Wenn Nürnbergs Großprojekte an Berlin und Erlangen scheitern

 
llustration von Paul Blotzki: Ein roter Hase, der unter einem Hinkelstein ächzt. Der Hase symbolisiert die Stadt Nürnberg, die die finanzielle Last der Großprojekte wie Kongresshalle, Stadion und StUB alleine trägt.

Ein Hase ist kein Obelix: Nürnberg muss die Last der Großprojekte wie Kongresshalle, Stadion und StUB fast alleine stemmen, während die Finanzierung durch Bund und Freistaat wackelt. | Illustration: © Paul Blotzki

Rückschlag für Nürnbergs Stadtentwicklung: Der Bund erteilt der Kongresshallen-Stiftung eine Absage, das 300-Millionen-Projekt Stadion sucht nach Geldgebern, und Erlangens Gewerbesteuer-Einbruch lässt die Stadt-Umland-Bahn (StUB) wackeln. Während Nürnberg mühsam versucht, seine Projekte zu finanzieren, fehlt das Geld von Bund, Freistaat und von der Nachbarstadt. Eine finanzpolitische Einordnung der Großprojekte.

 
 

Wie viel ist ein politisches Versprechen wert?

Die fehlenden finanziellen Ressourcen der Stadt Nürnberg haben uns an dieser Stelle in den vergangenen Wochen mehrfach beschäftigt. Es ist manchmal ermüdend, über Haushaltsprobleme der öffentlichen Hand zu reden, als ob dann eine Gelddruckmaschine angeworfen werden könnte. Und sparen? Wie schwierig das ist, macht die Streichung der Zuschüsse des Freistaats für junge Familien deutlich.

Einmal versprochen, dass Eltern 3000 Euro für jedes Neugeborene bekommen, ist nicht mehr so leicht zurückzunehmen. Da können zurecht viele soziale Argumente vorgebracht werden. Dass das für Familien gestrichene Geld in die Kindergartenbetreuung gesteckt wird, hilft argumentativ nicht recht weiter. Für Familien mit kleinen Kindern, die mit dem Kinderstartgeld fest gerechnet haben, sind 3000 Euro viel.

Wenn man Versprechen nicht halten kann, dann sollte man schweigen. So ist das mit jeder anderen Subvention. Alle pochen auf einmal gemachte Zusagen. Wer Interesse an der politischen Entwicklung auf der lokalen Ebene hat, kann sich aber mit einer intensiven Berichterstattung klarmachen, warum etwas umgesetzt werden kann und warum nicht.

Vielleicht bekommt man über die Jahre hinweg ein Gespür dafür, was geht und was nicht. Vor allem ein Gespür dafür, wer zu viel verspricht. Nachdem die Haushaltsberatungen in Nürnberg, beim Freistaat und beim Bund abgeschlossen sind, gilt es noch einige Beschlüsse oder Nicht-Beschlüsse nachzutragen.

 
 
Blick durch Bäume über den Dutzendteich auf die Kongresshalle in Nürnberg mit Baukränen im Hintergrund unter bewölktem Himmel.

Idyllischer Blick auf ein teures Erbe: Der Bund verweigert die finanzielle Verantwortung für die Sanierung der Kongresshalle. | Foto: © Janine Beck

Kongresshalle Nürnberg: Der Bund verweigert die nationale Verantwortung

Dass der Bund seine Finanzierungszusage bei der Sanierung der Zeppelintribüne jetzt doch einhält, darauf haben wir in den vergangenen Wochen schon hingewiesen. Die Hoffnung, dass der Betrieb und der Umbau der Kongresshalle von einer Stiftung getragen wird, die von der Stadt, dem Land und dem Bund getragen wird, hat leider getrogen. Daraus wird vorerst nichts.

Im Haushaltsausschuss des Bundestags fand sich zuletzt keine Mehrheit, eine Kongresshallenstiftung, getragen von Bund, Land und Stadt, zu gründen und auf Dauer als nationale Aufgabe zu definieren.

Historische Erblast: Wer ist Rechtsnachfolger des „Dritten Reichs“?

Man muss sich schon einmal fragen, warum Nürnberg seine Steuergelder für die Kongresshalle in dieser Größe ausgeben muss? Rechtsnachfolger des nationalsozialistischen Staates ist die Stadt Nürnberg selbstverständlich nicht. Auch die Bundesrepublik Deutschland sieht sich nicht als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs. Rein rechtlich ist die Bundesrepublik aber mit dem Deutschen Reich teilidentisch. Offenbar fällt die Kongresshalle jedoch nicht darunter.

Dass Nürnberg am Ende die Verantwortung für den ganzen Nazi-Kram am Dutzendteich, vor allem für die Kosten des Unterhalts am Dutzendteich zugeschanzt bekam, liegt daran, dass die Stadt 1935 einen Zweckverband für das Reichsparteitagsgelände mit dem Freistaat Bayern, dem deutschen Reich und der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gegründet hat. Die Stadt Nürnberg und der Freistaat Bayern brachten allerdings fast ausschließlich Grundstücke ein. Die anderen Beteiligten finanzierten den Bau.

Von den vier ehemaligen Mitgliedern des Zweckverbands wird vor allem Nürnberg in die finanzielle Haftung für den Unterhalt des ehemaligen Reichparteitagsgeländes und den Torso der Kongresshalle genommen. Der Bund alias der teilidentitäre Nachfolgestaat des Deutschen Reichs übernimmt mal die Verantwortung für das Reichsparteitagsgelände und mal nicht. Meistens nicht.

