ICE-Werk Nürnberg: 200 Arbeitsplätze bedroht
Wegweiser zum ICE-Werk: Die Zukunft des Standorts steht auf der Kippe. | Foto: © Janine Beck
Chronik eines angekündigten Niedergangs
Wieder einmal kämpft das ICE-Ausbesserungswerk in der Ingolstädter Straße in Nürnberg ums Überleben. Das hatten wir schon einmal vor rund 15 Jahren. Es war ein sehr langer Arbeitskampf, bis die Bahn AG nachgab und neue Aufträge für das Werk in Nürnberg vergab.
Die rund 200 Beschäftigten modernisierten in den vergangenen Jahren das Innenleben der in die Jahre gekommenen ICE-Züge. Doch offenbar fehlen jetzt Nachfolgeaufträge oder den Zuschlag erhalten andere Werke. Deshalb steht im Bahn-Vorstand das Nürnberger Werk offenbar zur Disposition. Das wäre nicht nur schlimm für die Beschäftigten, die gut bezahlte Arbeitsplätze haben, sondern für den ganzen Wirtschaftsstandort Nürnberg.
Bedeutung für den Wirtschaftsstandort
Rund 12.000 Arbeitsplätze hat Nürnberg in der Auto-Zulieferindustrie und angesichts der lahmenden Konjunktur in der Automobilindustrie werden wohl etliche davon in den nächsten Jahren wegfallen. Kommt noch das Ausbesserungswerk hinzu, dann wäre wieder einmal Feuer unter dem Dach.
Aber nicht allein die wegfallenden Arbeitsplätze würden Probleme bereiten, sondern auch die Schwächung des Bahnstandorts Nürnberg. Es ist nicht gesagt, dass die guten ICE-Anbindungen in Nürnberg bleiben müssen. Die Bahn-Achse Karlsruhe, Stuttgart, München, Wien ist eine starke Konkurrenz zur Achse Karlsruhe, Stuttgart, Nürnberg, Prag. Das weiß man seit 25 Jahren als die EU die künftigen europäischen Eisenbahnentwicklungskorridore festgelegt hat. Der Wegfall des Ausbesserungswerks könnte auch zu einer Ausdünnung des ICE-Fahrplans in Nürnberg führen.
450-Millionen-Chance verpasst
Pikant ist die Entwicklung deshalb, weil die Nürnberger 2023 das Angebot der Bahn, mit der Ansiedlung eines neuen ICE-Ausbesserungswerks, das sich um die Instandhaltung der rollenden Züge kümmern sollte, nicht groß gekümmert hat. Es sollten über 450 Millionen Euro investiert werden. 400 Arbeitsplätze wären entstanden. Zwei ICE-Werke in einer Region, das hätte den Bahn-Standort auf Jahrzehnte gestärkt und die Verkehrswende vorangebracht.
Die Idee der viel gescholtenen Bahn AG war gut. In direkter Anbindung an die hoch belastete Bahn-Strecke München – Nürnberg sollte kurz vor dem Nürnberger Hauptbahnhof ein ICE-Instandhaltungswerk gebaut werden. Das wären kurze Wege zwischen Kunden und Bahn gewesen. Von Nürnberg aus wären stets gute gepflegt Züge unterwegs gewesen.
Bannwald oder Bahnwerk: Kampf um 200 Hektar
Das Problem war aber, dass sich kein 200 Hektar großes Gelände fand. Ursprünglich hatte die Bahn zwei Flächen entlang der Regensburger Straße vorgeschlagen. Das eine Areal war zwischen Fischbach und Altenfurt, das zweite nach dem Fischbacher Bahnhof Richtung Innenstadt. Flugs bildete sich 2020 mit Unterstützung vom Bund Naturschutz eine Bürgerinitiative gegen eine solche Ansiedlung. Der Bannwald sollte geschützt werden und es wurde von den Anliegern befürchtet, dass störender Lärm entsteht.
Bei der zweiten Fläche, angrenzend an den Fischbacher Bahnhof gibt es aber so gut wie keine Anlieger, die gestört würden. Das ist ein reines Misch- und Gewerbegebiet. Hier sind so gut wie keine Wohnungen zu finden. Und das Waldstück, das weggefallen wäre? Ein lausiger „Steckerleswald“, der angesichts der Notwendigkeit die Verkehrswende voranzutreiben, verzichtbar gewesen wäre.
