„Stadt braucht Kultur – Kultur braucht Stadt“
80 Prominente fordern in einem offenen Brief den Erhalt des eigenständigen Kulturreferats. | Illustration: © Paul Blotzki
Prominente Allianz für eigenständiges Kulturreferat
Das Kulturreferat hat in der Stadtgesellschaft viele Fans und Unterstützer. 80 Künstler, Kulturmacher, Politiker, Journalisten und Kunstorganisatoren haben sich auf Initiative von Thomas Grethlein, Unternehmer und ehemaliger Club-Vorstand, in einem öffentlichen Brief für den Erhalt eines eigenständigen Kulturreferats stark gemacht. Unter dem Titel „Stadt braucht Kultur – Kultur braucht Stadt“ sprechen sich die Unterstützer für die Notwendigkeit eines eigenen Kulturreferats aus.
In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Überlegungen, das Kulturreferat nach dem Ausscheiden von Kulturbürgermeisterin Julia Lehner aufzuteilen und in andere Referate zu integrieren. Das Bildungszentrum könnte etwa dem Schulreferat zugeschlagen werden, was Schulreferentin Trinkl aufwerten würde.
CSU-Strategie gefährdet Verwaltungsunabhängigkeit
Kulturbürgermeisterin Julia Lehner | Foto: © Ludwig Olah
Das Problem, auf das an dieser Stelle schon mehrfach hingewiesen wurde, besteht darin, dass Julia Lehner, Baureferent Daniel Ulrich und Bürgermeister Christian Vogel Ende April 2026 aus ihren Ämtern ausscheiden werden.
CSU und SPD hatten sich vor drei Jahren darauf geeinigt, dass die Referatsspitzen nicht vor der Kommunalwahl 2026 gewählt werden, sondern danach. Was 2022 nur wie die Organisationsänderung einer langjährigen Praxis aussah und von fast allen Journalisten nur als eine vernachlässigbare Entscheidung wahrgenommen wurde, hat einen eminent wichtigen politischen Kern: Die Verwaltung bekommt künftig an der Spitze jeweils einen politischen Beamten/eine politische Beamtin, die von den Wahlsiegern und der Mehrheit im Stadtrat bestimmt werden. Verwaltung und Politik gehen eine sehr enge Verbindung ein. Dabei soll die Politik die Verwaltung kontrollieren.
Durch diese Neuausrichtung wird die Unabhängigkeit der Verwaltung leiden. Es ist eine Repolitisierung der Stadtverwaltung. Gewählt werden in aller Regel nur diejenigen, die der politischen Mehrheit im Stadtrat schmeicheln, meist mit Parteibuch. Wenn die Stadt Glück hat, dann verfügen sie auch noch über Sachverstand. Das Referentengehalt ist zwar gut. Aber wer will schon den Büttel für die Politik machen. Schon bei den letzten Ausschreibungen haben Fachkräfte nicht Schlange gestanden, um bei der Stadt Nürnberg zu arbeiten. In der Wirtschaft wird deutlich mehr bezahlt. Ein Fachmann wie Daniel Ulrich (ohne Parteibuch) hätte unbedingt gehalten werden müssen.
Krieglsteins Machtspiel nach der Wahl 2026
Schon 1996 wollte die CSU nach ihrem überraschenden Wahlsieg, dass die frisch gewählten Referenten Ulrich Maly und Georg Leipold ihre Ämter an CSU-nahe Personen abgeben. Das haben die beiden nicht gemacht und eine Mehrheit hatten die Schwarzen nicht im Stadtrat. Die Freien Wähler machten nicht mit. 25 Jahre später wurde die SPD überredet, das bei der Rochade mit zu tragen.
Andreas Krieglstein, Fraktionsvorsitzender der CSU im Stadtrat gilt als treibende Kraft hinter der Organisationsänderung. Der CSU-Stratege hat dann die Freiheit nach der Kommunalwahl 2026 sich ein Referat nach seinem Gusto zusammenzubauen, wenn seine Partei dann den Stadtrat beherrschen kann. Krieglstein gilt als ehrgeizig, will Bürgermeister werden und hat die Unterstützung von CSU-Parteichef Markus Söder.
Durch die Neuorganisation besteht für die SPD die Gefahr eines fulminanten Eigentores: Werden bei der Kommunalwahl 2026 die Grünen nach der CSU zweitstärkste Kraft im Stadtrat, dann hat die SPD ihren Anspruch auf einen Bürgermeisterposten verloren. Die Grünen würden dann eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister stellen können.
16 Monate ohne Führung: Verwaltungschaos droht
Krieglstein und auch die mitmachende SPD haben jetzt das Problem, dass die freiwerdenden Referate Bauen, Kultur und der Gemischtwarenladen von Christian Vogel, Feuerwehr, Sör, Tiergarten und Sport, zwischen Mai 2025 und August 2026 ohne Führungspersonen sind. Eine Ausschreibung der Stellen ist nicht erfolgt, weil die eigentliche Ausschreibung erst nach der Kommunalwahl stattfinden soll.
Ausgenommen von den drei scheidenden Amtsinhabern machen alle anderen Referenten und Referentinnen mit: Sie haben sich für 16 Monate wählen lassen und müssen sich dann aber noch einmal wählen lassen.
