Nürnbergs Baustellen: Wie Koordination Zeit spart

 
Mehrstöckiges Baugerüst an einem historischen Gebäude in Nürnberg bei blauem Himmel, symbolisch für koordinierte Baustellenabwicklung

„Bauen ist immer schmerzhaft“, sagt Baureferent Ulrich. Seine neue Koordinationsstrategie soll Bauzeiten verkürzen und Belastungen reduzieren. | Foto: © Janine Beck

 
 

Bauen, eine Spurensuche von Scholz bis Ulrich

Ludwig Scholz, OB von 1996 bis 2002, war stolz, wenn er in seiner Amtszeit viele Kräne in Nürnberg zählen konnte. Für den CSU-Politiker war das ein Beweis, dass sich in der Stadt etwas tut. Er wollte bauen um jeden Preis. Investitionen, sei es in die Infrastruktur oder in Immobilien, interpretierte er ausschließlich positiv.

25 Jahre später würde seine Partei im Stadtrat einige Baustellen am liebsten stoppen oder ein Moratorium aussprechen, damit nicht zu viel gleichzeitig gebaut wird und die Bürger nicht von Lärm und Umleitungen geplagt werden.

Wie soll man dann aber Probleme, die Baustellen benötigen, lösen? Nur nach und nach, so dass jede größere Baustelle sich in die Länge zieht oder doch in einem Zug, damit es schneller geht, aber das Umfeld mehr belastet wird? Letzteres wird derzeit in Nürnberg ausprobiert. Bauen ist immer für eine Anekdote gut.

Über das Thema Bauen erzürnen sich zudem gerne die Geister. Bauen ist komplex und ist nicht einfach zu bewerten: Wenn es nicht voran geht bei einer Straßen- oder Kanalbaustelle, dann stellt sich natürlich die Schuldrage. Wurde die Baustelle von der Stadt schlecht geplant? Haben die beteiligten Baufirmen nachlässig gearbeitet oder liegt es am Pech: Hohe Krankenstände? Insolvenzen?

Neunhof und das Archäologie-Missverständnis

Vor wenigen Wochen macht eine Geschichte die Runde, dass ein Stück Kanal in Neunhof, das 3,5 Kilometer lang ist, eine fünf Jahre längere Bauzeit benötigt, weil Archäologen beteiligt sind. Das sorgte für Kopfschütteln und es wird über die städtischen Beschäftigten gelästert. Dabei wird auch noch unterstellt, die Stadt kann nicht effizient planen und Terminvorgaben einhalten. 

Dem widerspricht Baureferent Daniel Ulrich: „Die Archäologie hat oft nur ein Fenster von zwei Wochen.“ Hinter der Archäologie und dem Brandschutz, die vorgeschoben werden, wenn Bauprojekte länger dauern, verstecken sich oft andere, die für Verzögerungen sorgen. Bei allen Maßnahmen in der jüngeren Vergangenheit hatte die Archäologie nur einen Vorlauf von zwei bis vier Wochen.

Hätte man in Neunhof den Kanal in einem Zug gebaut, dann wären die Archäologen in maximal vier Wochen fertig gewesen, so der Baureferent. Da aber in kleineren Abschnitten gearbeitet wird, weil Rücksicht auf die Anlieger genommen wird, dauert es sehr viel länger.

Ulrich verweist auf die Kanalbauarbeiten in Altenfurt, die sich acht Jahre in die Länge zogen, weil in kleinen Abschnitten saniert wurde, um die individuelle Betroffenheit der Anlieger möglichst gering zu halten. Die Arbeiten müssen dann aber immer wieder neu begonnen werden.

Wenn noch Pech dazukommt und eine Firma pleitegeht, dann dauert es nochmals viel länger. „Wenn alles auf einmal in Angriff genommen würde, dann geht es wesentlich schneller“, so Ulrich. Da brauche man aber auch mehrere Baufirmen und die müsse man erst einmal bekommen. Bei Archäologen ist die Situation ähnlich.

Es gibt auch die Angst vor dem Bürger in der Stadtverwaltung. Eine Großbaustelle, mit der gleich alles innerhalb von Monaten gemacht wird, belastet das Umfeld mehr als eine Baustelle, die sich jahrelang hinzieht. 

Obstmarkt Nürnberg Baustelle mit optimierter Koordination der Arbeiten

Obstmarkt: Spartenträger wie N-Ergie werden koordiniert in einem Zug statt mehrfach aufgraben – das verkürzt die Bauzeit. | Foto: © Janine Beck

Paralleles Bauen: Ulrichs Antwort auf das Chaos

Es wird aber auch versucht, neue Wege zu gehen, damit die Baustellen möglichst schnell abgewickelt werden. Beim Obstmarkt hat es nach Ansicht von Baureferent Ulrich eine ähnliche Debatte wie in Neunhof gegeben.

