Nürnberg muss bei seinen Großprojekten klarere Prioritäten setzen. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

“Die Verschuldung der Stadt Nürnberg”

Es gib Diskussionen, da freut man sich auf ein rhetorisches Feuerwerk. Bei anderen wachsen minütlich die Zweifel an der Entscheidung vor Ort zu bleiben, weil es vertane Lebenszeit ist. Nur bei ganz wenigen Diskussionen geht man etwas schlauer als zuvor nach Hause.

Wolfgang Faul hat es mit seiner Diskussionsrunde im Künstlerhaus über “Die Verschuldung der Stadt Nürnberg” geschafft, elementares Wissen zum städtischen Haushalt für den Normalbürger aufzubereiten.

Bei einem Schuldenstand für den Kernhaushalt der Stadt Nürnberg, also ohne städtische Töchter und Eigenbetriebe, von 1,9 Milliarden Euro und bei einem Jahresumsatz der Stadt in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, hat das Thema Gewicht, denn Tilgung und Zinsen belasten auch die kommenden Generationen. Noch dazu hat sich der Schuldenstand in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt.

Kämmerer Thorsten Brehm verteidigt den Schuldenberg: Wir bauen für die Zukunft. | Foto: © Ludwig Olah / Stadt Nürnberg

Lebt Nürnberg über seine Verhältnisse? Können Stadtrat und Kämmerer nicht mit Geld umgehen? Werden die Einwohner Nürnbergs von der Politik zu sehr verwöhnt? Alles Fragen, die sich aufdrängen, wenn man einmal genauer hinschaut. Antworten haben Kämmerer Thorsten Brehm, Andreas Krieglstein, CSU-Fraktionsvorsitzender, und Michael Jäger, Vizepräsident Bund der Steuerzahlen in Bayern, gegeben.

Gleich vorweg: Dass mit Jäger ein Fachmann von außen den Nürnberger Haushalt einmal analysiert hat, war wohltuend, weil er keine parteipolitische Optik einnahm. Er hat nichts dramatisiert und nichts schöngeredet.

Hohe Verschuldung durch Großprojekte

Trotz des hohen Schuldenstands kam die städtische Haushaltsführung bei Jäger gut weg. “Verschuldung ist nicht gleich Verschwendung”, sagte er. Damit meinte Jäger, dass der Schuldenstand nicht durch konsumtive, sondern durch investive Kredite in die Höhe getrieben wurde. Bei Nürnberg waren es vor allem Bauprojekte in den Bereichen Schule und Kinderbetreuung. Es ging um Neubau und Sanierung. Wenn eine Schule gebaut wird, dann profitieren auch die folgenden Generationen. Dass diese Projekte teuer sind, machte Brehm am Beispiel des neuen Martin-Behaim-Gymnasiums deutlich, das 200 Millionen Euro kosten würde. Seit der Corona-Pandemie hätten sich die Bauvorhaben um 30 Prozent verteuert.

Zur teuren Sanierung von Brücken und Straßen, die in die Jahre gekommen sind, kommt noch der Aufbau einer neuen Infrastruktur hinzu, denn Nürnberg ist in den vergangenen 15 Jahren um 50.000 Einwohner gewachsen. Der Neubau von Schulen und Kindergärten wurde auch hier nötig. “Wir müssen das Stadtwachstum organisieren”, so Brehm. Hinzu kämen noch Großprojekte, die viel Geld verschlingen. “Der Neubau der Rettungsleitstelle kostet 200 Millionen Euro und dafür gibt es keine Fördergelder“, klagte der Kämmerer. Alles gute Gründe, Schulden zu machen.

Ein Samstagabend am Frankenschnellweg. | Foto: © Janine Beck

Großprojekte und ihre Kosten

Dass jetzt verstärkt gespart werden muss, liegt an den steigenden Zinsen und die Stadt kann nicht mehr davon ausgehen, dass ihre Einnahmen bei der Gewerbesteuer weiter so ansteigen wie in den vergangenen Jahren: Auch die Fördergelder vom Freistaat werden zurückgehen. Musste die Stadt im vergangenen Jahr 13 Millionen Euro mehr an Zinsen zahlen, werden es in diesem Jahr schon 36 Millionen Euro mehr sein.

