so heiß, dass man am liebsten ein Taxi nimmt, um ihn zu überqueren.

Den Platz hat der Servicebetrieb Öffentlicher Raum in Eigenregie gestaltet. Das ist grundsätzlich vom Prozedere her in Ordnung, denn es gehört zum Geschäft der laufenden Verwaltung und muss nicht eigens vom Stadtrat abgesegnet werden. Der Platz konterkariert mit seiner eintönigen Gestaltung nicht nur die grünen Ambitionen, sondern auch das Prinzip der Schwammstadt.

 
 
Der Masterplan Freiraum hat sich zum Ziel gesetzt, die Grün- und Freiraumsituation nachhaltig zu verbessern, Nürnberg als lebenswerte und attraktive Stadt weiterzuentwickeln und aktiv mitzugestalten. Er leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, die immer größer werdenden Herausforderungen unserer Stadtentwicklung erfolgreich zu bewältigen.
— aus: Masterplan Freiraum
 
 

Nürnberg will mit dem Masterplan Freiraum Flächen entsiegeln, sodass Regenwasser besser versickern kann, damit das Grundwasser nicht weiter absinkt. Auf diese Weise soll die Begrünung unterstützt werden. Fachchinesisch heißt das Verfahren: Prinzip Schwammstadt. Dieses Wasser muss auch nicht der Kläranlage zugeführt werde. Durch den Belag des Ludwigsplatzes kommt aber garantiert kein Tröpfchen an.

Als Begründung, warum kein Hauch von Grün auf solchen Plätzen wächst und auf dem Ludwigsplatz schon gar nicht, wird stets auf die dichte Spartenverlegung im Nürnberger Untergrund verwiesen: Abwasserrohre, Frischwasserleitung, Kabelfernsehen, Stromleitungen und Glaskabel sorgen für ein dichtes Netz und für Probleme beim Pflanzen von Bäumen. Hinderlich sind auch die Decken von Parkhäusern, die nicht tief genug gelegt wurden und so das Pflanzen von richtigen Bäumen erschwert oder gar verhindern. Das ist etwa beim Germanischen Nationalmuseum und beim Richard-Wagner-Platz der Fall.

Platzsanierung rückwärts: erst pflastern, dann pflanzen.

Ludwigsplatz 2.0 – aber jetzt wirds grün!

Trotzdem: Wer auch immer für den Ludwigsplatz verantwortlich war, hätte, wenn seine grauen Zellen in Betrieb gewesen wären, eine Lösung für die Pflanzung von einigen Bäumen finden müssen. Zum Glück ist der Stadtrat aufgeschreckt und hat veranlasst, dass jetzt doch noch fünf Bäume den Platz zieren werden. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass Steuergelder durch die neuerliche Öffnung des Platzes zum Fenster rausgeschmissen werden. Die Gedankenlosigkeit und die Geldverschwendung sind ein Skandal.

Eine ganz andere Geschichte ist, dass solche großen Plätze eine Struktur im Belag brauchen. Da kann man doch nicht einfach monoton Stein an Stein verlegen. Da braucht es ein Muster, eine Unterbrechung der Oberfläche. Stadtkultur ist auch ästhetische Kultur für die Menschen.

Neben den Kräutertöpfen für die Stadtratsmitglieder sollten die SÖR-Planer ein Töpfchen mit Rasen und Bäumchen bekommen, als Aufforderung, dass sie künftig mitdenken.

Fehlt es an Kreativität und handwerklichen Können oder ist es der ganz normale Verwaltungswahnsinn? Müssen solche großen Flächen künftig in den Baukunstbeirat? Ja!

 
 

Rote Karte für Nürnberg. Beim Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe landete Nürnberg mit 57,21 Prozent Versiegelung auf Platz 8 von 190 Städten. Hier der frisch versiegelte Jakobsplatz.

 

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