Illustration einer stilisierten Person im Profil mit zwei übereinanderliegenden Gesichtern in rosa Farbtönen, die mehrdeutige oder widersprüchliche Kommunikation symbolisiert.

Schlechte Kommunikation schafft Gerechtigkeit: Alle verstehen gleich wenig. | Illustration: © Paul Blotzki

 
 

Club brennt 20 Millionen ab – Fans zahlen die Zeche

Es wird von Alt und Jung genügend sprachlich geschludert, so dass die sprachlichen Botschaften oft nicht ernst genommen oder schon gar nicht verstanden werden. Bei schlechter, weil ungenauer Kommunikation herrscht Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit. Allerdings verhindern schlampiges Reden und wichtigtuerische Faktenhuberei leider auch das wechselseitige Verständnis.

Beispiel unser 1. FC Nürnberg. Gerade einmal 125 Jahre ist er alt geworden, was mit viel Engagement gefeiert wurde. Sportjournalisten stellten sogar das Design der Jubiläumstrikots des Clubs vor, „viel schöner als das des FC Bayern“. Wenn es schon am sportlichen Erfolg mangelt, dann sind wir zumindest die Hübscheren.

FCN-Fans im Max-Morlock-Stadion beim Heimspiel gegen Elversberg am 4. Mai 2025 mit rot-weißen Fahnen und Banner "gelebte TRADITION durch FANS"

FCN Geburtstagsheimspiel gegen Elversberg am 4. Mai 2025: Im Stadion wird Klartext gesprochen – anderswo wird's komplizierter. | Foto: © Joanna Beck

FCN: 7,4 Millionen Schulden schön verpackt

Der 1. FC Nürnberg hat in dieser Spielzeit sehr viel Geld eingenommen. 20 Millionen Transferüberschüsse sollen es aktuell mindestens sein, doch finanziell steht der Verein offenbar noch immer nicht solide da.

Journalisten sind offenbar vom Club einer Gehirnwäsche unterzogen worden, denn vornehm, wie bei einem großen Wirtschaftskonzern, wird nur von „negativem Eigenkapital“ und von „einem strukturellen Defizit“ gesprochen und geschrieben.

Die Flucht in die unverständliche Sprache schönt natürlich die Verhältnisse. Beim Club wurde 2024 ein „negatives Eigenkapital“ von 7,4 Millionen Euro vermeldet. Im Klartext ist das eine bankenmäßige Überschuldung. Das ist die Höhe der Schulden, die das Vermögen übersteigen. 2025 soll nach vielen Jahren endlich wieder eine schwarze Null stehen.

Auch der Begriff „strukturelles Defizit“ klingt schöner als ein nacktes Haushaltsdefizit, das bei acht Millionen Euro liegen soll. Übersetzt heißt das, dass der Club seit Jahren über seine finanziellen Verhältnisse lebt. Deswegen heißt es „strukturell“. Immer das Gleiche, was manchmal auch dasselbe ist. Es wird jedes Jahr zu viel Geld ausgegeben und zu wenig eingenommen.

Valznerweiher-Talente verkauft – Substanz weg

Das macht bei der Beurteilung deshalb keinen Spaß mehr, weil in dieser Saison sehr gute Spieler am Valznerweiher unterwegs waren und trotzdem nur der 10. Platz erreicht wurde. Bei aller Liebe: Zwei Derby-Siege sind zwar wunderbar, aber auf Dauer reicht das nicht. Das strukturelle Defizit verbrennt die Einnahmen aus den Spielerverkäufen. Langfristig entwickelt sich eine Erosion der Substanz des 1. FC Nürnberg.

Keiner kann versprechen, dass der nächste Spielerjahrgang wieder ein sehr guter wird. Dazulernen können die guten Spieler nichts, um noch besser zu werden, denn sie sind weg. Zugegeben, die finanzielle Situation des Clubs hat sich verbessert. Aber erst 2027 soll das strukturelle Defizit ausgeglichen sein.

Wir sind alle Club-Fans?

Vielleicht sollte der Club ernsthaft einmal überlegen, ob eine effizientere Vereinsführung unbedingt nötig ist, um sportlich und finanziell erfolgreich zu sein. Eine Vereinsspitze, die auf Jahreshauptversammlungen von vulnerablen Fanmehrheiten abhängig ist, die stimmungsmäßig leicht herbeizuführen sind, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein.

Das jetzige System zementiert den Club in der 2. Bundesliga, wenn wir Glück haben, mehr nicht. Da braucht es wesentlich mehr ökonomischen Sachverstand bei den Fans, die abstimmen dürfen. Wir sind alle Club-Fans? Das Fan-Gefühl ist kein guter ökonomischer Ratgeber. Das reicht nicht.

Baustellengelände UTN-Campus mit Bäumen und Absperrungen wegen: Kampfmittelverdachtsfällen.

Klaus-Peter Murawski (Bund Naturschutz) fordert neuen Bebauungsplan für den UTN-Campus: Höhere Gebäude sollen Bäume retten – doch das würde den Universitätsbau um Jahre verzögern. | Foto: © Janine Beck

Murawski bremst UTN-Campus aus

Doch auch im politischen Bereich wird sprachlich geschludert. Sicher, man muss unter- oder übertreiben, um gehört zu werden. Aber es geht um Präzision bei den Aussagen, sonst brauchen wir uns nicht mehr zu unterhalten.