Angesichts der Großprojekte, die Nürnberg umsetzen will, müsse die Stadt deutlicher priorisieren und das, was schön wäre, aber nicht seine müsse, nach hinten schieben oder streichen, so Jäger.

Das sind die größten Hausnummern, aber nur grob geschätzt. Insgesamt, so der mittelfristige Investitionsplan, will Nürnberg in den kommenden vier Jahren 2,1 Milliarden Euro investieren.

Krieglstein verwies darauf, dass nicht alles auf einmal auf die Stadt zukommt, sondern über Jahre gestaffelt. Beim Frankenschnellweg rechnet er mit einer 70 Prozent Förderung der Gesamtkosten durch den Freistaat. 300 Millionen Euro würden während der Bauzeit von zehn Jahren auf die Stadt zukommen. 30 Millionen Euro pro Jahr wären für den städtischen Haushalt verkraftbar.

Die Stadt Nürnberg plant bis 2027 Investitionen von mehr als 2,1 Milliarden Euro. | Foto: © Janine Beck

Gute Einnahmesituation und Rücklagen entlasten

Jäger forderte Krieglstein und Brehm dazu auf, wenn ein Projekt umgesetzt werden soll oder muss, dann keine Zeit zu verlieren, sonst würden sie nur teurer werden. Auch dürfen Bauprojekte während der Bauzeit nicht mehr verändert werden. Der Vizepräsident erinnert daran, dass Nürnberg schon einen sehr hohen Gewerbesteuersatz habe und dieser könne auch nicht mehr angehoben werden, will man keine Firmen vertreiben.

Die Stadt erhält derzeit 670 Millionen Euro Gewerbesteuer. “Im Vergleich zu anderen Städten steht Nürnberg bei den Einnahmen gut da”, stellte Jäger fest. Er fordere aber die Stadtspitze auf, eine attraktivere Rolle bei der Ansiedlung von Firmen zu spielen.

 
Im Vergleich zu anderen Städten steht Nürnberg bei den Einnahmen gut da.
— Michael Jäger
 

540 Millionen Euro hat die Stadt durch die gute Einnahmesituation in den vergangenen Jahren angespart. Diese Reserve soll dazu dienen, dass der Haushalt genehmigungsfähig bleibt. “Ich möchte nicht, dass uns die Regierung von Mittelfranken vorschreibt, was wir noch machen dürfen”, sagte Brehm.

Bei den Pflichtaufgaben der Stadt kann nicht gespart werden und sie machen 80 Prozent des städtischen Haushalts aus. Jäger erinnerte daran, dass das Defizit des städtischen Klinikums von der Stadt getragen wird. In Augsburg und Erlangen würde der Freistaat das Defizit der Kliniken übernehmen.

Strukturelle Mehrbelastung für Nürnberg

Auch würde Nürnberg sehr viel Infrastruktur für die ganz Region bereithalten, ohne dafür Geld zu bekommen. Zu dieser strukturellen Ungerechtigkeit kommen auch noch die Lehrerpersonalkosten hinzu, die der Freistaat komplett tragen müsse. Es aber seit Jahrzehnten nicht macht. 60 Millionen Euro spart die Landesregierung pro Jahr auf diese Weise zulasten Nürnbergs, weil er nur die Kosten für Junglehrer überweist. Das wurde auf der Veranstaltung aber nicht erwähnt.

Den größten Applaus während der Veranstaltung erhielt eine ältere Frau, als sie auf den desolaten Zustand der Innenstadt hinwies. Rolltreppen würden nicht gehen, immer mehr kleine Einzelhändler verschwinden, Kauhof und City Point stehen leer und der Aufseßplatz hat einen Baggersee. Seit Jahren gehe nichts voran. Sie wohne gerne in der Südstadt, die aber eine Aufwertung benötige. “Es gibt nicht nur Großprojekte, sondern auch einen Alltag”, ermahnte sie die Stadträte.

 

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