Leerstand Kühlschrank Bier Paul Blotzki

Bier oder Bildung? Eine Inventur. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Neue Impulse für das Stadtzentrum

Nürnbergs Innenstadt steht vor einem massiven Wandel. Das hat drei Gründe:

Erstens, immer mehr Einzelhändler machen zu, weil sie angesichts der Konkurrenz im Netz preislich nicht mehr mithalten können.

Zweitens, die Altstadt muss behutsam an die gestiegenen Temperaturen angepasst werden. Das bedeutet die lange aufgeschobene Aufwertung von kleinen Grünflächen oder überhaupt erst einmal deren Anlage und Pflege. Auch müssen mehr Bäume gepflanzt werden.

Drittens, schließlich muss ein Teil der Infrastruktur nach 40 bis 50 Jahren erneuert werden. Das betrifft vor allem die Breite Gasse, deren Belag und Möblierung nur noch desolat genannt werden können. Einladend ist das nicht mehr.

Pocket Park in der Nonnengasse. | alle Fotos: © Janine Beck

In dieser Kolumne wurde schon mehrfach auf geplante Veränderungen beim Hauptmarkt, beim Kaufhof und bei den Pocket Parks hingewiesen. In der vergangenen Woche gab es unterschiedliche Initiativen und Aktivitäten, was besser gemacht werden soll.

Die CSU hat einen Antrag auf ihrem Parteitag verabschiedet, der einen City-Kongress für die Innenstadt vorsieht. „Wir brauchen eine Vision, wo es mit der Innenstadt hingehen soll“,  wurde die Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier dazu zitiert.

Die SPD-Stadtratsfraktion hat eine Machbarkeitsstudie für die Innenstadt beantragt, um überhaupt ein Konzept zu haben, was möglich ist.

Stadtplanung im Blindflug

Die Wirtschaftsreferentin hat zunächst eine Verlagerung des Grünen Marktes auf den Lorenzer Platz, eine Freischankfläche neben der Frauenkirche und ein Tagungszentrum für den Kaufhof vorgeschlagen.

Kein Grüner Markt auf dem Lorenzer Platz.

Nachdem die Marktbeschicker keine Verlegung wollen und der Tucher-Biergarten auf dem Hauptmarkt auf Widerstand stößt, ruderte Heilmaier wieder zurück und wollte ihre Initiativen nur als Denkanregung verstanden wissen. Beim Kaufhof hat sie sich allerdings schon auf ein Tagungszentrum festgelegt.

Dieses Vorgehen widerspricht natürlich ihrem eigenen Wunsch nach Visionen. Wenn man schon weiß, was werden soll, dann braucht man keinen City-Kongress. Das wäre dann eine Alibi-Veranstaltung, mit der nur Geld verschleudert wird. Auch ihre Vorschläge für ein Riesenrad bei St. Elisabeth, eine Eisfläche auf dem Hauptmarkt sowie mehrere Freischankflächen in der Breiten Gasse sind wohl eher aus der Not geboren als substanzielle Vorschläge für eine qualitative Aufwertung der Innenstadt.

Derzeit entsteht der Eindruck, dass viele Akteure nebeneinander herlaufen, ohne sich abzusprechen und es keine gemeinsame Zielsetzung gibt, außer, dass es besser werden soll. Doch wie? Es besteht die Gefahr, dass im langsam anlaufende Kommunalwahlkampf eine konzeptionelle Bündelung unmöglich ist und es nur Insellösungen geben wird, um beim Wähler auf sich aufmerksam zu machen. Wer aber etwas erreichen will, der braucht Unterstützer.

Zukunftslabor oder Tagungsklotz?

Viele Schaufenster für Neugierige im leerstehenden Kaufhof.

Beispielsweise Kaufhof. Yvonne Coulin, Geschäftsführerin der Congress- und Tourismuszentrale, hat darauf hingewiesen, dass die Nachfrage nach Räumen für Tagungen und Kongresse unter 500 Teilnehmern eher gering sei. Gesucht werden Räume ab 500 Teilnehmern. Kleinere Tagungen und Kongresse würden oft digital durchgeführt. Die größeren nicht. 