Als es an die Feinplanung ging, hieß es, die Baustelle dauert wegen der Archäologie zwei Jahre länger. Die Vertreter der Spartenträger haben sich dann zusammengesetzt und es kam heraus, dass es nicht an den Archäologen lag, die vier Wochen benötigen und um die Frauenkirche herum vielleicht acht oder zwölf Wochen.

Die wesentliche Verzögerung lag an den Spartenträgern, die, wie die N-Ergie mehrfach aufgraben wollten. Man einigte sich darauf, dass weniger umfangreich aufgegraben wird, so dass es schneller gehen kann.

Archäologie: Nicht immer der Buhmann

Ulrich erinnert daran, dass es deutliche Unterschiede zwischen Ausgrabungen für einen Kanal und für ein Gebäude gibt. Je größer die Baugrube, desto länger die archäologischen Arbeiten. Bei der Baugrube des Deutschen Museums wusste man schon vorher, dass die ganze Geschichte der Stadt im Boden enthalten ist. Deshalb dauerte es lange und wurde teurer.

Muss wirklich alles erneuert werden?

Für Baureferent Ulrich stellt sich angesichts der leeren Kassen die Frage, ob man wirklich immer alle Sparten und Trassen komplett erneuern muss oder ob es nicht auch ein bisschen einfacher geht. Warum muss man eine ganze Straße neu machen? So schlecht ist sie vielleicht doch gar nicht, könnte man sich einmal fragen.

Oder: Der Kanal hat zwar seine Mängel, aber er geht doch noch. Das gelte auch für den Obstmarkt. Muss denn alles erneuert werden oder kann man Vorhandenes weiter nutzen. „Wenn man die Verantwortlichen für die einzelnen Sparten, die alle ihre eigenen Optimierungsegoismen haben, vor Beginn der Baustelle zusammenbringt, dann ist Erstaunliches möglich“, erzählt Ulrich.

Baureferent Daniel Ulrich erklärt Baustellenkoordination in Nürnberg, Foto: Stadt Nürnberg

“Wenn man die Verantwortlichen für die einzelnen Sparten, die alle ihre eigenen Optimierungsegoismen haben, vor Beginn der Baustelle zusammenbringt, dann ist Erstaunliches möglich”

– Baureferent Daniel Ulrich

Koordination ist der Schlüssel

Es muss nicht jede Firma ihre Arbeiten abgeschlossen haben und erst dann kann die nächste beginnen. Es kann auch parallel gearbeitet werden. Das spart Zeit.

„Was in Nürnberg gefehlt hat, ist eine Person, die unter Berücksichtigung der Kosten, der Termine und der Qualität alle Beteiligten zusammenbringt. Dafür haben wir eine Arbeitsgruppe beim Oberbürgermeister eingesetzt, die klärt, ob etwas wirklich sein muss und wenn ja, in welchem Umfang. Es ist schon erstaunlich, welche Ressourcen bei der Zusammenarbeit herausgeholt werden können“, erklärt Ulrich.

Am Thumenberger Weg gelang durch verbesserte Koordination aller Beteiligten eine Verkürzung der Bauzeit um ein ganzes Jahr. | Foto: © Janine Beck

Thumenberger Weg: Ein Jahr Bauzeit geschenkt

Die Stadt habe zuletzt beim Thumenberger Weg noch Gespräche geführt und dabei die Bauzeit um ein Jahr verringern können. Dabei wurden auch die Pufferzeiten zwischen den unterschiedlichen Firmen verkürzt. Die Organisation der Baustellen wird aber dadurch komplizierter.

Beim Kanal in Neunhof, beim Thumenberger Weg und beim Obstmarkt wird es schneller gehen, weil noch einmal nachgedacht wurde und die beteiligten Firmen sich neu abgestimmt haben.

Ulrich verweist darauf, dass bei der Sanierung der Straßenbahnstrecke vom Rathenauplatz bis zum Marientor inklusive der angrenzenden Straßenbahnäste es seiner Meinung nach schon einmal hervorragend geklappt hat, weil in einem Stück gearbeitet werden konnte. Das hatte den Charme, dass es schnell ging, weil nicht mehrfach neue Schienenersatzverkehre und Sperrungen eingerichtet werden mussten. Trotzdem bleiben für die Anlieger Belastungen. „Bauen ist immer schmerzhaft“, sagt der Baureferent.