Das ist kompliziert und nicht gerade spannend für Außenstehende. Bauen, Kultur und das Vogel-Konglomerat können aber nicht so einfach aushilfsweise von anderen Referaten nebenher mit gemacht werden. Beim Bauen geht es um viel Geld und um Fachkompetenz, die eine Schulreferentin oder Wirtschaftsreferentin nicht haben. Die Kultur, die in Nürnberg in den vergangenen Jahren erheblich an Qualität zugelegt hat, kann nicht, auch wenn es nur 16 Monate sind, vom Finanzreferenten geführt werden. Finanzreferenten sehen Kultur nur als Sparobjekt.
Die einfachste Entscheidung ist wohl das Vogel-Referat, für das sich Krieglstein erwärmt, denn dann kann er das geplante neue Fußballstadion als „sein“ Projekt voranbringen. Auch wenn dann noch nicht alle Zuständigkeiten geplant werden können.
Sör sollte dem Baureferat zugeschlagen werden. Es hat keine Logik, Planen und Umsetzen im Baubereich zu trennen.
Kongresshalle am Dutzendteich: Umbau und Opernhausinterim müssen in der 16-monatigen Führungslücke verantwortet werden. | Foto: © Janine Beck
Interne Lösungen für Kultur und Bauen gesucht
Doch wer soll sich um Kultur und Bauen kümmern? Während im Bereich Bauen Organisationsänderungen im Referat nötig sind und regelmäßig komplizierte und teure Bauprojekte gestemmt werden, muss im Kulturbereich der Umbau der Kongresshalle und das Opernhausinterim verantwortet werden. Es geht um neue Spielzeiten und um langfristige Planungen. In diesem Kontext ist der offene Brief zu sehen.
Nachdem es keine Besetzung von außen für die Interimszeit geben wird, dafür langen schon die Ausschreibungsfristen nicht, muss man intern auf die Suche gehen. Im Bereich Bauen drängt sich der Leiter des Stadtplanungsamts Siegfried Dengler auf. In der Kultur ist es Annekatrin Fries, Leiterin Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg. Beide hätten die Erfahrung, die Qualität und die Kompetenz als Direktoren vorübergehend die Referate zu führen. Aber ob sie das wollen?
Thomas Grethleins Appell gegen kulturelle Barbarei
Die Unterzeichner des offenen Briefes sehen in der Kultur „einen Verständigungsraum von elementarer Bedeutsamkeit“. Das Kulturreferat ist für sie ein „Leuchtturm“ in der bayerischen und bundesrepublikanischen Landschaft. „Gerade in Zeiten, in denen etliche Staaten in die Barbarei zurückzufallen drohen, bildet eine starke kulturelle Vielfalt wie sie unsere Stadt auszeichnet und immer ausgezeichnet hat, ein Fundament für die demokratische Öffentlichkeit“, heißt es in dem von Grethlein verfassten Brief.
Wenn keine Führung vorhanden ist, die sich einer Aufteilung des Kulturreferats widersetzt, ist die Gefahr einer Zerschlagung groß. Noch dazu lässt sich eine Neuorganisation mit Sparen verkaufen. Am Ende wird trotz anders lautendem Stadtratsbeschluss das Opernhaus doch nicht saniert, sondern verkauft und als Show-Tempel genutzt. Es wäre grotesk, wenn Nürnbergs Kultur, die zuletzt immer wieder geleuchtet hat, jetzt heruntergedimmt wird.
„Gerade in Zeiten, in denen etliche Staaten in die Barbarei zurückzufallen drohen, bildet eine starke kulturelle Vielfalt wie sie unsere Stadt auszeichnet und immer ausgezeichnet hat, ein Fundament für die demokratische Öffentlichkeit“
Unterstützt wird der Brief von: Ewald Arenz (Schriftsteller), Matthias Egersdörfer (Kabarettist), Günter Gloser (ehemaliger Staatssekretär), Thomas Grethlein (Unternehmer), Hermann Imhof (ehemaliger Landtagsabgeordneter, CSU), Hans Meyer (ehemaliger Trainer des 1. FC Nürnberg), Eva von Platen-Hallermund (Präsidentin der Akademie der Bildenden Künste), Manfred Rothenberger (Direktor des Instituts für Moderne Kunst), Klaus Schamberger (Schriftsteller und Kolumnist), Karl Gerhard Schmidt (ehemaliger Vorsitzender der Museumsinitiative), Simone Schimpf (Direktorin Neues Museum), Renate Schmidt (Bundesministerin a.D.), Nicole Schymiczek (1. Vorstand Freie Szene Nürnberg), Christine Strunck (Lehrstuhl für Kunstgeschichte), Dirk von Vopelius (Vorsitzender der IHK-Kulturstiftung), Siegfried Zelnhefer (Vorsitzender des Presseclubs Nürnberg). Die Liste ist nur eine Auswahl.
Mehr Artikel
“Nürnberg. Ein Stadtporträt in 50 Kapiteln“
25. August 2024 – Nürnbergs Essenz: Historiker destilliert 1000 Jahre auf 375 Seiten. Ein Buch für alle, die Nürnberg lieben und verstehen wollen.
Nürnbergs Baustellen: Wie Koordination Zeit spart
5. Oktober 2025 – Baureferent Ulrich räumt mit Baustellen-Mythen auf: Warum nicht die Archäologie schuld ist und wie neue Koordination Jahre spart.
Nürnberg vor der Wahl: Neptun, Dürer und eine Enteignung
7. September 2025 – 7 Monate vor der Kommunalwahl: CSU will Neptun zurück, Linke fürchten Dürer-Nackte, SPD fordert Enteignung.