Mit einer Stiftung, die den Weiterbetrieb der Kongresshalle als pädagogisches Zentrum für die Erinnerungskultur zum Ziel hat, hätte der Bund sehr gut mit harten Realien zeigen können, wie Politik, Inszenierung, Verführung und Gewalt zusammenhängen. Da bräuchte es dann keine Marketingmaßnahmen, die vor aktuellem Extremismus warnen.

Die Taktik der Nürnberger hat jetzt folgendes Ziel: Zusammen mit dem Freistaat wird die Stiftung zur Kongresshalle gegründet und es soll nach und nach Druck aufgebaut werden, damit der Bund an einer Beteiligung nicht vorbeikommt. Das kann aber Jahre dauern und es gibt keinen Oscar Schneider mehr, der über seine exzellenten Beziehungen als ehemaliger Bundesbauminister den Bund, wie beim Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, in die Pflicht nehmen könnte.

Leere rote Zuschauersitze im Max-Morlock-Stadion Nürnberg hinter einer Glasscheibe

Das Stadion soll für 300 Millionen Euro neu gebaut werden, doch die Finanzierung ist noch lückenhaft. | Foto: © Janine Beck

Stadion-Neubau: Das 300-Millionen-Puzzle ohne den Freistaat

Im städtischen Haushalt blieb der Aus- und Neubau des Stadions enthalten. Aus Resten, Überhängen und aktuell nicht benötigten Posten hat die Stadt ihr Finanzierungspaket geschnürt. Auch der Club sucht derzeit Geld- und Grundstücksreste zusammen, um seinen Anteil in das Finanzierungskonzept einstellen zu können.

Fehlt dann nur noch der Freistaat mit der Finanzierung seines Anteils von 30 Prozent der Gesamtkosten. Das neue Stadion soll rund 300 Millionen Euro kosten. Mal sehen, ob das alles solide finanziert ist.

Rote VAG-Straßenbahn fährt auf einer grünen Gleistrasse kurz vor der Endhaltestelle Am Wegfeld

Auf dem Weg zur Endstation Am Wegfeld: Dort endet die Schiene bislang. Ob die Bahn jemals bis nach Erlangen weiterfährt, ist unsicherer denn je. | Foto: © Janine Beck

Stadt-Umland-Bahn (StUB): Erlangens Gewerbesteuer-Einbruch bremst die Vision

Ein weiteres Projekt, das aus Geldgründen nicht recht vorankommt, ist die Stadt-Umland-Bahn, die Nürnberg mit Erlangen und Herzogenaurach in einigen Jahren verbinden soll. Nürnberg ist schon in Vorleistung gegangen und hat die Straßenbahn bis zur Haltestelle Am Wegfeld gebaut. In Erlangen hat es schon seit zehn Jahren Widerstände gegen das Vorhaben gegeben. Von den Gegnern, vor allem der Erlanger CSU, wird es als zu teuer eingestuft.

Die Reihe der Befürworter ist lang: Friedrich-Alexander-Universität, Siemens, Puma, Schaeffler und Adidas. Auch der Freistaat will das Vorhaben mit einer überdurchschnittlichen Förderquote unterstützen. Außerdem hat es zweimal einen Bürgerentscheid gegeben. Zuletzt 2024. In beiden Fällen sprachen sich die Bürger für den Bau der StUB aus.

Nachdem aber Erlangen einen gewaltigen Einbruch bei der Gewerbesteuer verkraften muss, weil die Medizintechnik von Siemens ins Umland abgewandert ist, haben die Gegner der StUB wieder Aufwind bekommen und sie fordern einen vorläufigen Stopp.

Schwarze Adidas-Fahnen wehen unter einem dunklen, bewölkten Himmel über dem Firmengelände

Der überraschende Rückzieher von Adidas bei der Trassenführung erschwert die Planungen massiv. | Foto: © Janine Beck

Adidas-Rückzieher und Regressforderungen: Nürnberg droht mit 40-Millionen-Rechnung

Im nächsten Jahr soll das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden und dann weiß man genau, was die StUB kostet. Die Nürnberger wissen aber genau, was ihre Vorleistung schon gekostet hat und wollen, wenn Erlangen doch noch aussteigt, in jedem Fall die Universitätsstadt, die dem auch zugestimmt hat, regresspflichtig machen. Rund 40 Millionen Euro will Nürnberg für den Bau der Straßenbahnstrecke bis zum Am Wegfeld für Planungs- wie Personalkosten zurückfordern oder Erlangen alleine überlassen.

Dass Adidas überraschend auch einen Rückzieher macht und die schon erteilte Zusage für eine Streckenführung über das Gelände des Sportartikelherstellers zurückzieht, macht die Sache nicht besser. Die Fahrzeit wird dadurch nur etwas über zwei Minuten länger, aber es verkompliziert den Planungs- und Bauprozess.

Geduld heißt Warten

Die StUB ist ein gutes, weil sprechendes Beispiel dafür, warum Infrastrukturprojekte in Deutschland so langsam vorankommen. Die Bevölkerung und die beteiligten Firmen wurden vorbildlich in etlichen Inforunden eingebunden. Es gab zwei Bürgerentscheide und trotzdem wird das Ergebnis nicht akzeptiert.

Nur so viel dazu, dass sich mit intensiver Bürgerbeteiligung Konflikte entschärfen lassen könnten. Zur Politik gehört auch die Bereitschaft, einen erzielten Kompromiss mitzutragen und an ihm festzuhalten. Nürnberg wartet jetzt erst einmal ab.  Vielleicht findet Erlangen für sich noch eine finanzielle Lösung.

 

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