Besserwisser mit Briefpapier

Ihn ärgert die große Zahl von Besserwissern gegenüber den Experten in der Stadtverwaltung. „Fortschritt in diesem Land geht aber nur durch Bauen. Das ist lästig. Zu glauben aber, dass das eigene Umfeld so bleibt wie es ist und zu hoffen, dass es trotzdem besser wird, ist falsch“, ist der Baureferent überzeugt.

Es gebe immer mehr Menschen, die bequem zu Hause sitzen, es nicht mehr nötig hätten, sich am Erwerbsprozess zu beteiligen. Sie seien bestens ausgebildet und hätten immer mehr Zeit sich aufzuregen, wie furchtbar die Situation sei, ärgert sich Ulrich:

„Beschwerdebriefe, die wir erhalten, kommen in der Regel nicht von Menschen, die 40 oder 45 Stunden in der Woche arbeiten, denn sie müssen sich um ihre Kinder kümmern. Sie kommen von Menschen, die Zeit haben und uns über vier Seiten ausführlich schildern, wo das Problem liegt, ohne fundierte Kenntnisse vom konkreten Fall zu haben. Da ist viel Wichtigtuerei dabei. Eine Gesellschaft, die zusehends überaltert, gerät auch in Gefahr ihre Überlebensfähigkeit zu verlieren.“

Damit sind vor allem Männer über 60 gemeint. „Die haben Kraft, sie sind gut ausgebildet, wissen alles besser und haben ohne Ende Zeit, sich zu beschweren. Statt dass sie in ihrer freien Zeit die Schönheit der Welt genießen, ihre Enkelkinder betreuen oder ein Ehrenamt übernehmen“, ärgert sich Ulrich. Es geht hier nicht um Verdienste in der Vergangenheit, sondern um das Leben im Jetzt.

Mehrere Baukräne koordinieren parallele Bauarbeiten in Nürnberg unter blauem Himmel

Scholz' Kran-Philosophie: Bauen um jeden Preis. | Foto: © Janine Beck

Gesetze ja, aber mit Augenmaß

Kritisiert wurde von Bauwilligen in der Vergangenheit oft auch das Umweltamt, das bei den Planungen sehr genau die Regeln auslegt und deshalb den Fortgang der Bauarbeiten manchmal behindert. Auch hier bricht Ulrich eine Lanze für die Verwaltung: „Alle Ämter haben eine gesetzliche Grundlage.“

Der Umweltbereich sei noch jung und die städtischen Angestellten würden mit viel Engagement arbeiten. „Es musste aber erst gelernt werden, dass es bei gesetzlichen Vorgaben für Planungen immer einen Bereich für Abwägungen gibt“, stellt Ulrich fest. Das habe auch der Denkmalschutz lernen müssen. Zu 100 Prozent könne man Vorgaben nie umsetzen.

Entscheidungsfreudige Kolleginnen und Kollegen, die auch einmal bereit seien, ein Risiko einzugehen, seien aber weniger geworden. Das sei auch eine Frage der Bezahlung. Im Vergleich zur Privatwirtschaft werde der Gehaltsabstand für die städtischen Beschäftigten immer größer. Bürger würden gegenüber städtischen Angestellten zunehmend persönlich werden. 

Bürgerbeteiligung: Heilmittel oder Brandbeschleuniger?

Das Planungsreferat bemüht sich, Bürokratie abzubauen. Das Hochbauamt arbeitet deshalb projektbezogen und bildet neue Einheiten. Planung und Umsetzung sind dann in einer Hand.

Dass bei öffentlichen Bauten Betroffene informiert werden und Mitreden können, hält Ulrich für selbstverständlich, damit der soziale Friede erhalten bleibt. Ob es aber sinnvoll sei, die Bürgerbeteiligung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus auszuweiten, daran zweifelt er.

„Man kann auch Widerstand züchten. Die Antibewegungen sind oft sehr klein. Die überwiegende Zahl der Bürger hat mit den meisten Projekten kein Problem. Es sollte mehr Bürgerbegehren geben, wenn es passt.“ Mit ausufernden Bürgerbeteiligungen würde es längere Verfahren und mehr Streit geben.

„Da sind wir auf dem Holzweg. In Thon wurden wir erst als blöd bezeichnet, weil wir ein Neubaugebiet ohne Schule geplant haben. Jetzt werden wir als blöd hingestellt, weil es eine gibt. Es geht dann unter, dass es eine tolle Schule ist und die Eltern zufrieden sind“, sagt Ulrich.

 

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