Wenn diese Einschätzung die Richtschnur ist, dann müsste der Kaufhof ohne Rücksicht auf den Denkmalschutz abgerissen werden und durch einen Tagungsklotz ersetzt werden. Räume für 1000 Tagungsteilnehmer am wichtigsten Eingangstor zur Innenstadt? Das dürfte für erhebliche verkehrliche Verstopfungen in der Fußgängerzone sorgen. Lebendiger wird die Innenstadt dadurch nicht. Die CSU hat schon einmal angemerkt, dass die Innenstadt für den Autoverkehr erreichbar bleiben muss. Ein Kongresszentrum würde aber gut in den City-Point passen.

Eine Zukunft für alle

Ideal wäre für den Kaufhof doch das von der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und der TUN (UTN), der neuen Technischen Universität Nürnberg vorgeschlagene wissenschaftliche Schaufenster. Im Erdgeschoss des ehemaligen Kaufhauses könnten mit der Präsentation von Forschungen und neuen Lehrmethoden, mit Ausstellungen, Karriereberatungen, einem Wellcome-Office die wissenschaftlichen Einrichtungen Nürnbergs der Bevölkerung in der Region nahegebracht werden. Das wäre eine Nutzung, die auch zum Zukunftsmuseum auf dem Augustinhofgelände passen würde. „Public science“, nannte das Markus Zanner, Kanzler der TUN: „Wir zeigen der Öffentlichkeit, was wir mit KI alles machen können und was wir alles für die Gesellschaft leisten können.“ Das wäre die Möglichkeit, Zukunft ein Stück weit für alle zu erklären. Tagungen und Kongresse interessieren nur diejenigen, die eingeladen sind.

Dass der Kaufhof ausschließlich ein wissenschaftliches Schaufenster wird, ist angesichts der Kosten wohl nicht möglich. Diese Nutzung könnte aber gut mit anderen verbunden werden. Noch dazu würde die graue Energie, die im Gebäude des Kaufhofs steckt, gerettet werden, wenn er nicht abgerissen wird. Wer sich aber schon auf eine Tagungsnutzung festgelegt hat, der wird diese Chancen nicht nutzen. 

Entsiegelung, mehr Bäume und Spielplätze – nicht nur für die Breite Gasse, hier vor dem City-Point.

Die von der Verwaltung vorgeschlagene Umgestaltung der Breiten Gasse mit Bäumen, neuem Boden und Spielpunkten ist richtig. Auch die Modernisierung von Färberstraße, Ludwigsplatz, Pfannenschmiedsgasse ist notwendig. Wenn aber gleichzeitig Außengastronomie im Überfluss angekündigt wird, dann fragt man sich schon, ob Nürnbergs Innenstadt mehr Qualität bekommen soll oder mehr Freischankflächen. Alkohol gibt es schon genug.

Ganz nebenbei: Fast unbemerkt musste in diesem Jahr der Sandstrand nicht mehr abgebaut werden. Er bleibt in den Sommermonaten durchgängig geöffnet. Er ist sozusagen das Bindeglied zwischen Frühlingsfest und Altstadtfest. Trinken bis zum Abwinken: Da wäre etwas Wissenschaft schon wichtiger und würde für mehr Qualität stehen.

Rafft Euch endlich auf, die Altstadt nach vorne zu bringen. Die Gäste kommen nach Nürnberg, weil sie die Atmosphäre der Altstadt schätzen und nicht den ungehemmten Bierausschank.

Am Ende noch ein Tipp: Wer den Grünen Markt aufwerten will, der muss die Miete für die Stände senken, dann kommt auch mehr Qualität. Da kann man in anderen Städten, die auf diesem Gebiet erfolgreich sind, einmal nachfragen. Selbst die Laufer bekommen mehr Qualität geboten.

 

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