Symbol für den Bahnstandort Nürnberg: Ein ICE am Hauptbahnhof. Die Zukunft der schnellen Fernverkehrsanbindung könnte durch die Werkschließung gefährdet sein. | Foto: © Janine Beck
Nürnberger Politik vereint gegen ICE-Werk
Doch die komplette Nürnberger Politik, CSU, SPD und Grüne wollte sich mit dem Bund Naturschutz wegen einer Infrastrukturentscheidung nicht anlegen. Es wurde allein der Bahn überlassen, nach einem passenden Gelände zu suchen. Doch warum soll ein Investor an einem Projekt festhalten, wenn er nicht geschätzt wird?
Das Drama der Verhinderung war zum Fremdschämen: Die CSU eierte herum, weil in Fischbach und Altenfurt viele Stammwähler betroffen wären und verwies als Ansiedlungsmöglichkeit auf das ehemalige Gelände der ehemaligen Munitionsanstalt bei Feucht. Wohl wissend, dass das Verfahren sehr, sehr lange gedauert hätte, weil man erst einmal einen Bebauungsplan für die Sanierung des Bodens, in dem noch alte Munition aus dem Zweiten Weltkrieg steckt, hätte aufstellen müssen. Außerdem wären erhebliche ökologischen Verwicklungen in der grünen Idylle zu erwarten gewesen. Das war kein ehrliches Angebot.
Der Bund Naturschutz und die Grünen machten sich für eine Ansiedlung des Instandhaltungswerks im Hafen oder im Rangierbahnhof stark. Entweder wollten beide es nicht wissen oder aber es waren Scheinangebote: Das Güterverkehrszentrum Hafen hätte wichtige Entwicklungsflächen, die es selber benötigt, abgeben müssen. Und der Rangierbahnhof? Neben der neuen Universität und Wohngebieten?
Hinzu kam noch der Vorschlag das Instandhaltungswerk in den neuen Bundesländern anzusiedeln. Ja, es wird eines in Cottbus gebaut. Doch es ist ein weiter Weg für die Instandhaltung von Zügen aus Nürnberg und München. Unterstützung für die Verkehrswende sieht anders aus und es wird nicht ohne Zumutungen für die Bevölkerung gehen. Der Bund Naturschutz hat die Grünen in Nürnberg fest im Griff.
Die SPD? Bei den Roten in Nürnberg gibt es noch die meisten Bahn-Fans. Doch die hielten sich öffentlich zurück, auch wenn sie dafür waren. Sie schielten ebenfalls auf die Bürger. Als die Bahn 2023 ihre Suche nach einem Grundstück überraschend beendete, weil sie keine Unterstützung erhielt, gab die SPD sich kämpferisch und versuchte der CSU die Schuld für das Desaster in die Schuhe zu schieben. So geht’s auch. Dem Bahn-Standort Nürnberg hat das nicht geholfen.
Infrastruktur mit Zukunft? | Foto: © Janine Beck
SPD schiebt Söder schwarzen Peter zu
Keine der Parteien hat in Nürnberg bei dem Instandhaltungswerk Mut bewiesen. Nasser Ahmed, der Nürnberger OB-Kandidat der SPD, hat jetzt versucht, eine Neuauflage der Schuld-Diskussion anzuzetteln und warf angesichts der Zukunftssorgen um das alte ICE-Werk Ministerpräsident Markus Söder vor, wegen seiner mangelnden Unterstützung sei das ICE-Werk in Nürnberg nicht gebaut worden. Jetzt solle er sich gefälligst für den Erhalt des alten einsetzen.
Doch ehrlich sollte man sich in der Politik schon machen. Ja, Söder hat für die Ansiedlung nichts unternommen. Was aber wäre gewesen, hätte er es gemacht: Die Einmischung in die Stadtpolitik hätte sich zu einem ökologischen Häuserkampf entwickelt. Söder soll sich für den Erhalt des vorhandenen ICE-Werks einsetzen. Das muss eine Selbstverständlichkeit für einen Nürnberger Landtagsabgeordneten sein! Aber nicht mit dem Verweis auf 2023. Hier hat die komplette Stadtpolitik versagt, weil sie ängstlich war.
Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung sollten die Nürnberger Parteien Infrastrukturentscheidungen künftig nicht ausschließlich unter Wohlfühl-Bedingungen diskutieren. Ohne Arbeitsplätze wird es schwierig Nürnberg klimatisch umzubauen. Noch wachsen Euros nicht im „Steckerleswald“.
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