Klaus-Peter Murawski hat das politische Geschäft bei der FDP und bei den Grünen in Nürnberg gelernt. Er war erst Bürgermeister und dann die linke (oder die rechte?) Hand von Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er weiß genau, welche Wirkung er mit seinen Worten erreichen will.

Seit einigen Jahren ist Murawski Vorsitzender vom Bund Naturschutz, Kreisgruppe Nürnberg. Er kann die Pauke schlagen und seine Worte sind ganz große Bubbles.

100.000-Bäume-Märchen und eine Lärmschutzwand aus Wohnungen

Er hatte vorgeschlagen, den Frankenschnellweg und die Münchner Straße mit Wohnungen als Lärmschutz zu überbauen. Die Kosten wären Wahnsinn und niemand würde dort wohnen wollen. Das ist bekannt und das weiß auch Murawski. Seine Freude, dass das ICE-Reparaturwerk nicht nach Nürnberg kommt, und so die nachhaltige Mobilität voranbringen könnte, garniert er wortgewaltig, dass so 100.000 Bäume entlang der Regensburger Straße gerettet wurden.

Da hat Murawski aber jedes Zweiglein einzeln abgeheftet und registriert. Wer von der Klimawende spricht, der muss auch einmal etwas zugestehen, damit sie Fahrt aufnehmen kann. Im Südosten Deutschlands wird eben kein ICE-Reparaturwerk mehr gebaut. Dafür in Dortmund und Köln je eines. Als Vorsitzender vom Bund Naturschutz muss er eben leider keine Güterabwägung treffen und er kann sich leicht für Bäume und gegen Arbeitsplätze entscheiden.

Granaten im Boden, Pragmatismus im Kopf

Seinen jüngsten verbalen Dampf hat Murawski beim Stadtratsbeschluss zum Bebauungsplan für die Technische Universität Nürnberg (UTN) entlang der Münchner Straße abgelassen.

Nach dem neuesten Gutachten der staatlichen Bauverwaltung müssen jetzt doch noch etliche alte Bäume auf dem 38 Hektar großen Gelände gefällt werden, weil im Boden Reste von Granaten, Munition und anderen Kampfmitteln gefunden wurden. Der Boden soll von allen Waffenresten gesäubert werden.

Murawski fordert jetzt, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen, damit die Gebäude in die Höhe gebaut werden und weniger Fläche verbrauchen. Große Bäume könnten so stehen bleiben. Überhaupt wundert er sich, dass diese Säuberung gemacht wird, denn vor einiger Zeit seien hier noch Züge gefahren „ohne dass irgendwer in die Luft geflogen ist“. Soll der Boden wirklich erst dann von Kampfmitteln gereinigt werden, wenn jemand in die Luft geflogen ist?

Ein neuer Bebauungsplan würde jahrelange Verzögerungen und hohe Kosten nach sich ziehen. Könnte man Kampfmittel im Boden lassen und die UTN-Beschäftigten einem Experiment aussetzen? Doch wohl nicht. Murawski geht es wieder einmal darum, sich wichtig zu machen.

SPD-Kandidat Nasser Ahmed im Kommunalwahlkampf auf übergroßer Litfaßsäule neben kleiner Morlock-Gedenktafel

Nasser Ahmed spannt Morlock für den Wahlkampf ein. | Foto: © André Fischer

Morlock muss für Ahmed auflaufen

Barocke Schriftsteller und Gelehrte waren rhetorisch sehr gut geschult. Die Kunst der Rede erreichte vor 400 Jahren ihren Höhepunkt. Eines der damals geltenden Prinzipien, das versucht wurde einzuhalten, war das Aptum-Modell. Stil und Inhalt sollten zueinander passen. Die jeweilige Rede musste zum Kontext passen und sich geziemen. Die sprachliche Eitelkeit sollte nicht im Vordergrund stehen.

Die Stadtverwaltung hat vor wenigen Tagen für Nürnbergs zweitgrößten Sohn (nach Albrecht Dürer), Max Morlock, in der Schlossstraße 51 eine 60 x 90 Zentimeter große Erinnerungstafel aufgestellt. Im Text wird Morlocks Humor, Großzügigkeit und Bescheidenheit gepriesen. Er wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden.

Bescheidenheit im Schatten der Säule

Nürnbergs SPD-Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl 2026, Nasser Ahmed, hat gleich neben der Gedenktafel eine Litfaßsäule gemietet. Geschätzt 2,40 Meter Umfang und 2,80 Meter Höhe. Unübersehbar. Ahmed preist den Nürnberger Fußballer mit den Worten: „Max Morlock steht für Leidenschaft, Zusammenhalt und Bescheidenheit – Werte, die Nürnberg bis heute prägen.“ Stil und Inhalt passen da nicht mehr zusammen. Wenn Ahmed Morlocks Bescheidenheit so preist, dann ist sie nichts mehr wert, denn er schiebt sich mit der Litfaßsäule in den Vordergrund, vor die kleine Morlock-Tafel.

Ahmed hofft wahrscheinlich darauf, dass Morlocks Ruhm auf ihn übergeht. Angesichts der Plakatgröße nimmt er sich damit viel wichtiger als der tatsächlich sehr bescheidene Fußballer.

Auch hier hilft die Rhetorik zur Erklärung weiter. Nasser lässt mit der Litfaßsäule eine Kontrafaktur anbringen. Der SPD-Politiker will damit das kommunikative Potential des Namens Morlock für sich nutzen. Einfach ausgedrückt: Er lässt Morlock für sich spielen. Schade.

 

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